»Es muss einfach eine Zeit geben, wo wir uns erheben«
IQ-Gitarrist Michael „Mike“ Holmes spricht über seinen persönlichen Widerstand (Resistance) gegen politische Korruption, Trump, Brexit, Klimawandel und Extinction Rebellion. Thematisiert wurden außerdem Songwriting, Personalwechsel innerhalb der Band, insbesonders Martin Orford. Das Interview führte André Fedorow.
Gegen wen leistet ihr Widerstand? Was ist der Grundkonsens dieses reichhaltigen Albums?
Nun, es ist ein bisschen schwierig für ein einzelnes Bandmitglied, diese Frage zu beantworten. Wenn ich nur für mich selbst spreche, gehen mir beim Schreiben der Musik bestimmte Dinge durch den Kopf. Persönlich war ich während der “Resistance”-Writingsessions in den letzten Jahren zunehmend von der besorgniserregenden Weltpolitik beeinflusst. Von Trump über Brexit bis zum Aufstieg der Rechtsextremen gab da ja es einige wirklich unangenehme Veränderungen.
Irgendwann fragt man sich: „Hätte ich mehr tun können, um dies zu verhindern?“. Dabei meine ich nicht nur mich im Speziellen, sondern alle stimmberechtigten Menschen. Liegt es vielleicht an der allgemeinen Apathie? Doch wenn uns etwas nicht gefällt, sind wir ja immer oft schnell mit Beschwerden bei der Hand – und letztendlich bestimmen wir, welche Partei an der Macht ist. Oder ist es eher so, dass Politiker nicht genug tun, um die Bevölkerung zu motivieren? Die Haltung der Politik hat sich in letzter Zeit geändert. Das gesamte Konzept der „Wahrheit“ wurde auf den Kopf gestellt und Lügen scheinen jetzt in Ordnung zu sein, solange sie nur laut und lange genug wiederholt werden. Rassismus, Bigotterie und Fremdenfeindlichkeit scheinen zuzunehmen und wir tun einfach nicht genug, um dem entgegenzuwirken.
Außerdem verstehe ich nicht, warum Regierungen auf der ganzen Welt nicht mehr gegen die globale Erwärmung vorgehen! Jeder weiß, dass wir uns in einer Krisensituation befinden und die Machthaber hinterherhinken. Wahrscheinlich aufgrund der staatlichen Finanzierung durch Unternehmen für fossile Brennstoffe und deren Lobbygruppen. Ich meine, Ziele für niedrigere Emissionen bis 2050? Das ist ein Witz!
Das waren die Themen, die mich beschäftigten, als ich für „Resistance“ schrieb. Es muss einfach eine Zeit geben, wo wir uns erheben und das muss Wirkung haben. Wir können uns wirklich nicht darauf verlassen, dass die Politik Abhilfe schafft. Wir müssen wütend werden. Weshalb ich zu 100 Prozent hinter Gruppen wie Extinction Rebellion stehe. Sie sind vielleicht nicht das ultimative Mittel für die momentane Situation, aber zumindest regen sie die Diskussion an.
Seit „Subterranea“ gab es selten soviel geballtes Material auf einer Veröffentlichung. Wie kam es zu diesem epischen Output an Kreativität?
Ehrlich gesagt schreiben wir eigentlich immer deutlich mehr Material als wir für ein neues Album brauchen. In der Vergangenheit hatten wir noch ungewöhnliche Riffs übrig, mit denen wir uns dann später beschäftigen wollten. Aber mit “The Road of Bones” beschlossen wir zum ersten Mal, einige solcher Ideen auszuarbeiten und auf einer Bonus Disc Special Edition zu veröffentlichen.
Als wir uns mit den Ideen für das „Resistance“-Album befassten und überlegten, wie wir den Songfluss strukturieren sollten, stellten wir fest, dass wir wieder mehr als genug Material für eine CD hatten. Zuerst haben wir angefangen, sie in eine “Haupt-Disc”- und eine “Bonus-Disc”-Liste zu sortieren. Aber nach einer Weile kamen wir zu dem Schluss, dass eigentlich alles ziemlich gut ist und es alles verdient, auf der Hauptdisc zu sein. Dann hatten wir die Idee mit dem Doppelalbum.
Zufällig waren am Ende übrigens noch drei oder vier Songs übrig, die auf diesem Album nicht enthalten sind.
Diese Entscheidung wirkte befreiend. Es war gut, auf dem Album genügend Platz für erweiterte Ideen zu haben und einen Song dahin zu steuern, wo man es für richtig hielt, anstatt ständig Sorge haben zu müssen, dass alles ein bisschen lang wird für ein Album. Ich denke, aus diesem Grund haben wir zwei Tracks über die 20-Minuten-Marke gebracht. Zufällig waren am Ende übrigens noch drei oder vier Songs übrig, die auf diesem Album nicht enthalten sind.
Das Albumcover ist besonders gut gelungen, finde ich. In Hinblick auf den Albumtitel – was kannst Du uns noch zu diesem Artwork sagen?
In den letzten 20 Jahren haben wir mit Tony Lythgoe an dem Albumcover gearbeitet. Er ist Grafiker, Designer und langjähriger Freund der Band. Wir schickten ihm so schnell wie möglich grobe Mixe der Songs, damit er ein Gefühl für die Musik bekam. Und wir hatten ein paar Treffen mit ihm, um die Richtung des Artworks zu besprechen. Als wir uns für “Resistance” als Titel entschieden hatten, präsentierte Tony ein paar Ideen, um das Konzept zu veranschaulichen. Vieles von dem, was wir zu vermitteln versuchten, wurde damit abgedeckt. Die Idee, dass es diesen Typen gibt, der durch eine Art planetarischer Katastrophe in großer Gefahr ist und dennoch entschlossen ist, sein tägliches Leben zu führen. Ich mag das, für mich ist das Widerstand.
Wenn ich mich richtig erinnere, hat Peter früher die Albumcover selbst gemalt. Warum hat das aufgehört?
Yeah, Pete ist ein versierter Grafiker und mir hat immer gefallen, was er in der Vergangenheit für IQ geschaffen hat. Um ehrlich zu sein ist der Grund, warum er sich nicht mehr damit beschäftigt, der Zeitfaktor – es ist halt sehr zeitintensiv und er beschäftigt sich inzwischen mit vielen anderen Dingen.
Wie sieht der Prozess des Schreibens bei Euch aus und wer zeichnet verantwortlich für das Songwriting?
Ich denke es ist zutreffend, dass ein Großteil der Musik für IQ heutzutage von mir geschrieben wurde. Die anderen haben die Möglichkeit, ihre eigene Meinung zur Musik zu äußern. Insbesondere im Studio hat Neil (Durant) diesmal mehr Einfluss, aber im Allgemeinen beginnen die Tracks zu Hause auf meinem iMac. Normalerweise mache ich eine Demoversion eines Songs und sende dies den anderen zur Rückmeldung. Sobald wir uns alle generell einig sind, beginnt Pete an den Texten zu arbeiten. Ist er damit fertig, schauen wir alle gemeinsam, wie wir die Texte in passende Gesangsmelodien bringen.
Wie würdest Du selbst die Musik von IQ beschreiben?
Oh mein Gott, ich habe keine Ahnung. Das ist eine schwierige Aufgabe. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das beantworten soll. Vielleicht “groß”?
Hörst Du privat noch viel Musik? Und wenn ja welche?
Hmm, ich höre nicht annähernd so viel Musik wie früher. Besonders wenn wir gerade dabei sind, ein Album zu schreiben. Ich neige dazu, Dinge zu hören, wenn ich auf Reisen bin oder wenn ich eine Pause machen muss. Geräuschreduzierende Kopfhörer sind dafür großartig!
Als Mitglied von Giant Electric Pea (GEP) habe ich eine Menge Demos von neuen Bands erhalten, so dass ich auf diese Weise eine Menge neuer Prog-Songs hören kann. Wenn ich aber etwas von meinem iPod abspiele, hängt das stark von der Stimmung ab. Zum Entspannen habe ich ein paar klassische Komponisten, die ich gerne höre und ich mag Filmmusik. Mit ein bisschen Thomas Newman oder Hans Zimmer kann man nichts falsch machen. Ella Fitzgerald ist immer toll zu hören, die beste Frauenstimme aller Zeiten meiner Meinung nach. Aber wenn ich etwas Aufregenderes möchte, werde ich wahrscheinlich ein bisschen Trance oder Hardhouse hören.
Wie viele Bands haben IQ diverse Umbesetzungen erlebt. Wie wirkte sich das intern auf die Band aus? Habt ihr Varianzen in der Dynamik bzgl. Sound und Performance bemerkt?
Ich denke, die individuellen Mitglieder haben Auswirkungen auf das Feeling, darauf wie es ist, in der Band zu sein. Alle Bands haben bis zu einem gewissen Grad ihre eigene Innenpolitik, aber im Moment fühlt es sich im IQ-Headquarter sehr richtig an. Es gibt intern eine schöne Harmonie und es scheint, als hätten wir eine gemeinsame Vision für die Musik. In Bezug auf Klang und Leistung würde ich sagen, dass wir während unserer gesamten Karriere ziemlich konstant waren. Wir haben ziemlich intensive Qualitätsstandards und es fühlt sich so an, als wäre das nie wirklich zu viel.
Habt ihr noch Kontakt zu Martin Orford?
Momentan nicht mehr so sehr. Aber wenn wir an einer Neuauflage oder einem Remix eines älteren Albums arbeiten, bekommen wir immer seinen Input! Er war erst kürzlich damit beschäftigt, etwas für das Booklet des “Ever 25th Anniversary Remix” zu schreiben.
Ihr spielt relativ selten in Deutschland, und wenn dann größtenteils in Aschaffenburg. Warum gibt es nicht mehr IQ-Konzerte verteilt über die Bundesrepublik?
Hmm, gute Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort darauf weiß. Ich denke, es ist richtig zu sagen, dass wir bezüglich der Live-Auftritte in eine Art Trott geraten sind. Wir spielen jedes Mal an den gleichen Plätzen, aber ich denke, es ist keine schlechte Idee, gelegentlich etwas Anderes zu probieren. Es ist allerdings Tatsache, dass wenn wir in Aschaffenburg spielen, immer eine tolle Zeit haben. Es fühlt sich wie eine Party Nacht an.
Wie oft probt ihr zusammen? In der Dokumentation „Come Rain And Shine“ von Genesis sieht man u.a. Phil Collins seine Drumsticks durch die Gegend werfen, da er einen bestimmten Drum-Pattern nicht mehr hinbekommen hat. Im Hinblick darauf stellt sich mir zusätzlich folgende Frage: Es gibt viel IQ-Material, das nicht gerade einfach zu spielen ist. Ist es noch genauso einfach, die Songs zu performen oder bedarf es auch manchmal ein bisschen mehr Übung, um nicht einzurosten?
Das ältere Material ist sozusagen in unserer DNA verankert, so dass es nicht anstrengend ist, es live zu spielen. Das neue und aktuelle Material hingegen kostet uns schon einige Mühe bis wir an den Punkt kommen, wo wir es auch gerne live spielen.
Das Hauptproblem für uns ist, dass die Proben schwer zu organisieren sind. Wir leben alle in verschiedenen Ecken des Landes und im Falle von Cookie (Paul Cook) in einem anderen Land. Die Logistik, uns alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort zusammenzubringen, ist also ziemlich kompliziert. Ganz zu schweigen von den Kosten. Darüber hinaus haben wir alle ein Familienleben und die meisten von uns sind Vollzeitbeschäftigte, so dass die Zeit sehr begrenzt ist. Wir neigen dazu, vor Auftritten zu proben oder Material für ein neues Album zu schreiben.
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Zum Glück ist kein Ende von IQ in Sicht. Gibt es einen Punkt, wo Du sagst, ab jetzt ist Schluss?
Natürlich werden wir irgendwann an den Punkt kommen, wo es Zeit ist aufzuhören, das passiert irgendwann bei jeder Band. Aber im Moment geht es recht gut voran. Ich denke, wir sind glücklich, live zu spielen und neue Sachen zu schreiben, solange die Leute es weiterhin zu schätzen wissen. Wir spielen immer noch gerne Gigs und zum Glück wollen die Leute uns immer noch sehen. Ich denke, aus welchem Grund auch immer, werden wir wissen, wann es Zeit ist aufzuhören.
Es gibt von den IQ-Musikern kaum Solo-Werke. Woran liegt das?
Auch hier bin ich mir nicht ganz sicher, warum das so ist. Ich nehme an, es ist der gleiche Grund, warum wir mit IQ nicht mehr machen. Die meisten von uns haben einfach nicht die Zeit. Ich weiß, Neil hat Pläne für ein weiteres Sphere3-Album, obwohl sie bis jetzt zehn Jahre gebraucht haben, um das zusammenzubringen. Ich habe vor ein paar Jahren mit The Lens, dem Vorläufer von IQ, ein Album namens “Regeneration” aufgenommen und bin dabei, neues Material dafür zu schreiben, damit es hoffentlich bald das Licht der Welt erblickt. Vielleicht nächstes Jahr…
Vielen Dank Mike!
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