M-Opus – Origins
(75:4,62:02, 2CD, Rude Chord/CDBaby, 2020)
Dieser freundlicherweise aus Irland geschickte Umschlag bzw. sein Inhalt brachte umgehend süße Erinnerungen an ein 2015er Album zurück, das mit seinem teils an gute alte Chicago erinnernden Vintage-Sound spontan begeisterte und langfristig für einen Platz in den eigenen Alben-Top-Ten dieses Jahres gut war. Die Neugier war also erheblich!
Und förderte zunächst Überraschendes zutage. Während “Triptych” damals – nomen est omen” mit drei wuchtigen Longtracks auskam, bringt es das Doppel-Album “Origins” auf insgesamt 28 (auf dem Booklet übrigens durchgezählte) Titel. Veränderung Nr. 2: Das offensichtliche Konzeptwerk mit hoch spannender, im Jahr 2187 spielender Science Fiction-Handlung, bei der gerade an der Erfindung der Teleportation gefummelt wird (“I also enjoy long walks and watching the sunset while masturbating”) wird nicht nur in üblichen Songs, sondern auch von insgesamt sechs SängerInnen und elf sog. “SchauspielerInnen” inklusive eines Erzählers in einer Art Radiohörspiel in zahlreichen Spiel- bzw. Sprechszenen umgesetzt. Der Narrator wird dabei u.a. für die flotte Informationsvergabe wie z.B. gleich bei der Exposition (“Overture“) eingesetzt.
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Dieses völlig andere Strickmuster führt zwangsläufig auch ein anderes Hören herbei, eine ganz andere Rezeptionshaltung, als wenn man sich völlig in ein langes Musikstück mit ein paar gesungenen Texten fallen lassen kann. Wenn man allerdings die eigene Haltung entsprechend anpasst, so wird dies von “Origins” stark belohnt. Denn – und hier gehen die Unterschiede zum Vorgänger allmählich zu Ende – die Musik ist wieder fabelhaft! Und auch die Besetzung blieb übrigens im Wesentlichen unverändert:
Jonathan Casey – Vocals, Keyboards, Bass, Guitars
Colin Sullivan – Guitars, Narration
Mark Grist – Vocals, Drums,
laut Aussage der Homepage außerdem auch noch Darragh Dennis – Bass,
obwohl das Booklet ihn verschweigt.
Tracks wie ‘Accidents Will Happen’ oder ‘Emergency Exit’haben dabei echten Song-Charakter und erinnern sogleich an all die Stärken, die an “Triptych” so begeistert hatten. Auch mit der mit knapp sieben Minuten vergleichsweise längeren Tony Banks-Verbeugung ‘A Perfect Day For Flight’ wird die Vorliebe für warme, analoge Keyboardsounds und epische Strukturen wieder sehr greifbar. Einwürfe wie beispielsweise ‘Can’t Blame Me’ hingegen sollen wohl in erster Linie die Handlung weiterentwickeln. Sie sind dabei durchaus reizvoll, gerade ‘Can’t Blame Me’ bekommt man kaum noch aus dem Kopf. Doch man kann sich nur schwer vorstellen, sie isoliert anzuhören, beispielsweise als Single-Auskopplung.
Den humorvollen Iren ist nur zu bewusst, dass ihre Musik nach den Siebzigern klingt. Sie gießen dabei noch Öl ins Petroleumlampen-Feuer, indem sie vorgeben, sie entstamme tatsächlich dieser Dekade. Ihren Behauptungen zufolge wurde “Triptych” 1975 aufgenommen, während “Origins” dem Jahr 1978 entstammen soll (tatsächlich aber immerhin bis 2014 zurückreicht). Wir sind folglich sehr gespannt, ob das nächste Opus an der “gefährlichen” Achtziger-Marke kratzt – und wie es dann klingen mag…
Bewertung: 13/15 (2020) 13-14/15 (2023) Punkten
PS: Das hab’ ich auch noch nicht oft gemacht. Drei Jahre später nochmal zur Kritik zu einem Album zurückkehren und Bewertung und Tendenz deutlich verändern. Das wurde aber unvermeidlich, da “Origins”, das ich einfach nur noch mal wiederhören wollte, sich seit zwei Wochen im CD-Player meines Mini-ProgMobils festgewanzt hat und von nichts und niemand vertreiben lässt. Obwohl es nun wirklich reichlich aktuelle Veröffentlichungen gäbe, die probegehört werden wollen.
Es hat sogar Fahrten gegeben, wo per händischem Nachregeln ausschließlich das mit einer zauberisch schönen Melodie gesegnete ‘Can’t Blame Me’ oder das wie gute mittelalte Genesis ballernde ‘Perfect Day For Flight’ gelaufen ist. Beides inzwischen ausgesprochene Lieblingslieder.
Doch auch auf CD2 lassen sich echte Perlen entdecken, wenn man sich darauf einlassen kann. Und auch das “Operation Mindcrime”-Zitat (“Dr. Blair”) war mir 2020 noch nicht aufgefallen, mea culpa.
Es war wohl so, dass ich einer Lieblingsband krumm genommen habe, dass sie nach einem heiß geliebten Album (“Triptych”) kackdreist mit etwas nun wirklich völlig anderem nachgelegt haben, Hörspiel statt proggy Chicago Soundalikes.
Inzwischen stören die Handlungspassagen kein bisschen mehr, im Gegenteil, man kennt die Dialoge auswendig und spricht sie innerlich mit – wie ein Kind das bei seiner Lieblings-Märchenplatte tut.
Und natürlich wird bei ‘Can’t Blame Me’ lauthals mitgesungen.
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Abbildungen: M-Opus