Dream Theater, 12.01.20, Oberhausen, Turbinenhalle

Dream TheaterAls Dream Theater im letzten Jahr eine Jubiläumstour zum 20. Geburtstag von “Metropolis Pt. 2: Scenes from a Memory” ankündigten, war die Freude in der Progressive Metal Community riesig. Schon lange hatten Fans auf die Aufführung des 1999er Konzeptwerks gewartet, schließlich zählt es zu den besten Veröffentlichungen der Band und zu den Meilensteinen des Progs der 90er Jahre. Umso größer war der Aufschrei dann, als sich die Headlinertour in eine Aneinanderreihung von Minifestivals verwandelte. Die Anzahl der Vorgruppen wurde immer größer, während sich die Spielzeit von Dream Theater immer weiter verringerte. Am Ende wurde die Überschrift “Celebrating 20 Years of Metropolis Pt. 2: Scenes from a Memory” aus den Konzertankündigungen gelöscht. Die Aufführung von “Metropolis Pt. 2” wurde gänzlich fallen gelassen, so dass Dream Theater am Ende nur etwa achtzig Minuten auf der Bühne standen; und das bei vollem Eintrittspreis. Dream Theater entschuldigten sich im Nachhinein bei den Fans und wiesen mit Verweis auf die Veranstalter jede Schuld an dem Dilemma von sich. Gleichzeitig versprachen sie, im darauffolgenden Jahr mit der zuvor versprochenen Jubiläumstour nach Deutschland zurückzukehren.

Dream Theater stehen also in der Bringschuld gegenüber ihren Fans, als sie Anfang Januar 2020 nach Oberhausen zurückkehren. Wie schon auf der “The Astonishing“-Tour verzichten die US-Amerikaner auf eine Vorgruppe. Stattdessen wird ein Konzertabend von 165 Minuten Länge angekündigt. Neben “Metropolis Pt. 2” soll dabei vor allem das letztjährige Album “Distance Over Time” im Mittelpunkt des Geschehens stehen.

Und so ist es dann auch: bevor es losgeht, erklingt ein bombastisches Instrumentalintro aus der PA-Anlage. Begleitet wird dieses von einer Videoanimation des Robotors vom “Distance Over Time”-Cover-Artwork, der sich auf einem Touchscreen durch sämtliche Plattencover der Bandgeschichte klickt. Ein schmackhaftes Intro, dass die perfekte Bühne für das Quintett aus New York bereitet, welches pünktlich um 20:30 Uhr eben jene betritt und den Abend mit ‘Untethered Angel’, dem Opening Track des aktuellen Albums, einleitet.

Der Klang an diesem Abend ist nicht optimal, aber immerhin sind alle Instrumente deutlich zu hören und gut voneinander zu unterscheiden. Vor allem Gründungsmitglieder John Petrucci (Gitarre) und John Myung (Bass) haben einen fetten Sound erwischt. Sänger James LaBrie dagegen hat nicht seinen besten Abend. Während er in der mittleren Stimmlage noch voll überzeugen kann, reicht es bei den hohen Tönen nicht immer zu einer Bestnote. Optisch machen vor allem Schlagzeuger Mike Mangini und Keyboarder Jordan Rudess viel her. Während der nicht unumstrittene Schlagzeuger vor allem durch sein eigenwilliges Over-Head-Schlagzeug-Spiel herraussticht (ein Großteil der Cymbals und viele weitere Trömmelchen hängen oberhalb seines Kopfes), besticht der Keyboarder vor allem durch sein Charisma und seine Agilität hinter den sich immer wieder drehenden und neigenden Keyboards.

Die erste Häfte des Abends birgt keinerlei Überraschungen, so besteht das Set ausschließlich aus Liedern, die Dream Theater schon im Jahr zuvor beim Open Air vor der Turbinenhalle gespielt hatten. Neben ‘Fall into the Light’, ‘Barstool Warrior’ und ‘Pale Blue Dot’ vom letztjährigen Album schaffen es nur ‘A Nightmare to Remember’ (“Black Clouds & Silver Linings”) sowie das famose ‘In the Presence of Enemies, Part I’ vom 2007er “Systematic Chaos” in die Setlist. Die Überballade ‘Peruvian Skies’ wird, wie auch der ’94er Single-Hit ‘Lie’, von der Band dagegen fallengelassen.

Es ist ein solider Auftritt, den die Nordamerikaner dem Publikum bieten. Dies war allerdings von Musiker-Legenden wie Petrucci, Myung und Rudess auch nicht anders zu erwarten. Die drei sind und bleiben einfach Meister ihres Metiers und es ist jederzeit eine Freude, ihnen bei der Arbeit zuzuschauen. Mangini bleibt für mich dagegen leider weiterhin nur ein Portnoy-Ersatz. Zwar gibt es nicht wiklich etwas an seinem Schlagzeugspiel auszusetzen, doch war das Spiel Portnoys einfach zu prägend für den Sound Dream Theaters gewesen.

Nach einer Stunde Musik ist dann erst einmal Schicht um Schacht und Dream Theater gönnen sich selbst und den Fans eine zwanzigminütige Pause. Als die Band dann zurück auf die Bühne kommt, weiß jeder, was kommt, schließlich sind die meisten genau aus diesem Grund nach Oberhausen gekommen: “Metropolis Pt. 2: Scenes from a Memory”.

Um die Geschichte über Hypnose, Mord und Wiedergeburt anschaulich wiederzugeben, greift die Band auf cartoonhafte Filmsequenzen zurück, die auf die großflächige Leinwand projeziert werden. Die Videos stellen dabei eine schöne Untermalung der Musik dar, machen die Geschichte für Nicht-Kenner der Texte allerdings nicht wirklich besser verständlich.

Musikalisch lässt die Aufführung des Konzeptwerkes allerdings kaum Wünsche offen. Während die Zuschauer bei den Frickelparts immer wieder staunend vor der Bühne stehen, sind es vor allem die ruhigen Momente, in denen die Band überzeugen kann. Nicht nur Sänger James LaBrie hat hier seine besten Momente. Auch John Petrucci kann zeigen, dass er nicht nur ein Virtuose des technischen Gitarrenspiels ist, sondern auch das Gefühlvolle und Balladeske wie ein Meister beherrscht.

Das Publikum ist sichtlich begeistert. Während die eine Hälfte der Zuschauer jubelnd die Hände in den Himmel reckt, liegt sich die andere Hälfte immer wieder in den Armen. Und nicht wenige Fans singen das fast achtzigminütige Album Zeile für Zeile mit.

Wie schon auf Platte erreicht das Werk schon kurz vor dem Ende mit der Ballade ‘The Spirit Carries On’ seinen emotionalen Höhepunkt, so dass das abschließende 12-minütige ‘Finally Free’ ein wenig in dessen Schatten verblasst.

Und dann ist es vorbei. Überwältigt vom dargebotenen stehe ich noch lange mit offenem Mund da. Ob dieses Album nach dieser Tour jemals wieder in voller Gänze aufgeführt wird? Ich wage es zu bezweifeln und bin deshalb umso glücklicher, heute dabei gewesen sein zu dürfen.

Doch der Abend ist noch nicht vorbei. Dream Theater kommen noch einmal auf die Bühne zurück, um mit ‘At Wit’s End’ den Abend abzurunden. Für mich ist es leider zu spät. Mein letzter Zug geht, und so höre ich dass göttliche Solo John Petruccis nur vom Parkplatz aus durch die Hallenwände. Es hallt noch lange in meinen Ohren nach.

Surftipps zu Dream Theater:
Setlist
Rezension “Distance Over Time”
Rezension “The Astonishing”
Konzertbericht: 11.02.17, Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
Konzertbericht: 10.03.16, Bochum, RuhrCongress
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Weitere Surftipps:
Turbinenhalle (Venue)

Fotos: Andrew Ilms