Magoria – JtR1888

(CD1 49:57, CD 2 45:03, Butler Records, 2019)
Mark Bogert ist Gitarrist bei der niederländischen Progband Knight Area, ist als Solokünstler aktiv und tritt außerdem noch mit seiner Verlobten, der Sängerin Nadine Pruim (die man auch auf dem vorliegenden Werk hört), als Akustikduo Un-Plugged auf. Sein neuestes Projekt hat er unter dem Namen “Magoria” herausgebracht. Hierbei handelt es sich um eine “Jack the Ripper Rockopera”.

“Jack the Ripper” – den Namen kennt wohl fast jeder. Der Ripper war ein Serienmörder, oft betitelt als “der erste Serienmörder der Geschichte”, der im Herbst 1888 im Londoner East End wenigstens fünf Prostituierte durch Kehlenschnitte umgebracht und verstümmelt hat. Gefasst wurde er nie, der Täter verschwand so spurlos von der Bildfläche, wie er aufgetaucht war. Seit 1888 gibt es unzählige Veröffentlichungen zu dem Thema, Film- und Serienadaptionen, und die Liste der Verdächtigen ist mit den Jahren immer weiter gewachsen. Der Ripper mordete im Londoner Stadtteil Whitechapel, damals wie heute ein melting pot verschiedenster Kulturen, damals ein Paradebeispiel für Armut und Gewalt, in dem Frauen sich prostituierten, um ein paar Pennies für einen Schlafplatz zu bekommen (diese wurden aber meist für Alkohol ausgegeben, was unter Berücksichtigung der Lebensumstände durchaus nachvollziehbar ist).

Die fünf “offiziellen” Opfer des Rippers sind Mary Ann “Polly” Nichols (ermordet am 31.08.1888), Annie Chapman (08.09.88), Elizabeth Stride und Catherine Eddowes (beide ermordet am 30.09.88) und Mary Jane Kelly (09.11.88). Bei noch mehr Interesse an diesem Themenfeld bietet das Werk “Jack the Ripper – Anatomie einer Legende” von Hendrik Püstow und Thomas Schachner vertiefende Informationen.

Bogert und seine Mitstreiter haben sich also ein spannendes Sujet ausgesucht, um es in eine Rockoper zu verwandeln. Neben dem Gitarrenvirtuosen hört man neun Sängerinnen und Sänger und fünf Musiker, die hier alle Erwähnung finden sollen:

Die Protagonisten:

Rodney BlazeJack The Ripper (u.a. Ayreon)
Maria CatharinaMary Jane Kelly (Robby Valentine)
Inge RijnjaCatherine Eddowes
Zora Cock – Storyteller
Peter Strykes – Inspector Abberline
Nadine PruimAnnie Crook
Mirjam Van Doorn – Queen Victoria
Jan Willem Ketelaers – Prince Victor (Knight Area)
Sonny PruimNetley.

Die Musiker sind:

Mark Bogert – Electric and Acoustic Guitars, Piano
Koen Stam – Piano, Synthesizer, Keys
Peter Vink – Bass Guitar (Knight Area)
Harmen Kieboom – Drums
Cleem Determeijer – Piano
Matthijs Kieboom – Orchestral Arrangements.

Der Chor besteht aus:
Nini Veltman (Soprano)
Leanne De Roo (Alto)
Twan Kieboom (Tenor)
Damian Petrus (Bass).

Was als erstes auffällt, ist die schön aufgemachte Verpackung des Doppelalbums, welches thematisch passend in Farbe, Schrift und Bildern gestaltat wurde und im Booklet auch Originalbilder aus dem East End des Jahres 1888 enthält.

Die Ripper-Morde wurden literarisch hundertfach umgesetzt und verarbeitet. Für die Handlung dieser Rockoper hat sich Bogert für die royale Verschwörungstheorie entschieden, die schon in Filmen wie “Jack the Ripper” von 1988 oder “From Hell” aufgegriffen wurde. Die Theorie ist natürlich blanker Unsinn, bietet aber für Filme oder auch Rockopern einfach das größte Potential.

Der Inhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen: Das Leben als Frau in Whitechapel im Jahre 1888 ist die Hölle. Eine dieser Frauen, Annie Crook, verliebt sich in einen jungen Mann aus einer höheren Schicht und bekommt mit ihm ein Baby. Was sie nicht weiß – es handelt sich um Prinz Albert Victor, Enkelin von Königin Victoria und Thronfolger. Als die Royals davon Wind bekommen, müssen Annie Crook und das Baby beseitigt und alle Mitwisserinnen zum Schweigen gebracht werden. Dafür wird (so die allgemeine Theorie) der Leibarzt der Königin, Sir William Gull, angeheuert. Gemeinsam mit dem Kutscher Netley begeht er die Morde und ist dabei auf einer ganz eigenen Mission, weswegen die Morde etwas rituelles haben und vor Symbolik triefen. Queen Victoria gefällt das gar nicht und sie möchte, dass er seinen Job erledigt und nicht mehr. Nachdem schlussendlich mit Mary Kelly die letzte Mitwisserin getötet wurde, kann der gestörte Gull unter der Hand in eine Irrenanstalt abgeschoben werden und der Ripper wird zur Legende.

Bei Bogert gibt es einige Änderungen: Elizabeth Stride als Opfer wurde wohl einfach nicht anerkannt, zumindest kommt sie in der Story nicht vor. Dem Ripper wird keine Identität gegeben, er agiert als “Jack the Ripper” und sein Bezug zur königlichen Familie wird nicht geklärt (außer dass am Ende seine Adresse genannt wird, die auf Sir William Gull schließen lässt). Soweit die Geschichte. Und genau das – also genau diese straffe Zusammenfassung – wird hier erzählt. Wenig Hintergrund, kaum Tiefe – allerdings ist dies auch schwierig, ohne gleich fünf Alben zu dem Thema zu produzieren. Doch dazu später mehr.

Musikalisch kriegen wir eine Ladung opulenten Rock à la Nightwish und Within Temptation geboten. In den einzelnen Songs werden wir zunächst in die Geschichte eingeführt, die Hintergründe der royalen Verschwörungstheorie werden erklärt (also gesungen), was textlich teilweise etwas holprig daherkommt (“By the brother of Prince Victor, from the Royal house, I was asked to look after Annie Crook”).
Nach und nach wird jedem Opfer bzw. Mord ein Song gewidmet und auch Inspector Abberline (in Film und Fernsehen von Michael Caine, Johnny Depp und Hugo Weaving dargestellt) und Queen Victoria bekommen eigene Songs, in denen sie ihre Sorgen und Gedanken besingen. Wirklich gelungen ist die Überschneidung des Gesangs mehrerer Charaktere in einzelnen Songs. So werden verschiedene Szenen zusammengeführt, die parallel spielen.

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Weitere Informationen

Der Gesang ist durchgehend stark, vor allem die Sängerinnen glänzen, und da Maria Catharina und Inge Rijnja ganz besonders. Auch musikalisch ist alles toll komponiert, eingespielt und produziert. Es gibt echte Ohrwürmer und Melodie- und vor allem Gesangslinien, die sich wiederholen und immer wieder aufgegriffen werden. Die Musik und die Stimmen sind die Stärken dieses Werkes. Die Geschichte ist interessant, ja fesselnd – und natürlich wurde hier wie gesagt die Hollywood-reifste Ripper-Theorie genutzt und ordentlich umgesetzt. Der Text ist das größte Manko der Rockoper: Faktisch ist manches falsch (so wird Prinz Albert Victor mal als Königin Victorias Sohn beschrieben, dabei war er ihr Enkel) und manchmal bleibt das alles sehr flach (“How can I tell him that she wants to tell him. That he should stop committing these murders. Will he obey, or ignore the Queen” or auch “It’s more a way of life in this fucked up crazy world” – naja). Wirklich irritierend: Das “East End” wird häufig erwähnt und jedes Mal ohne “the” – sprich, wir bekommen Textzeilen wie “A dark sky hanging over East End” oder “Maybe we should leave East End”. Wobei man Bogert zugute halten muss, dass diese Thematik nicht leicht umzusetzen ist, vor allem wenn man sich den Comic “From Hell” von Alan Moore und Eddie Campbell anschaut, der an Tiefe und Details nicht zu überbieten ist, aber auch mehrere hundert Seiten hat.

“JtR 1888” wurde am 9.11. (Mary Kellys Todestag) in Dordrecht erstmals live aufgeführt. Live ist die Rockoper bestimmt noch eindrucksvoller (so soll es in der Regel bei einer Oper ja auch sein). Das opulente Werk beeindruckt, ob es jedoch nachhaltig Eindruck hinterlässt, vermag der Betreuer nicht beantworten.
Bewertung: 11/15 Punkten

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