Kokomo – Totem Youth

(48:53, CD, Vinyl, Digital, I.Corrupt.Records, dunk!records, A Thousand Arms, 2019)
Als “Totem Youth”, das neue Album von Kokomo, bei mir zum ersten Mal aus den heimischen Lautsprechern erschallte, da wollte es ert einmal gar nicht recht bei mir zünden. Zu depressiv erschien mir, was ich da hörte. Wahrscheinlich war ich einfach nicht in der richtigen Stimmung für düstere post-metallische Walls of Sound. Ein paar Tage später, beim Gloomaar Festival im saarländischen Neunkirchen, sah die Sache dann schon ganz anders aus. Benjamin Hellig (Bass), René Schwenk (Gitarre), Tobias Stieler (Schlagzeug), Oliver Ludley (Gitarre) und Ansgar Koenig (Gitarre) hatten den Slot als Late Night Act inne und überrollten das verbliebene Publikum zur Geisterstunde mit einer instrumentalen Dampfwalze.

Überwältigt von dem Dargebotenen gebe ich der Platte, wieder zu Hause, eine zweite Chance. Diesmal stehen die Vorzeichen besser. Ich befinde mich auf einem Spaziergang durch die herbstlichen Wiesen und Wälder des rechtsrheinischen Kölns. Es ist nasskalt, die Sonne hat sich hinter grauen Wolken versteckt. Der frische Wind weht mir die bunten Blätter der nackten Laubbäume ins Gesicht. Es riecht nach Regen. Aus meinen Ohrsteckern erklingen die kargen, schroffen Melodien von ‘Sterben am Fluss’. Trotz aller Melancholie und Traurigkeit des Stückes ist seine Schönheit unverkennbar; ganz wie jene der herbstlichen Natur. Plötzlich bricht ein Unwetter über mich herein, von einem Moment auf den anderen scheint die Welt unterzugehen. Das Schöne ist kaum mehr zu fassen. Gut zehn Minuten später ist das Stück zu Ende. Der Regen hat auf sich warten lassen.

Die Kontraste von ‘Sterben am Fluss’ sind beispielhaft, für den Character des ganzen Albums. Immer wieder fallen dunkle, bedrohliche Klangcollagen über die so hoffnungsvoll-zerbrechlichen Ansätze von Schönheit her. ‘Hold Me Closer, Unknown Dancer’ beginnt fast noch fragiler, als sein Vorgänger, nur um schon nach gut einer Minute von einem schieren Riffgewitter zerschnitten zu werden. Verzaubernde Klangmalereien und ungezügelte Wutausbrüche wechseln sich im Laufe des Stückes immer wieder ab. Es ist wie ein Spiel zwischen Licht und Schatten, bei dem fraglich ist, wer am Ende die Oberhand behält.

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Wie bei allen Liedern der Platte verzichten die Duisburger auch beim nachfolgenden ‘Narcosis’ auf jegliche Form von Synthesizern. Es ist das wahrscheinlich homogenste Lied auf “Totem Youth”, da es ohne ermattende Ausbrüche auskommt. Melodisch und hypnotisch zugleich versetzt es mich beim Hören in einen tranceähnlichen Zustand, aus dem ich nur schwer wieder erwache.

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‘Narcosis’ stellt den Übergang zur zweiten Hälfte des Albums dar, bei der die Welt nun in Trümmern zu liegen scheint. ‘Golden Guns’ beginnt schwermütig und lässt in seiner Spielauer kaum Hoffnung auf Positives aufkommen.

Man könnte sich in einer post-apokalyptischen Welt wähnen, wäre da nicht die zweite Hälfte des penultimativen ‘Melodic Rock Night’, bei dem wie aus dem Nichts eine menschliche Stimme (Tom Morris, Her Name is Calla) als Schimmer der Hoffnung erscheint…

…nur um im abschließenden ‘Der Vogelmann’ wieder bedingungslos niedergewälzt zu werden. Doch auch in diesem Lied, können die ruhigen und erhabenen Momente nich vollkommen ausgelöscht werden. Auch über den letzten Augenblick hinaus bleibt ein Schimmer der Hoffnung fortbestehen.

Am Ende der Platte angekommen, muss ich sagen, dass es schwierig ist, beim Hören von “Totem Youth” bei guter Stimmung zu bleiben. Kein Wunder, so beschreiben Kokomo ihre neue Platte doch als ‘schwergewichtige Refexion der Welt, die wir momentan durch ein Fenster sehen’. Es ist eine düstere Welt, die gezeichnet wird. Man muss schon genau hinhören, um die ‘Rest(e) von Hoffnung (und) Lichtstrahlen, die gemischt mit einer reaktionären Wut durchs Dunkel scheinen’ erkennen zu können.

Ist man dazu in der Lage, diesen Schimmer der Hoffnung zu erkennen, so wandelt sich der Character des Albums langsam und der düstere Schleier, der über der Platte liegt, beginnt sich zu lichten.
Bewertung: 12/15 Punkten

 

Tracklist:
1. Sterben am Fluss
2. Hold Me Closer, Unknown Dancer
3. Narcosis
4. Golden Guns
5. Melodic Rock Night (feat. Tom Morris of Her Name Is Calla)
6. Der Vogelmann

Surftipps:
Konzertbericht: 16.11.19, Neunkirchen, Neue Gebläsehalle
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