(62:33, Vinyl, CD, Digital, Ván Records, 2019)
Wer immer noch Lücken in seiner “Best of 2019”-Liste hat, für den kommt hier noch ein heißer Tipp. Vorausgesetzt, man ist dem Heavy Metal grundsätzlich nicht abgeneigt. Wenn man drüber nachdenkt, ist das dritte Full-length-Album der bayrischen Metal-Underground-Könige eigentlich auch nicht soweit weg vom Progressive Metal.
Atlantean Kodex wurden 2005 gegründet, haben sich auf etlichen hochkarätigen Underground-Festivals (Hell Over Hammaburg, Acherontic Arts, Keep It True…) einen Headliner-Status erarbeitet und im sogenannten Metal-Underground eine feste und überaus treue Fangemeinde erspielt. Darüber hinaus besticht die Band seit ihrem Debüt “The Golden Bough” kontinuierlich durch musikalische Qualität.
Sechs Jahre sind nach dem letzten Opus “The White Goddess” vergangen. Ein Album, welches mit Lobeshymnen und überwältigenden Kritiken überschüttet wurde. Völlig zu Recht, keine Frage. Aber für die Band bedeutete dies letzten Endes auch, ein Opfer des eigenen Qualitätsanspruchs zu sein. Bei Atlantean Kodex, einer Band, die für fast alle Beteiligten “nebenbei”, also neben Job und Familie betrieben wird, stellt sich nach solch einem kräftezehrenden Produktionsprozess nämlich immer auch die Frage, ob man weitermachen kann, bzw. sich dem Druck nochmal aussetzen möchte.
Sie haben es ohren- und augenscheinlich also doch nochmal getan, und obwohl der Band während der Produktion das eigene Studio abhanden gekommen ist und dies einen deutlichen Einbruch in der Motivation nach sich zog, mit “The Course Of Empire” faszinierender Weise sogar die eigene Messlatte noch ein Stück höher legen können.
Musikalisch orientiert sich die Formation nach wie vor hauptsächlich an Größen wie Bathory und (alten) Manowar. Vor allem, wenn man sich die Arrangements der verschiedenen Chöre anhört (für die übrigens Bassist Florian Kreuzer verantwortlich ist). Als Beleg sei dem interessierten Hörer allen voran das großartige ‘Chariots’ empfohlen. Eine opulente Hymne, die sicher live immer eine Art Höhpunkt in der Setlist darstellen wird. Auch Epic-Metal à la While Heaven Wept findet man auf dem Album. Wer zum Beispiel mit dem WHW-Album “Vast Oceans Lachrymose” gut klar kam, müsste Songs wie ‘People of the Moon’ anbeten. Mit ‘Lion of Chaldea – The Heroes’ Journey’ bietet man mal eben eine kleine Hommage an Rainbow (‘Stargazer’), wobei die Band selbst die Ähnlichkeit zu diesem Klassiker erst später erkannte.
Apropos Rainbow: Ein Song wie ‘A Secret Byzantium – Numbered as Sand and the Stars’ überzeugt mit einer Gesangslinie, wie sie der wohl beste Metal-Sänger aller Zeiten, Ronnie James Dio, anno dazumal bei Black Sabbath zum Besten gegeben hat. Überhaupt ist die Gesangsleistung von Markus Becker mittlerweile herausragend gut und mit ein Grund, wieso die Band sich nochmal gesteigert hat.
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Ein weiteres Highlight stellt der Longtrack ‘The Course of Empire – All Thrones in Earth and Heaven’ dar. Hier bewegen sich die großartigen Gesangslinien, die mitreißenden Riffs und Soli von “Bandchef” Manuel Trummer und Michael Koch (der die Band mittlerweile verlassen hat und durch Coralie Baier ersetzt wurde) auf den Höhepunkt zu. Das Schlagzeugspiel ist grundsolide und technisch makellos. Nur klanglich – und dies sei ein kleiner Kritikpunkt – wirkt es leider etwas hohl und zu leise. Zum letzten Drittel bäumt sich dieser Song nochmal massiv auf und präsentiert eigentlich alles, wofür dieses Album steht. Geschmackvollen, qualitativ hochwertigen, melodischen, epischen aber angenehm unkitschigen Metal.
In Sachen Ästhetik und Aufmachung gibt es wie gewöhnlich bei Veröffentlichungen von Ván-Records nichts zu beanstanden. Die Illustrationen im Booklet von Ben Harff (Diplomarbeit: Gestaltung/Illustration einer Luxusausgabe des Silmarillions) und das wieder von Mariusz Lewandowski geschmackvoll gestaltete Coverartwork sind in den Augen des rezensierenden Betreuers sehr angenehm und passen hervorragend ins Gesamtkonzept, welches sich übrigens mit dem Aufstieg und Zerfall von Imperien, Kulturen und Zivilisationen beschäftigt. Gerne an dieser Stelle auch der Tipp, sich neben der Musik auch mal mit den Texten zu beschäftigen, die durchaus lesenswert und nicht – wie z.B. bei Manowar – überlesenswert sind.
“The Course Of Empire” ist etwas sperriger, härter und auch düsterer als sein Vorgänger. Und einmal mehr überzeugen die hohe Qualität der Arrangements, die überragenden Melodien, die epischen Chöre und die mitreißenden Riffs davon, dass Atlantean Kodex zweifelsohne eine der besten deutschen Metalbands sind.
Bewertung: 12/15 Punkten
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