Yann Tiersen ist ein französischer Musiker, der außerhalb seines Heimatlandes vor allem als Komponist der Filmmusik zu “Le fabuleux destin d’Amélie Poulain” (dt.: “Die fabelhafte Welt der Amélie”) Berühmtheit erlangt hat. Den meisten nur bekannt für sein Pianospiel, ist Yann Tiersen ein wahrer Multi-Instrumentalist. Auf seinen meist instrumentalen Studioveröffentlichungen stößt er regelmäßig in die verschiedensten Musikgenres vor, was oft eine einzigartige Vermischung von eher traditioneller französischer Musik wie Folk und Chanson mit moderner Rock- und Popmusik zum Ergebnis hat. Als Yann Tiersen Mitte September 2019 zu einem Gastspiel in die Kölner Kantine kommt, steht sein jüngstes Werk im Mittelpunkt des Geschehens: “All”.
Der Auftritt in Köln ist der Auftakt zu Tiersens Herbsttournee durch europäische Konzert- und Theaterhallen. Was eigentlich als nicht-öffentliche Generalprobe geplant war, wurde im Zuge der Tourvorbereitungen in ein reguläres Konzert umgewandelt. Einziger Unterschied: während die übrigen Auftritte in bestuhlten Sälen stattfinden, müssen die Zuhörer in der Niehler Kantine mit Stehplätzen vorlieb nehmen. Ein kleines Detail, das bei der Intimität und Zerbrechlichkeit der Musik des Bretonen nicht unerheblich ist, scheint seine Musik doch wie gemacht, um sie im Sitzen zu genießen.
Wer sich auf die online angekündigten Geysir gefreut hat, wird enttäuscht: die Vorgruppe ist ohne weitere Erklärung aus dem Programm gestrichen worden.
Schon vor Beginn des Konzertes ist die Bühne bereits mit einem Sammelsurium unterschiedlicher Instrumente zugestellt: Piano Forte, Akkordeon, Rasseln, Trommeln, Gong, Tubular Bells, Mellotron, Harmonium, Viola, Keyboards, verschiedene Synthesizer, sowie eine elastische rosafarbene Plastikröhre. Auffällig ist aber vor allem ein antiquiertes Tonbandgerät, das zentral an jener Stelle steht, die normalerweise von Sängern eingenommen wird.
Gegen 20:30 Uhr werden die Lichter gedimmt und eine Stimme aus dem Off erzählt eine Geschichte, die von Wölfen handelt. Sie bereitet wunderbar die Stimmung für den Auftritt Tiersens vor, der im direkten Anschluss alleine auf die Bühne tritt und sich kommentarlos an sein Klavier setzt. Für die nächsten drei Stücke ist es im Publikum mucksmäuschenstill. Man lauscht andächtig dem Dargebotenen. Würde man nicht stehen, man könnte sich in einer Philharmonie wähnen.
Im Verlauf des Abends widmet sich Tiersen über weite Strecken der Präsentation seines aktuellen Albums “All”. Hierzu stellt er den Gästen “Alex from Switzerland vor”, der bevor er Tiersen begegnet ist, nur “crappy music on radio” gespielt habe. Bei Alex handelt es sich um keinen Musiker, sondern um das schon zuvor beschriebene Tonbandgerät. Mitmusiker betreten jetzt allerdings auch die Bühne. Hierbei handelt es sich um zwei Herren und eine Dame, die sich im Laufe des Abends mit Tiersen an sämtlichen Instrumenten abwechseln, was zu einer steten Dynamik auf der Bühne führt.
“All” vermittelt während seiner Aufführung eine ähnliche Grundstimmung wie Sigur Rós’ 1999er Meisterwerk “Ágætis byrjun”. Grundlegender Unterschied ist jedoch die Sprache, da die Stücke Tiersens hauptsächlich in bretonischer und nicht in isländischer Sprache vorgetragen werden. Zudem werden immer wieder Erinnerungen an späte Talk Talk und die Frühwerke eines Mike Oldfield wach. Musik, die gleichermaßem erhaben, bezaubernd und zerbrechlich erscheint. Alex läuft während der ganzen Zeit mit und vervollständigt das Klangbild durch Naturaufnahmen wie Meeresrauschen und Vogelgezwitscher.
Obwohl das Publikum dem Geschehen auf der Bühne andächtig folgt, scheinen viele der anwesenden Zuschauer nur auf einen Moment gewartet zu haben: die Aufführung der Titelmusik aus ihrem Lieblingsfilm: “Amélie”.
Und natürlich lässt es sich Yann Tiersen nicht nehmen, ‘Comptine d’un autre été : L’après-midi’ alleine am Piano zum Besten zu geben. Das Publikum liegt ihm ehrfürchtig zu Füßen.
Was hiernach folgt, ist für viele Anwesenden nur noch ein Nachspiel, allerdings eines auf allerhöchstem Niveau. Als der Abend dann zu Ende geht, haben Tiersen und seine Mitstreiter keine Erwartungen offen gelassen. So war das Konzert ein unvergessliches Klangerlebnis in leider nicht perfektem Ambiente. Beim nächsten Gastspiel in Köln dann bitte in der Philharmonie.
Text & Live-Fotos: Floh Fish
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