Der vergangene Freitag stand in der Kulturfabrik ganz im Sinne der progressiven und psychedelischen Rockmusik: das Krefelder Plattenlabel Tonzonen richtete hier nämlich bereits zum dritten Mal die hauseigene Labelnacht aus. Es sollte ein großartiges Zusammentreffen von Musikfans und Schallplattenliebhabern mit vier wunderschönen Konzerten werden.
Pünktlich zur Eröffnung der Veranstaltung ab 19 Uhr sammelten sich bereits einige Gäste vor der Kulturfabrik. Kurz nach Öffnung der Pforte wurde dann gemütlich zum Merchandise Stand gepilgert. Tonzonen Records verkaufte neben Shirts und Fanartikeln auch eine Menge Platten aus dem eigenen Repertoire. Außerdem war an diesem Abend zum ersten Mal die Neuerscheinung „Pi“ von Nazca Space Fox sowie die exklusive 10‘‘ Split von Automatism und Pavallion erhältlich; alle drei Bands erscheinen bei Tonzonen Records (wie der Event-Name Labelnight ja auch andeutet).
Als dann um kurz nach 20 Uhr die ersten Klänge von der Bühne ertönten, war der Veranstaltungsort schon sehr gut gefüllt. Auf der Bühne standen Nazca Space Fox. Das Trio begeisterte mit bassgetriebener, atmosphärischer Rockmusik, die vor Liebe zum Detail strotzt. Mit viel Abwechslungsreichtum in Tempi und Akzentuierung präsentierten Nazca Space Fox angenehme Wechsel zwischen funkigen Klängen und treibenden Rockpassagen. Der zugleich hypnotische als auch energische Stil, den man als funkigen Post Rock in psychedelischem Gewand bezeichnen kann, kam äußerst gut beim Publikum an. Dabei war vor allem auffällig, wie jedes Mitglied der Band mal weiter im Vordergrund und mal weiter hinten im musikalischen Thema stand; zeitweise war es sogar, als stünden drei Solo Künstler auf der Bühne, die einzelne Themen adaptieren und diese durch einprägsame Riffs miteinander kombinieren. Und immer wieder konnten Nazca Space Fox das ohnehin schon euphorische Publikum durch weitere unerwartete Fills, Akzentwechsel oder wunderschöne Breaks überraschen.
Etwas über eine Stunde später wurde dann umgebaut. Der leichte Regen im Außenbereich ließ die Stimmung nicht abebben. An allen Ecken und Enden haben sich Konzertbesucher getroffen, unterhalten, oder kennengelernt. Es ist auch schön, immer wieder Gesichter zu sehen, die man von ähnlichen Veranstaltungen an komplett anderen Orten kennt. Egal ob PsyKa, Bad Herzberg, Finkenbach, Void, Psychedelic Network Festival, oder Tonzonen Label Night – eine gewisse Schnittmenge an sympathischen Menschen trifft sich immer wieder, ob geplant oder nicht.
Um kurz vor 22 Uhr stand dann mit Pavallion eine Band aus Krefeld auf der Bühne. Die vier Musiker mit dem Heimvorteil waren auch die einzige Gruppe an diesem Tag, die nicht rein instrumental aufgestellt war. Der harmonische und progressive Blues Rock der Band war versetzt mit einer ganz leichten Prise Doom, choralartigem Gesang und einer massiven sowie treibenden Basis. Pavallion verstehen es, entlang intelligenter Breaks und Abwechslungsreichtum die psychedelische Grundstimmung ihrer Lieder gekonnt bis zur Klimax aufzubauen und danach wieder in seichte Töne abflauen zu lassen. Während sich die Gitarren eng verschlungen und mit viel Echo an den Sound von Bass und Schlagzeug anschmiegen, hebt sich der Gesang mal als Choral, mal als hallende Entität wundervoll vom Rest ab. Pavallions Musik ist wie ein fließendes Gewässer im Gebirge: sie ist stets im Fluss, mal eher still und tief, mal verschnörkelt, und mal im freien Fall voller geballter Energie, die zum Strudel werden kann. Aber die Musik ist zu jeder Zeit geprägt von Positivität. Und spätestens als die beiden Gitarristen im zweistimmigen Gesang voller warmer Harmonie die Halle erfüllten wurde offensichtlich, dass das Prog Rock Müsli von Pavallion auch eine Portion Led Zeppelin enthielt. Nach einer Stunde Spielzeit verabschiedeten sich die vier Krefelder Musiker von einem überaus euphorisierten Publikum.
In der Kulturfabrik war inzwischen ausgelassenste und fröhliche Festivalstimmung ausgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt war der Laden richtig voll, und zwischen Außenbereich, Würstchenstand, Theke, Merchandise und Bühne wurde die gute Laune in vielen Sprachen ausgetauscht.
Es war kurz vor halb 12, als The Spacelords ihre Show begannen. Die drei Reutlinger versorgten das Publikum mit einem großartigen Überblick über ihre bisherige Schaffensphase von inzwischen über elf Jahren. Auf Synthesizer Samples erhoben The Spacelords mit wabernd warmem Bass, treibenden Beats und einer unglaublich vielschichten Gitarre die Kulturfabrik in andere Sphären. Gleich nach dem Eröffnungslied bedankten sich die Musiker bei Labelchef Dirk Raupach für das Konzert sowie für die gute Zusammenarbeit seit Jahren. Zu den Erscheinungen der Schwaben bei Tonzonen gehört neben der kürzlichen veröffentlichten Live-LP auch das 2017er Werk “Water Planet“. Was The Spacelords auf der Bühne darstellen, ist eine irre präsente Freude an der Musik und eine unantastbare Souveränität; das sympathische Trio hat auch an diesem Tag mal wieder unter Beweis gestellt, dass sie zur Speerspitze des Space Rock und Psychedelic Rock gehören. Darüber hinaus ist es einfach wunderschön und herzerwärmend anzusehen, wenn ein Fan aus dem Publikum dem Bassisten beim Bier öffnen hilft. Fast eineinhalb Stunden stand die Band auf der Bühne und ließ es sich nicht nehmen, zum Abschluss nochmal gehörig einzuheizen; sehr zur Freude des Publikums, das dem Aufruf folgte und mit vollem Enthusiasmus mitging.
Den krönenden Abschluss des Abends lieferte die schwedische Band Automatism. Das äußerst gut gekleidete Quartett legte mit locker tänzelndem Blues los, während sich Spuren des Sounds vom europäischen Stoner Rock der Ära Dozer
oder Greenleaf einfädelten. Auf lässigen Themen aus Funk und Blues schaukelten die Musiker sich stets Takt um Takt weiter hoch, wobei die Freude am Spielen gleichzeitig hörbar als auch in den Tanzbewegungen der Band sichtbar wurde. Stillhalten war hier weder auf noch vor der Bühne eine Option. Nebenbei sind Automatism seit langem die erste Band, von der ich erlebte, wie jedes Mitglied einzeln dem Publikum vorgestellt wurde; dies geschah nicht, ohne auch dem Label Tonzonen sowie den anderen Bands zu danken. Auf musikalischer Seite wurden auch Elemente aus dem Space Rock und sogar eine gewisse Prise Rock’n’Roll ins Repertoire von Automatism eingefügt: der Band mangelt es nicht im Geringsten an Ideen, die sie locker verspielt und angenehm präsentieren können. Mit dem noch unveröffentlichten Song ‘The Falcon Machine’ machten sie zusätzlich Lust auf zukünftige Releases. Mich hat der Song anfangs etwas an King Gizzard and the Lizard Wizards „Rattlesnake“ erinnert. Aber das mag Zufall sein. Auch dachte ich mir, dass der Bandname bedeuten könnte, dass die Musiker auf einem Thema anfangen zu spielen, und binnen kürzester Zeit aus Automatismus kunterbunte Farben aus Musik daraus zaubern. Aber das sind so Gedanken, die man um halb 2 Uhr nachts hat… Eine Stunde lang begeisterten die vier Musiker das Publikum, bis dann um kurz nach 2 Uhr der letzte Ton verklungen war.
Daraufhin verabschiedeten sich auch die Gäste, Teilnehmer, Fans, und Musiker voneinander. Die dritte “TRL” war ein voller Erfolg. In einer gefüllten Krefelder Kulturfabrik wurde getanzt, gelacht, es wurde sich begegnet und ausgetauscht, und eine gehörige Menge Schallplatten und Devotionalien von Künstlern des Labels fanden glückliche neue Eigentümer.
Text u. Live-Fotos: Raphael Lukas Genovese
Dieser Beitrag erschien zuerst am 30. September 2019 in der Westdeutschen Zeitung Krefeld.