Grobschnitt – Last Party (Black & White Vinyl-Serie, Reissue)
(46:30/53:45, 2LP, Brain/Universal, 1990/2019)
1990 hieß es (wie wir heute wissen: vorläufig, d. Schlussred.) Abschied nehmen. Mit “Last Party Live” endet auch diese ausführliche Reihe von Rezensionen aller Alben der “Black & White Serie”.
Vom Debüt aus dem Jahr 1972 bis zu diesem letzten Live-Album hat die Formation etliche Metamorphosen durchlebt. Das gilt gleichermaßen für Personal und musikalische Ausrichtung. Unterm Strich hat man sich in all der Zeit von jeweils aktuellen Trends nicht völlig verbiegen lassen. Lediglich zum Ende der musikalischen Reise bestand eine gewisse Orientierungslosigkeit.
Auf “Last Party” hört man deutlich, dass auf der Bühne ein anderes Personal steht, als auf den ersten Scheiben. Abgesehen von den Urgesteinen Lupo und Willi Wildschwein, hatte sich das Personal-Karrussel zuletzt recht schnell gedreht. Das mag vielleicht auch der Grund sein, dass die Titelauswahl dieser Abschiedsscheibe weitestgehend in der damals jüngeren Geschichte der Band verankert war. Das letzte Studioalbum “Fantasten” wurde jedoch gänzlich übergangen.
Leider wurden aber auch die bei den Fans beliebten Alben aus den Siebzigern großzügig umschifft. Einzig das kurze ‘Anywhere’ aus “Rockpommels Land” schafft es auf die Party. Naja, und irgendwie auch ‘Solar Music’, das als eingedeutschter ‘Sonnentanz’ auf jeder, der letzten vier “Black & White” Reissues mindestens einmal zu Ehren kam. Es ist auch auf “Last Party Live” wieder der musikalische Höhepunkt. Irgendwie erklärt diese Fokussierung aber auch, dass man es (auch als Rezensent) irgendwann mal satt hat.
Wieviele auf Tonträger veröffentlichte viele Versionen von ‘Solar Music’/’Sonnentanz’ gibt es? Gibt es jemanden der alle Versionen kennt oder gar in seiner Sammlung hat? Fraglos gehört diese Suite auf eine “Last Party” mit drauf. Auf die vorangegangenen weißen Scheiben aber hätte man vielleicht ein paar andere Fundstücke pressen können. Das hätte für ein wenig mehr Abwechslung gesorgt.
Trotzdem zeigt die komplette Serie, wie man es richtig macht in Sachen Reissue – Aufmachung, Pressqualität und Restauration der Aufnahmen sind auf höchstem Niveau. Inzwischen gibt es gerade bei Vinyl-Reissues genug Beispiele, wo man sich als Kunde eher verschaukelt fühlt. Die “Black & White”-Serie jedoch verdient Höchstbewertung für die gute Betreuung.
Zu guter Letzt ein paar Worte in eigener Sache. Eine komplette Diskographie einer Band, der man im Vorfeld weitestgehend unbedarft gegenüber stand, zu besprechen, war eine interessante Erfahrung. Sie hat mich nicht zum Fan gemacht, aber das eine oder andere Album liegt jetzt mehr oder weniger regelmäßig auf dem Plattenteller. Rückblickend hätte ich die Band gerne mal live gesehen. Gelegenheiten hätte es mehrfach gegeben. Der Bandname Grobschnitt klang aber für den jungen Kerl damals irgendwie nicht nach “muss ich mal reinhören”, obwohl das Fach im Plattenladen gleich nach Genesis, Gentle Giant und Golden Earring kam. So ist das manchmal.
Im Gesamtkontext der Diskografie und des (rein persönlich) oft unleidigen Bewertungswesens:
Bewertung 9/15 Punkten
PS der Schlussredaktion: Oh, sehr wohl kann man Grobschnitt (seit kurzem – und für kurze Zeit?) wieder live sehen. Den Grobgöttern sei Dank sogar in unpeinlicher bis grandioser Form und tatsächlich sogar auch mit neuen, so noch nie gehörten Arrangements des guten alten Materials, proudly presented by BetreutesProggen!
Surftipps zu Grobschnitt:
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Interview: Lupo und Eroc zu “Solar Movie” (2016)
Interview: Lupo und Eroc zur Lebenswerkschau „79:10“ (Grobschnitt-Boxset, 2015)
Wikipedia
Wikipedia (Eroc)