Devin Townsend, 09.04.19, Köln, Kulturkirche
SchnIH-SchnAH Schnappi!
Ein anscheinend massiv desorientierter Künstler – beispielsweise bezüglich Wochentag und derzeitigem Aufenthaltsort. Herzhaftes Rülpsen ins Mikrofon. Per Sample eingespielt Schnappi, das kleine Krokodil. Und alle finden es GROSSARTIG. Was ist hier nur los, ist Ingo Insterburg von den Toten zurückgekehrt? Weit gefehlt: Devin Townsend gibt eines seiner seltenen Unplugged-Konzerte.
Einen schöneren Rahmen als die Kulturkirche in Nippes für eine derart intime, auf Zwischentöne in der Interaktion mit dem Publikum angewiesene Veranstaltung ist in der Rheinmetropole wohl kaum zu finden. Und so nehmen die Dinge ihren Lauf. Indem “Hevy Devy” seinen Zustand und sein Konzept des Abends thematisiert. Das Befinden: noch ungeklärt, darüber hofft er im Verlaufe der ersten Stücke Näheres herauszufinden. Das Konzept: keine vorbereitete Setlist, daher natürlich auch kein Clicktrack, und halt keine Mitstreiter!
Da der Mad Professor heute noch nicht so recht weiß, wie er gefusselt ist, wählt er für den Anfang, wie er uns (die wir ihn bereits jetzt völlig fasziniert anhimmeln) weiter einweiht, ein Stück, das noch keine ultimativen gesanglichen Ansprüche stellt. Was er dann aber nach einer längeren Stimm-Aktion seiner so wunderschön aussehenden wie klingenden (enormes Sustain, kathedrale Flageolett-Sounds, vom Maestro selbst und dem Kirchenarchitekten überdies mit fettem Hall versehen) ‘Empath Signature’ von Premier bei ‘Let It Roll’ veranstaltet, dafür würden 99 Prozent aller Sänger immer noch jederzeit und gerne ihr Großmütterlein verhökern. Die Wechsel von zartem Falsett zu harschen Heavy Metal Screams sind beeindruckend. Was dabei in seinem ganzen Körper und Gesicht vorgeht erst recht.
‘Funeral’, die Geschichte der Jugendbekanntschaft Jeff, der von anderen Jugendlichen für eine Kopfbedeckung getötet wurde, wird gebührend bis schockierend anmoderiert. Genau wie ‘Deadhead’: “I’m in a relationship for 30 years. This is about the difficulties that sometimes occur”. Das in der Album-Version ultra-böse, mega-tief klingende Stück verhält sich in der Kulturkirche etwa so zu seinem Ursprung wie die Maiden uniteD-Version von ‘The Trooper’ zum Original.
IH-AH
Zurecht und doch tief ironisch als “Crowd pleaser” angekündigt verzaubert nun das als Duett mit Anneke van Giersbergen unsterblich gewordene Liebeslied die Kirchengemeinde. Was kann danach noch kommen? Natürlich nur jene andere Anneke-Hymne, ‘Hyperdrive’!
Es folgt Strapping Young Lads’s ‘Love’. Aus dem wuchtigen Hall ist mittlerweile ein gefühlt viersekündiges Echo geworden, das auch Devins Mineralwasser-induzierte Rülpser zu einer Art Spacerock adelt. Nach einem komplett irren Schni-Schna-Schnappi-Interludium wird es bei ‘Coast’ und ‘Divine’ wieder denkbar intensiv.
In einer die Pause vorbereitenden Q&A Section beantwortet der Meister nun zuvor vom Publikum (hand-)schriftlich vorbereitete Fragen, u.a. die nun wirklich spannende nach seinem “Spirit Animal” – bei der Muppets Show. Möglicherweise weil es dort weder Ziltoid noch Krokodile gibt, fällt seine Wahl fast ohne zu zögern auf Kermit. Außerdem geht es beispielsweise um durchaus interessante Equipment- und Soundfragen: warum es beispielsweise so sinnig ist, den Gitarrensound zweikanalig (a) clean und b) mit Effektweg) zu fahren. Apropos: der Sound des gesamten Konzertes ist wieder einmal superb, wie früher am gleichen Orte schon beispielsweise bei Randy Hansen oder den Nits erlebt.
Nach dem Pausenende geht es erneut mit dem Talk-Part der Show weiter, ‘Sister’ und ‘Life’ beschließen danach ein wirklich unvergleichliches Live-Erlebnis.
BetreutesProggen rät: Wenn Ihr die Chance bekommt, Devin zu sehen, lasst dafür das Meiste stehen und liegen. Und wenn es die Chance gibt, ihn unplugged solo zu sehen, lasst wirklich alles andere dafür liegen.
Live-Fotos: Andrew Ilms
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