Hans Lundin – The Solo Years 1982- 1989

(6-CD-Box, Tempus Fugit, 2019)
Wer sich halbwegs in der schwedischen Prog-Szene auskennt, dem ist der Name Hans Lundin sicherlich geläufig. Zwar hat er nicht den Bekanntheitsgrad seines damaligen Bandkollegen Roine Stolt, aber spätestens mit seiner Wiederbelebung und konstanten Weiterführung der schwedischen Legende Kaipa ist auch er eine relevante Größe in der Prog-Szene.

Und im Zuge dieser Reunion hat sich das Tempus Fugit Label liebevoll um die Aufarbeitung der Bandgeschichte gekümmert. Nicht nur durch die Neuauflagen der drei Klassiker „Kaipa“, „Inget Nytt Under Solen“ und „Solo“ (allesamt noch mit Roine Stolt), sondern auch die nachfolgenden weniger gängigen Alben „Händer“ (1980) und „Nattdjurstid“ (1982) wurden zugänglich gemacht, auch wenn diese weniger im Prog-Genre anzusiedeln sind.

Die restlichen Achtziger Jahre nach „Nattdjurstid“ waren durchaus nicht völlig Kaipa-los, denn sowohl Stolt als auch Lundin hatten Soloalben veröffentlicht. Von Lundin erschienen drei Alben, die allesamt in dieser Box originalgetreu, also auch ohne Extra-Tracks, auf CD wiederzufinden sind. Doch damit nicht genug, die auf 1.000 Exemplare limitierte Box enthält als Bonus satte drei Fulltime CDs mit bisher nicht veröffentlichtem Material, alle CDs im Cardsleeve mit Originalcover – was will der Fan mehr?!

Zu den einzelnen Alben:

CD1: Tales (44:02, 1984)
Schon ein Jahr nach der damaligen Auflösung von Kaipa erschien das erste Soloalbum von Hans Lundin, das im Alleingang eingespielt wurde. Er spielt dabei Yamaha CS 60, prophet 5, Roland TR-808, drums, voice, electric bass, acoustic guitar. Insgesamt sind 14 Songs vertreten, die Spielzeiten liegen meist zwischen drei und vier Minuten. Es sind also keine monumentalen Klanglandschaften mit ausufernden Synthi-Eskapaden zu erwarten, sondern eher kurze, griffige Stücke.

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Es gibt flotte Titel wie das kurze Intro ‚Inside The Green Glass‘, lustig klingendes a la ‚Narrow Escape‘ oder poppig-waviges Material wie ‚Henhunt‘. Auch Prog-Elemente sind zu hören, so könnte man sich das wunderschöne ‚Ripples‘ (kein Coversong) gut mit Herrn Stolt an der Gitarre vorstellen. Bisweilen erinnert die Musik an Soniq Theater. Einzelne Songs wurden 1982 produziert, die meisten dann ein Jahr später. Das Album erschien schließlich 1984 auf Lundins eigenem Label Örat Records. Zwei der Songs wurden seinerzeit auch von Kaipa live gespielt, führen also noch in die Spätphase der Band zurück.
10/15 Punkten

CD2: Visions Of Circles Of Sounds (43:28, 1985)
Ohne die heutigen Internet-basierten Kommunikationsmöglichkeiten behielt dieses Album bei Erscheinen lediglich Insiderstatus, zumal der Schwede nur zu einigen wenigen Prog-Aktivisten Kontakt hatte. Doch er hatte positive Resonanz auf „Tales“ erhalten und sich sogleich ans nächste Album gemacht, das aus nur zwei langen Titeln bestehen sollte, deren Titel im Albumnamen stecken. Sowohl ‚Visions of Circles‘ als auch ‚Circles of Sounds‘ sind über 21 Minuten lange Suiten, die beide in fünf Abschnitte aufgeteilt sind und somit jeweils eine Plattenseite ausmachten.
Erneut sind die typischen Trademarks von Lundin zu hören: sein Keyboardspiel mit den bisweilen nach E-Gitarre klingenden Läufen, gelegentlich singt er lautmalerisch dazu, was sich durch viele seiner Alben zieht. Das Equipment hier: Yamaha CX60, Yamaha DX7, Yamaha CP-70 electric grand piano, sequential circuit drumtraks plus Gesang.
Auch hier ist der Rhythmus also wieder programmiert, allerdings wurde die Roland TR-808 drum machine durch ein zu damaliger Zeit etwas moderneres und praktischeres Equipment ersetzt, in diesem Falle also durch das ‚Sequential Circuits Drumtraks‘.

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Lundin war erneut mehr oder weniger im Alleingang unterwegs, lediglich auf zwei Tracks wird er von alten Bekannten begleitet. So trägt Ulf Wallander auf einem Track sein Saxophonspiel bei, während Gitarrist Max Ǻhman auf zwei Nummern in die Saiten greift. Im Wesentlichen ist er seinem Stil treu geblieben, der Prog-Gehalt ist etwas erhöht, speziell Teil 2 überzeugt.
11/15 Punkten

CD3: Houses (52:08, 1989)
Nach einer etwas längeren Pause war man mittlerweile im CD-Zeitalter angekommen, Lundin musste sich also überlegen, in welchem Format er das neue Werk „Houses“ anbieten wollte. Er entschied sich gegen Vinyl und pro Compact Disc (und für diejenigen, die damals noch keinen CD-Player besaßen, gab es immerhin noch eine Ausgabe als Kassette). Auch hier hatte Lundin sein Equipment modernisiert. Der programmierte Rhythmus wurde diesmal mittels Alesis HR-16B produziert, außerdem kam ein Roland D50 hinzu.

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Der Schwede zeigt sich erneut in guter Form und weiß das Niveau des Vorgängers zu halten. Der erste Ohrwurm ist das fast siebenminütige ‚In The Red House‘ mit Gesang von Lundin und Johan von Feilitzen. Es schließt sich der Höhepunkt des Albums an, das sechsminütige ‚Two Girls In A Black House‘. Da muss gar nicht erst ins Booklet geschaut werden, das ist ganz eindeutig wieder Roine Stolt an der Gitarre. Allerfeinst! Mit ‚House of Pain And Confusion‘ ist auch ein Track jenseits der 10-Minuten Marke dabei (13:28), auf dem Olof Ǻslund Akzente mit seinem Saxophon setzt. Als Kontrastprogramm folgt ‚Hangar‘, das den Hörer durch seinen atmosphärisch-kontemplativen Ansatz erst einmal herunterfahren lässt, um dann gleich danach wieder mit einer betont rhythmischen Nummer mit Brasilien-Flair beschallt zu werden. Starkes Album!
11/15 Punkten

CD4: The Veiled Seveneyed Dancer (40:53, 1986/7)
Die erste von drei Bonus-CDs enthält acht Aufnahmen aus den Jahren 1986 und 1987. Bei den Arbeiten an der CD-Version des letzten 80er Kaipa Albums entdeckte der Protagonist einiges an übrig gebliebenem Material. Und dabei fiel ihm gerade das auf dieser CD vorliegende Material auf. Zu der Zeit, als er die Songs komponierte, hatte er engen Kontakt zu Drummer Hasse Bruniusson (Flower Kings, Sammla Mannas Manna, Ensemble Nimbus, Flying Food Circus), der bestens bewandert war mit aktuellen Neuheiten in der Perkussion-Branche. Er brachte ihm die Arbeit mit „Drumtracks“ nahe. In Sachen programmierter Rhythmus gehen die Meinungen ja deutlich auseinander. Wer Spaß an dieser Box haben möchte, sollte sicherlich keine allzu ausgeprägte Allergie gegen programmierten Rhythmus mitbringen. Lundins Ziel war es, dies nicht monoton, sondern möglichst lebhaft zu gestalten. Und dies hat er gerade bei diesem Album intensiv ausprobiert.

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Immer wieder mal transferiert er traditionelle, folkige Parts auf seine Keyboards, und gerade auf diesem Album sind derartige Arrangements gut gelungen bis hin zu Ohrwürmern wie das lustige ‚Long Left Unicorn Tracks‘ oder das feine, aber leider sehr kurze ‚A Walk By The Forever River‘. Gleiches gilt auch für ‚Northern Lights Embrace The Starry Night‘. Melodielinien des abschließenden ‚The Young Folke‘ finden sich auf dem 2002er Kaipa Reunion Album „Notes Of The Past“ wieder.
10/15 Punkten

CD5: In Search Of The Green Glass (43:23, 1980-1984)
Was beinahe so klingt wie der Eröffnungstitel seines Debütalbums, ist bisher unveröffentlichtes Material aus den Jahren 1980 bis 1983. Lediglich die letzten beiden der insgesamt zwölf Tracks stammt aus 1984. Auf dem kurzen, beinahe schon rockigen ‚Raindrops Fall Like Orphaned Diamonds‘ gastieren mit Max Ǻhman (Gitarre) und Mats Lindberg zwei alte Kaipa-Bekannte, ansonsten stammt alles wieder aus der Hand Lundins. Auf dem längsten Song des Albums, dem 8-minütigen ‚Changeshifting Horizons‘ agiert der Schwede vorwiegend am Piano und zeigt hier ein feines Händchen für ein wunderschönes, relaxtes Keyboard-Instrumental.

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Diese CD geht als vollwertiges Album durch, da es keineswegs den Eindruck eines reinen Lückenfüllers erweckt. Lundin definiert sich nicht neu, sondern bietet gewohnte Kost. Wer diese mag, liegt also auch hier genau richtig.
10/15 Punkten

CD6: Okänt Öde (43:21, 1979-1984)
Dieses Album fällt insofern innerhalb dieser Reihe etwas aus dem Rahmen, da es sich eher um Kaipa-Material denn um Solo-Material von Lundin handelt. Zwar stammen sämtliche Songs aus seiner Feder, aber hier wirken seine Ex-Kollegen doch vermehrt mit. So ist auf der Hälfte der zehn Songs ein echter Drummer zu hören, nämlich Hasse Bruniussion auf dem Titelsong, sowie Ingemar Bergman auf vier anderen Songs. Max Ǻhman ist auf zwei Kaipa-Demos zu hören, die leider für immer verstummte Stimme von Mats Löfgren ist auf dem ’79er Song ‚Vid Silverstjärnans sköld‘ zu hören. Glücklicherweise sind diese Songs nicht im wavigen Stil von „Nattdjurstid“ gehalten, sondern die symphonische Komponente kommt gelegentlich durch, wobei stets zu bedenken ist, dass logischerweise das zur damaligen Zeit aktuelle Keyboardinstrumentarium eingesetzt wurde.

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„Okänt Öde“ ist kein Instrumentalalbum, neben Löfgren agiert auch Lundin mehrmals als Sänger, diese Nummern sind meist recht eingängig (mit schwedischen Texten). Kein Kaipa-Meisterwerk (sonst wäre es ja sicherlich damals schon veröffentlicht worden), aber zum Glück nicht öde, sondern durchaus eine weitere Bereicherung in der Sammlung des Kaipa-Fans. Auch dieses Album hat kleine Perlen zu bieten wie das wunderschöne ‚Orden I Handen‘. Auf diesen Song folgt ein Kaipa Demo von 1981 namens ‚Nytt Blod Rusar Fram‘, das stellenweise gefährlich nah an Grobschnitts ‚Keine Angst‘ ist.
9/15 Punkten

Der ausdrückliche Dank des Kaipa-Fans geht an Dirk Jacob, der den Mut hatte, diese feine Box (übrigens zu einem benutzerfreundlichen Preis bei den üblichen Quellen zu beziehen) auf seinem Tempus Fugit Label zu veröffentlichen. Eine sicherlich lohnenswerte Anschaffung für den geneigten Fan! Das Artwork stammt übrigens von einem alten Wegbegleiter, nämlich Per Nordin, der auch in den Liner Notes zu Wort kommt.
Bewertung: 11/15 Punkten

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