(66:07, 1 CD, Nuclear Blast/Warner, 2019)
Es wäre ein leichtes, den aus Fulda stammenden Tobias Sammet und sein Avantasia-Projekt einfach zu verspotten und sein neuestes Album in Grund und Boden zu schreiben. Immerhin liefert er dafür zahlreiche Steilvorlagen: Songkonstrukte, die aus den Tiefen der 80er Heavy-Metal und Glam-Rock Welt stammen könnten, von Testosteron geschwängerter Gesang (natürlich mit ganz viel echtem Gefühl) und dazu ausufernde Soli, bei denen man die lange und blond gefärbte Mähne an sich vorbeiziehen sieht. Man kann es sich also einfach machen, und den neuesten Release dieses unter Metal-Opera firmierenden Werkes einfach in die entsprechende Schublade stecken und abhaken.
Oder man gibt sich einen Ruck und lässt sich drauf ein!
Denn unter all der etwas zu dick aufgetragenen Pomade aus Chören, gedoppelten Gitarren und Streicherflächen, versteckt sich eine durchaus charmante Homage an die Helden der Heavy-Metal und Hard-Rock Szene der vergangenen Jahrzehnte. Dazu hat Sammet gleich mal einige von diesen Ikonen als Gäste auf sein Album eingeladen. Er schreibt ihnen passgenau die Songs auf den mittlerweile älter gewordenen Leib. Herr Sammet selbst hält sich mal gesanglich vornehm zurück, mal gibt er deutlich den Takt an. Er ist sich dabei auch keineswegs zu schade, zahlreiche Vorbilder der vielen auf “Moonglow” verwendeten Genres zu zitieren.
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Mit ‘Ghost In The Moon’ geht es in bester Meat-Loafigkeit los: Hier wird nichts Neues oder Innovatives angeboten, sondern es gibt die musikalische Version eines fünfundzwanzig Jahre alten MTV-Videos zu hören. Man möchte sich ob dieser all zu durchschaubaren Absichten zunächst vielleicht lieber schämen, und hofft insgeheim, dass sonst niemand im Raum mit zuhört. Doch Michael Lee Aday gefällt das! Woran es liegt? Vermutlich an dieser unverblümten und direkten Herangehensweise, verbunden mit der druckvollen und hochprofessionellen Produktion. Das macht beim Zuhören doch deutlich mehr Spaß als zunächst erwartet.
Bei ‘Book Of Shallows’ geht es dann auch noch einmal deutlich härter zu, immerhin hat man mit Hansi Kürsch und Mille Petrozza die passenden Fachvertreter am Mikrofon. Der Song hätte sich so 1:1 auf einen Album von Blind Guardian wiederfinden können. Das weitere Konzept von “Moonglow” wird spätestens jetzt glasklar, jeder Gast erhält den Song, der ihm oder ihr gebührt. Candice Night bekommt natürlich, so schreibt es das ungeschriebene Metaller-Grundgesetz vor, eine Ballade komponiert. Der unantastbare Bob Catley darf bei ‘Lavender’ eine Power-Hymne mit unveränderter ihm eigener Inbrust singen, und irgendwie scheint selbst Geoff Tate beim Einsingen seiner Parts neue Lebensgeister bekommen zu haben. Respekt!
Auch die längeren Tracks auf dem “Moonglow” haben durch ihre abwechslungsreichen Arrangements genügend Potential für mehrfaches Hören, nur die gewählten Songtitel zeugen von deutlich weniger Kreativität (‘Piper At The Gates Of Dawn’, wirklich?). Das vollkommen überflüssige ‘Manic’-Cover am Ende der Scheibe hätte man sich allerdings sparen dürfen, es wirkt komplett deplatziert.
Wie bereits zu Anfang erwähnt: Wenn man sich einfach mal darauf einlässt, kann man jede Menge nostalgische Glücksmomente mit “Moonglow” erleben. Mit gleicher Berechtigung darf man das ganze Werk aber auch als nicht mehr zeitgemäßen Quatsch abtun, die reichlich vorgelebte Poser-Attitüde tut ihr übriges dazu. Da Avantasia aber regelmäßig die größeren Hallen weltweit füllen, darf man Herrn Sammet zumindest attestieren, einiges mit seinem Zeitreise-Konzept richtig gemacht zu haben. Und nebenbei hat er damit anscheinend nicht nur seinen Fans, sondern auch den zahlreichen Gastmusikern auf “Moonglow” einen gehörigen Spaß bereitet!
Bewertung: 10/15 Punkten unter Einbeziehung eines “Früher war alles besser”-Bonus’
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6 Kommentare
ganz ehrlich, hier mal die Frage, was soll diese Klumne (ich weiß schon wie mans schreibt)
Es gibt Leute, die mögen genau diese Musik. Musik die auf die Ohren geht und trotzdem musikalisch schön ist.
Jeder Musiker singt das was er kann, was ihm auf den Leib geschrieben ist, wäre auch ne Katastrophe, wenn es anders wäre.
und ja ich bin etwas älter als 55 aber man muss doch nicht alles schlecht, fade oder banal reden. man kanns auch einfach genießen und wenns nicht gefällt oder, wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten.
Es tut mir leid, dass dich das Review enttäuscht. Aber Meinungen, gerade bei Kunst, sind oft gegensätzlich und nicht immer deckungsgleich mit der eigenen Meinung.
Vielleicht liest Du das Review auch nochmal in Ruhe ganz durch, denn einen Verriss des Albums mag ich hier beim besten Willen nicht erkennen.
ich lese gern die Zwischentöne und die sind es leider die oft das vorher positiv gesagte dann doch in ein schlechtes Licht rücken (Der Onkel hat’s nicht so gemeint)
Es geht nicht um Meinung oder Musikgeschmack, da gebe ich Dir Recht.
Was Maniac anbetrifft finde ich allerdings auch, dass es nicht hierher passt, aber wie gesagt Ich empfinde das so.
ich meine ein Review entweder sachlich und ohne Euphorie oder Verriss oder mit dem Zusatz mir persönlich ist es eben so oder so…, das nimmt den Eindruck von verallgemeinerter Aussage.
Ist wie gesagt auch nicht bös und persönlich gemeint
Respekt Henni! Auf Kommentare die mit Sätzen wie, Zitat: “und wenns nicht gefällt oder, wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten” , würde ich offengestanden nicht eingehen. Zumindest ist das keine sonderlich charmante Art auf fehlende Sachlichkeit in Reviews zu pochen. Dass Sammet ganz offensichtlich und mit voller Absicht überzeichnet, ist ja kein Geheimis. Vermutlich wundert er sich selber, die bierernst seine Fans ein Oeuvre teilweise nehmen.
ok, hast ja Recht, war nicht nett.
habe mich ja auch zurückgenommen.