Christoph Rombach und Udo Lang über die aktuellen Re-Releases der Chandelier Alben

Überraschende Rückmeldung der 90er Neo-Progger Chandelier

Vollkommen überraschend tauchten kürzlich die ersten beiden Alben der kultigen deutschen Neo-Prog Band Chandelier wieder auf, angehübscht mit jeweils einer Extra-CD und Re-Mastering von Master Eroc. Also bot sich ein Nachfragen für den Hintergrund dieser Re-Releases an. Christoph Rombach alias Christoph Tiber und Udo Lang waren die Initiatoren dieser Aktion und standen Rede und Antwort.

Wie ist es zu den überraschenden Wiederveröffentlichungen der Chandelier Alben gekommen? Wer war federführend bei dieser Aktion?
Udo: Wir bekamen eine Anfrage von GAD-Records, ob wir die Alben noch mal veröffentlichen wollen. Ich wollte das eigentlich ignorieren, aber Christoph hat den Kontakt aufgenommen. Wir hatten schon früher einmal darüber nachgedacht, die Alben zu remastern, weil wir noch die Originalbänder vom Studio-Mix hatten und wir mit den damaligen Mastern nicht so ganz zufrieden waren. Als wir dann hörten, dass zu jeder Original-CD auch noch eine Bonus-CD dazukommen soll, wurde es interessant und ich wusste, dass da wohl etwas Arbeit auf uns zukommen wird.
Christoph: Ich bin selbst großer Fan gut gemachter CD-Reissues – und als das Angebot von GAD kam, schöne Neuauflagen der vergriffenen alten CDs zu machen, hat mich das natürlich schon interessiert. Wir waren uns auch sofort einig mit GAD, dass die Musik remastered werden sollte und dass es neue Booklets sowie Bonus-CDs mit unveröffentlichtem Material geben sollte. Mit Udo und Herry (dem alten Schlagzeuger) haben wir uns dann ans Suchen und Katalogisieren alter Aufnahmen gemacht, um für diese Bonus-CDs die bestmöglichen Quellen zu haben. Insbesondere für “Lost & Found”, die für März geplante Bonus-CD unseres dritten Albums “Timecode”, haben wir ein paar wirklich interessante Sachen wiederentdeckt, die wir verloren glaubten oder komplett vergessen hatten.

Allerdings hat niemand das Bedürfnis, “die Band wieder zusammenzubringen”.

Ich gehe mal davon aus, dass eine Re-Union nicht geplant ist, aber gibt es nach wie vor Kontakt untereinander?
Udo: Kontakt bestand immer mehr oder weniger zueinander, aber erst jetzt im Zuge der Wiederveröffentlichung hatten wir wieder regelmäßig und häufig miteinander zu tun.
Christoph: Zur Feier der Re-Releases hatten wir im September dann sogar ein Band-Essen, wo sich die ehemaligen Musiker und Crew-Mitglieder wiedergesehen haben. Das war schon sehr schön, alte Gesichter wiederzusehen, von denen man seit 25 Jahren nichts mehr gehört hatte. Allerdings hat niemand das Bedürfnis, “die Band wieder zusammenzubringen”. Die Reissues sind ein toller Anlass für einen nostalgischen Blick zurück, aber dabei soll es dann auch bleiben.

Was habt ihr musikalisch nach dem Ende von Chandelier (bzw. für Christoph nach seinem Ausstieg) noch gemacht?
Udo: Ich spiele viel Gitarre, komponiere und mache Aufnahmen davon. Vor ein paar Jahren habe ich mal ein paar Aufnahmen auf einer CD namens “No Effect” veröffentlicht. Auf einem Stück hatte sogar Martin gesungen. Damals hatte ich allerdings noch nicht so viel Erfahrung mit dem Recording, meine jetzigen Aufnahmen sind da besser. Vielleicht werde ich demnächst auch wieder etwas veröffentlichen, aber in letzter Zeit bin ich ja nur noch mit alten Chandelier-Aufnahmen beschäftigt.
Christoph: Ich habe nach Chandelier noch in ein paar kleineren Bands gespielt, aber es waren immer nur recht kurzlebige Sachen, die mehr aus der Freundschaft mit anderen Musikern entstanden als mit dem Ziel, irgendetwas zu veröffentlichen oder Auftritte zu bekommen. Neben Udo haben von uns eigentlich nur die beiden Schlagzeuger Herry (mit Elleven) und Thomas (erst mit Elleven, später mit verschiedenen Bands im Raum München) konsequent weiter Musik gemacht. Unser Keyboarder Tobias meinte bei dem Band-Essen neulich, er hätte nach dem letzten Chandelier-Konzert 1998 seine Keyboards ein- und seitdem nie wieder ausgepackt…

Es gab seinerzeit schon eine lose Grobschnitt-Verbindung, da Toni Moff Mollo auf einem Track gesungen hat – hat das geholfen, den Kontakt zu Eroc herzustellen oder wie ist es zu Stande gekommen, dass der hochgeschätzte Erke das Mastering übernommen hat?
Udo: Nein, das hatte mit Toni eigentlich nichts zu tun. Wir wussten, dass Eroc viel Erfahrung mit Remastern hat und haben ihn dann einfach gefragt. Wir sind mit den Aufnahmen zu ihm ins Studio gefahren und haben über das Projekt gesprochen. Das ist schon eine tolle Zusammenarbeit mit ihm und ich denke, das Ergebnis ist auch sehr gut geworden.
Christoph: Eroc hat wirklich Großartiges geleistet und den ja mittlerweile 20 bis 30 Jahre alten Aufnahmen neues Leben eingehaucht. Er hat das Knowhow, die Technik und die nötige Sensibilität, um selbst die verrauschtesten analogen Kassettenaufnahmen wieder glasklar und warm klingen zu lassen. Ein toller Typ – immer ansprechbar, engagiert und hilfsbereit, um das Beste aus der Musik rauszuholen!

Ihr wart in der lokalen Prog-Szene sehr angesagt und habt auch als Support von einigen bekannten Bands agiert, was ist davon hängen geblieben, was waren besondere Momente? Hat man sich auch mit Bands angefreundet?
Udo: Ein Highlight war natürlich das Konzert mit Fish bei der Marillion Fan Convention in Utrecht 1991. Es war schon sehr beeindruckend, als da plötzlich dieser berühmte Riese neben mir stand (ich bin ja nicht so groß). Der andere Höhepunkt war dann die Tour mit Spock´s Beard 1998. Zum Gig fahren, aufbauen, spielen, die andere Band hören, abbauen, noch etwas trinken, ab in den Bus, irgendwann schlafen während der Bus zum nächsten Gig fährt. Das war schon sehr anstrengend, aber toll. Die Jungs von Spock´s Beard waren auch sehr nett.
Christoph: Die Auftritte mit Jadis habe ich auch in guter Erinnerung, weil wir dort erstmals raus aus den Clubs und Jugendheimen kamen und auf richtig großen Bühnen spielten. Das war schon ein ziemliches Aha-Erlebnis für uns. Auch auf unsere Auftritte in Paris bin ich recht stolz – das war ja nicht unbedingt selbstverständlich für eine kleine Neusser Band, dort gleich mehrmals als Headliner vor ein paar hundert Leuten auftreten zu können. Umso glücklicher bin ich, dass der Mitschnitt eines dieser Pariser Konzerte es auf die Bonus-CD von “Facing Gravity” geschafft hat…

Welche Bands/Artisten haben euch zu eurer aktiven Zeit beeinflusst und welche Art von Musik hört ihr heutzutage? Welche Bands haben für euch noch die gleiche Zugkraft wie in den 80ern/90ern?
Udo: Ich denke, das ist bei jedem unterschiedlich. Ich habe Yes, Genesis, Pink Floyd, Marillion usw. gehört, aber geprägt haben mich auch die Beatles, Alan Parson, The Who und viel Hardrock. Als Gitarristen schätze ich besonders Richie Blackmore, Mike Oldfield, David Gilmour und Pete Townshend.
Christoph: Bands wie Genesis, Yes und Marillion waren der gemeinsame Nenner bei unseren musikalischen Vorlieben, daher haben wir meistens ähnlich klingende Musik gemacht. Daneben hatte jeder seine speziellen Vorlieben, bei Martin z.B. Liedermacher wie Andre Heller und Konstantin Wecker, bei mir eher Sachen wie Prince, Mothers Finest, Chili Peppers etc. Heute höre ich alles Mögliche, von den Beatles über lateinamerikanische Sachen bis Zwölftonmusik. Beim Prog bin ich aber irgendwie in den 70er und 80ern hängengeblieben, da höre ich lieber die vielen tollen Reissues von Yes, King Crimson, IQ oder Twelfth Night als neue Bands. Die sind bestimmt alle sehr gut, aber mir fehlt wohl die Neugier, mich mit diesen ganzen Bands auseinanderzusetzen. Immerhin, Riverside habe ich jetzt mal für mich entdeckt, die gefallen mir schon recht gut…

Gibt es auch Videomaterial, das man auf DVD veröffentlichen könnte?
Christoph: Nein, sicherlich nicht in DVD-Qualität. Es wurden zwar viele Konzerte gefilmt, aber meistens nur von einer Person und mit dem in den frühen 90ern verfügbaren Material. Bei einigen Konzerten haben wohl auch mal mehrere Leute gefilmt und wenn ich mal sehr viel Zeit übrig haben sollte (also nie), könnte man den einen oder anderen Song entsprechend editieren, aber das wäre dann nur was zum Hochladen auf unser Online Archiv. Aber ehrlich gesagt, waren wir optisch auch keine sonderlich spannende Band, was wir schon damals mit vielen bunten Lichtern zu kaschieren versucht haben.

Wie ist es damals zur ersten Veröffentlichung gekommen, wie vernetzt wart ihr in der Szene? Wie siehst du im Unterschied dazu die Möglichkeiten heutzutage?
Udo: Wir hatten schon früh angefangen, Aufnahmen von unseren Stücken zu machen. So entstand “Fragments”, das wir auf Kassette vervielfältigten. Später haben wir dann in einem Garagen-Studio vier Stücke unter dem Titel “Call for Live” aufgenommen. Die Jungs aus der Garage haben dann später das TRO-Studio aufgebaut, in dem wir dann unsere erste CD “Pure” aufgenommen haben. Der Onkel von einem der Jungs war Dieter Dierks, in dessen Studio die Scorpions ihre Alben aufnahmen, und der hatte Mischpult und Bandmaschine gesponsert. Wer weiß, was damit schon aufgenommen wurde…
Christoph: “Fragments” und “Pure” haben uns in der Progszene bekannt gemacht, die damals allerdings sehr überschaubar war und eigentlich nur aus einer Handvoll Fanzines und deren Lesern bestand. Prog und Neo-Prog führten in den frühen 90ern ein absolutes Schattendasein, das Genre hat sich ja erst Ende der 90er mit den Erfolgen von Spock‘s Beard, Porcupine Tree etc. erholt bzw. neu erfunden. Nach und nach hat sich dann rund um die Gründung von InsideOut, dem Night of the Prog-Festival und dem eclipsed-Magazin eine sehr professionelle Infrastruktur in Deutschland entwickelt, aber das gab es damals alles noch nicht. Ob es dadurch heute für neue Prog-Bands einfacher ist, kann ich nicht beurteilen. Es gibt natürlich viel mehr Kommunikationskanäle, aber nicht unbedingt mehr Zeit oder Aufmerksamkeit. Nur dass Musik auf Spotify schnell und einfach zu entdecken ist, heißt für eine Band ja nicht, dass man auch Zuhörer findet, die einer Band über Jahre die Treue halten und auch mal einen Tonträger (oder ein T-Shirt) abkaufen. Wahrscheinlich muss man wie früher vor allem viel proben, Songs schreiben, Konzerte spielen, regelmäßig Platten rausbringen – halt dranbleiben. Die «alte Schule» scheint mir da immer noch die nachhaltigere Methode zu sein, aber was weiß ich alter Sack schon vom heutigen Musikbusiness…

Vielen Dank an Christoph und Udo!
Das Debütalbum “Pure” wurde bereits hier vorgestellt, “Facing Gravity” folgt in Kürze.
Anfang März wird dann das letzte Album “Timecode” wiederveröffentlicht, dabei darf sich der Fan auf einige besondere Schmankerl freuen, dazu dann in einigen Wochen mehr.

Chandelier Blog

Abbildung: Chandelier
Mit freundlicher Genehmigung