Im Gespräch mit Bernhard Wöstheinrich (2018)

Jack Of All Trades


Mit der TaboTago-Veröffentlichung „Kymatica“, mit dem der Musiker der elektronischen Musik der Berliner Schule huldigte, sowie seinem aktuellen Release „Elsewhere“, welches er unter eigenem Namen herausbrachte und das vom Stimmungsbild gar nicht einmal so weit entfernt von TaboTago ist, hat Bernhard Wöstheinrich 2018 schon zwei Alben auf der eigenen Agenda. Aber auch so ist der Neu-Berliner umtriebig und emsig unterwegs, wobei dieser zusammen mit Touch-Guitarero Markus Reuter und centrozoon, ein Projekt, welches sogar ein Tim Bowness stimmlich unterstützte, auch dem Prog nicht unbedingt abgeneigt ist. Wobei sein aka, der Redundant Rocker, auch nicht allzu weit entfernt wartet.

Was ist der Unterschied zwischen Bernhard Wöstheinrich und dem Redundant Rocker?

Der Redundant Rocker ist im Gegensatz zu Bernhard Wöstheinrich eine reine Kunstfigur. Ich habe sie erfunden, um gewissermaßen eine ganz neue Position einnehmen zu können. Der Redundant Rocker hat sich bewusst abgewendet von den ostentativ-epischen Bögen, die in meinen Solo-Veröffentlichungen und auch in der Musik meiner Band centrozoon sehr maßgeblich sind. Die Form des Redundant Rocker ist verkürzter, essentieller, komprimierter. Der Redundant Rocker spielt auf eine durchaus nicht ganz unironische Art mit den Produktions- und Ausdrucksweisen zeitgenössischer populärer und kommerzieller Musik. Hierbei sind dann auch die Erfahrungen eingeflossen, die ich damals mit dem Projekt centrozoon plus Tim Bowness und den Releases “Never trust the way you are” und “The Scent of Crash and Burn” gesammelt habe, bei denen wir uns als Band centrozoon ja auch sehr einer für mich damals ganz ungewohnten Form der Songs angenähert haben.

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Wieso hast du dich entschieden, dein neues Album letztendlich unter deinem ‚richtigen‘ Namen zu veröffentlichen?

Ich kann auf eine lange Reihe Kollaborationen und anderer diverser Projekte zurückblicken. In all diesen Projekten konnte und durfte ich mich in dem gesetzten Rahmen der Kollaboration immer voll einbringen. Es schien mir nun aber an der Zeit hier meinen eigenen Namen, meine eigene Person in den Fokus zu bringen. Im Jahr 2015 habe ich bereits begonnen, die Aufzeichnungen der Konzerte meiner Solo-Tournee durch den Nord-Osten der USA aus dem gleichen Jahr Stück für Stück in monatlichen Abständen unter dem Titel “Materiaal-Releases” zu veröffentlichen. Er wurde für mich deutlich, dass das Thema und die Machart meiner Musik, die ja primär auf lang angelegte Live-Improvisationen und -arrangements beruht, bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Und genau diese Art empfinde ich auch als meine künstlerische Herkunft; bei allen Kollaborationen, Projekten, bei denen ich mitarbeiten durfte und Pseudonymen, unter denen ich aufgetreten bin. An dieser Essenz will ich nun weiterarbeiten.

War das Album eher durchgeplant oder entstand es spontan?

Das Album war in Bezug auf seine Verwirklichung und Charakteristik von Markus Reuter, in seiner Rolle als Produzent, und mir genauso geplant, und wir sind auch entsprechend sehr konsequent und konzeptionell dabei vorgegangen. Die Musik selbst und die Art, wie sich dann zum Beispiel das Artwork zu der Musik findet und so weiter ist natürlich im Detail unmittelbar aus dem Momentum umgesetzt worden. Wir haben dabei natürlich immer darauf geachtet, dass wir uns weiterhin im dem Korridor von Variablen bewegen, in dem wir das Album ersonnen hatten. Dieses Zusammenspiel von konzeptionellem und spontanem Vorgehen ist meiner Meinung nach wesentlich, um am Ende eine Veröffentlichung mit einer gewissen Größe und Nachhaltigkeit zu erreichen.

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Verwandtschaften zu deinem Projekt TaboTago lassen sich soweit erkennen, als dass beide Projekte dem Vermächtnis der Berliner Schule geschuldet sind. Wäre da die Überlegung, „Elsewhere“ nicht als Bandprojekt TaboTago-like aufzupimpen nicht naheliegend gewesen?

TaboTago bewegt sich zwar in der Tat in einem ähnlichen Fahrwasser, ist aber von den Grundvoraussetzungen schon sehr unterschiedlich. Bei TaboTago handelt es sich um eine weitere Band mit zwei weiteren Musiker-Persönlichkeiten, Leander Reininghaus und Andreas von Garnier. „Elsewhere“ war aber von Anfang an explizit als Solo-Veröffentlichung geplant. Alles, was auf der „Elsewhere“ zu hören ist, ist in einer Live-Situation im Studio vollkommen von mir komponiert und im selben Moment eingespielt worden. Im weiteren Verlauf hat Markus Reuter dann die Bearbeitung der Aufnahmen in direkter Abstimmung mit mir vorgenommen. Wir konnten uns daher ganz darauf konzentrieren den Gegenstand und Eigenarten dieser Aufzeichnungen gleichsam zu erforschen und dabei herauszuarbeiten.

Wir arbeiten zurzeit intensiv an einem neuen Release der Band Ornah-Mental. Hier wird es dann im Jahr 2019 sicher auch die eine oder andere Bühnen-Präsenz geben, auf die ich mich ganz besonders freue.

TaboTago, centrozoon, Redundant Rocker, Bernhard Wöstheinrich…, wo liegen derzeit deine Prioritäten bzw. wurde hier noch etwas vergessen?

Es gäbe hier sicher noch mehr zu erwähnen; ganz aktuell die Zusammenarbeit mit Dirk Schlömer (Ex-Ton Steine Scherben, Neue Glas aus alten Scherben etc.). Wir arbeiten zurzeit intensiv an einem neuen Release der Band Ornah-Mental. Hier wird es dann im Jahr 2019 sicher auch die eine oder andere Bühnen-Präsenz geben, auf die ich mich ganz besonders freue. Ansonsten ist und bleibt das Hauptprojekt centrozoon mit Markus Reuter und natürlich weiterhin mein eigenes Projekt als Solist, was ich aber durchaus immer als sehr verzahnt mit der Band centrozoon betrachte. Für mich hat es eine ganze Weile gedauert um überhaupt die Idee dafür zu entwickeln, ein ‚eigenes Projekt‘ neben centrozoon zu haben, da ich diese Band, oder ich sollte vielleicht eher sagen, dieses Unterfangen, so deutlich als mein eigenes empfunden habe. Das ist eben auch eine Aspekt des Redundant Rocker – damit konnte ich mich überhaupt erst einmal innerlich von einer persönlich so etablierten Idee erst emanzipieren – um dann aber nun wieder zu meinem Namen zurückzukehren.

Was geht in der Zukunft hinsichtlich deiner musikalischen Projekte?

Die Musik lebt heute mehr denn je in der Form der Live-Präsentation. Das gilt ebenso und gerade auch für Elektronische Musik, zu der meine Musik ja üblicherweise gezählt wird. Daher arbeite ich daran dass ich mit meiner Musik, egal in welcher Konstellation, mehr Bühnenpräsenz bekomme.

Wie kam es, dass du vor ein paar Jahren ‚freiwillig‘ aus der Provinz nach Berlin umgezogen bist?

Die Idee nach Berlin zu ziehen hatte ich schon sehr lange – mindestens aber schon seit Anfang der 1990er Jahre. Leider hat sich das aber alles aus diversen Gründen alles äußerst verzögert. Ich war aber in dieser Zeit in der westfälischen Provinz ja auch ganz und gar nicht untätig – viele Aspekte des Wirkens von einem Standort außerhalb des urbanen Lebens waren ja sogar durchaus hilfreich. Ebenso habe ich immer meine Verbindung nach Berlin aufrechterhalten können. Aber nun endlich hier zu leben und vor Allem auch hier zu arbeiten ist natürlich etwas ganz anderes. Der Austausch ist für mich hier viel intensiver, reibungsloser, spontaner und unmittelbarer. In Berlin öffnen sich bestimmte Türen einfach leichter. Und auch hier ist die Verbindung zurück zum Land ja nicht abgeschnitten!

Mit Markus Reuter verbindet dich wie erwähnt vor allem euer gemeinsames Projekt centrozoon beziehungsweise euer Label iapetus. Mithin bleibt ihm ob seiner Betätigung bei Stick Men oder dem Crimson ProjeKct kaum noch Zeit für andere Aktivitäten. Oder hat er doch noch freie Spitzen, um die Zusammenarbeit mit dir am Leben zu erhalten?

Die Zusammenarbeit mit Markus ist ebenso alt wie intensiv. Wir kennen uns seit 1996 und haben praktisch direkt den Entschluss gefasst, in einer möglichst professionellen Art zusammenzuarbeiten. Das mündete dann im Jahr 2000 in der Gründung der Reuter und Wöstheinrich GbR, in der wir dann, basierend auf unserer Zusammenarbeit als Musiker, alle unsere weiteren Professionen gebündelt haben. Wir arbeite-ten und arbeiten auf einem weiten Feld von Coaching, Grafik Design bis hin natürlich zu Musik Produktionen. Daraus entwickelte sich dann im Jahr 2007 die iapetus Medienberatungs- und Medienvertriebs-GmbH, die uns dann auch ermöglichte die Herstellung, den Verkauf und Vertrieb von CDs & Merchandise, wie auch die Instrumente von Markus Reuter, die Touch Guitars®, selbst in die Hand zu nehmen. Es gibt also ein weites Feld – die Zusammenarbeit mit Markus beschränkt sich keinesfalls nur auf ein paar ‚freie Spitzen‘. Projekte wie Stick Men sind ebenso wie meine eigenen Projekte grundsätzlich immer Teil un-serer gemeinsamen Arbeit und Teil unserer gemeinsamen Unternehmungen.

Danke für das alles andere als redundante Gespräch!

Fotos: Wolfgang Hein

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