Glühmaar statt Glühwein
Nichts gegen Glühwein (obwohl… ach lassen wir das hier). Denn das von uns mit Stolz präsentierte Festival für Post-Rock und mehr macht erwiesenermaßen auch das Herz warm und die Wangen rot. Die beste Nachricht vorab – nach angesichts des exzellenten Billings leider enttäuschenden Verkaufszahlen stand die dritte Auflage des Edel-Festivals zunächst in den Sternen, ist allerdings inzwischen beschlossene Sache – am Samstag dem 16.11.19 wird wieder geglüht in der Neuen Gebläsehalle!
Und die sowie das ganze aufnehmende Areal (übrigens mit der Stummschen Reithalle inklusive einer gleichfalls attraktiven Halle im Club-Format) sind allein schon eine Sünde und die Anfahrt durch traumhaft herbstfarbene Wälder wert. Hier ist es wirklich einmal gelungen, den Charme der alten Industrieanlage zu bewahren und mit modernster Veranstaltungstechnik zu kombinieren. Auffallend großzügig ist etwa die 240 m2 große Bühne, aber auch die mehrfach ausgelegten Durchgänge zwischen den Teilbereichen der großen Halle. Bestuhlt finden hier 1.000 Platz, ohne Gestühl sicher 1.800, gekommen war leider nur ein Drittel davon. Und denen ist viel entgangen:
- Traumhafte Architektur, überwiegend Referenzsound, ohne Gehörschutz genießbar!
- Auffallend freundliche Mitarbeiter an allen Positionen, einschließlich Security.
- Das tolle Line-up hatten wir ja schon genannt – na, dann sei an dieser Stelle eben der überaus faire Eintrittspreis von 35 Euro (40 € Abendkasse) hervorgehoben!
- Fast ausnahmslos extrem reibungslose Umbaupausen. Die meisten Festivals, die zwei oder mehr Bühnen bespielen, lassen das Publikum länger als die in der Gebläsehalle gebotenen 15 Minuten ohne Live-Musik warten – und das ging hier alles mit einer Bühne.
- Weit überdurchschnittliches Getränkeangebot (allerdings leider nur in Wegwerf-Plastik erhältlich) inklusive beispielsweise Ducksteiner und gleich mehrere Sorten des belgischen Trappisten-Götterstoffes Grimbergen zu einem Preis, zu dem es anderswo höchstens Übelplörre gibt.
- Und wen die Fastenspeise Starkbier noch nicht genügend stärkte, der fand wenige Schritte vor den Eingangstüren einen Burger-Truck mit auch einigen vegetarischen Angeboten vor.
Gab es denn auch etwas zu kritisieren? Ja, wenn auch wirklich nur Details. Zum einen hatten die schon vorab vielgelobten Lokalmatadoren Flares buchstäblich nur eine halbe Stunde für ihren Vorglüh-Job. Ein Stau und Gehampel beim Quartier-Check-in kosteten den diensthabenden Betreuer just diese offensichtlich kostbaren 30 Minuten, wie zu dem Zeitpunkt bereits vor Ort befindliche Kumpel bezeugten.
Zweiter “Kritik”punkt: Soup durften von 17:25 Uhr bis 18:05 spielen. Das ist besser als nichts und die mehrheitlich in Holzfällerhemden gewandeten Norweger schafften es auch in dieser überschaubaren Spanne und trotz ihres leicht introvertierten Ansatzes, der selbst ein winziges bisschen “Anlauf” zu brauchen scheint, gefühlt alle Anwesenden komplett zu verzaubern. Nach dem wenige Takte dauernden Aufheizen begann der Flow, begann die magische Trance, hervorgerufen von dem anderswo als “melancholischer Harmonie-Tsunami” beschriebenen Vortrag des Quintetts, die auch durch Schlagzeugsoli (!) nicht mehr zu brechen war. Tatsächlich durch überhaupt nichts mehr aufzubrechen. Denn wofür weder Band noch Festival irgendetwas können: Dem Rezensenten ging die Musik und die innige, still-leidenschaftliche Art sie zu spielen so unter die Haut, dass er danach hochzufrieden eigentlich gar keine anderen Auftritte mehr gebraucht hätte. Doch die gab es natürlich.
Zum Beispiel von Dool. Das niederländische Quintett hat eine spannende Gothic Metal-Spielart mit Prog-Sprenkeln am Start. Und mit Ryanne “Raven” van Dorst einen Publikumsmagnet an Gitarre und Gesangsmikro. Ein Vorabtest von Konserve war als weniger aufregend in Erinnerung geblieben, doch live sind sie das in hohem Maße. Songs wie ‘The Alpha’, ‘She Goat’ oder ‘Love Like Blood’ (sic) kamen offensichtlich ganz hervorragend an. Doch auch das änderte nichts an dem ein wenig Atmosphäre-tötenden Verfahren, nach dem oder gar beim Schlussakkord des letzten Songs das volle Saallicht anzuwerfen.
Toundra sind spätestens seit ihrem Auftritt beim ProgPower Europe 2013 alte Bekannte. Mit u.a. ‘Cobra’, ‘Oro Rojo’ oder ‘Cielo Negro’ führten die inzwischen noch besser gewordenen Spanier allen etwaigen Instrumental-Rock-Skeptikern vor, wie unglaublich heavy und doch facettenreich gesangsfreier Post-Rock zulangen kann.
Mit weitem Abstand am lautesten kamen nun And So I Watch You From Afar (ASIWYFA) über die Rampe. Möglicherweise deswegen verweigerten die auf diesem Festival eindeutig dominierenden Orange-Verstärker den Dienst und mussten im laufenden Betrieb gegen Marshall-Stacks ausgestauscht werden. Dem Pizzicato-Post-Metal der Nordiren mit dem Grundsound eines angreifenden Hornissenschwarms von z.B. ‘Gang’, ‘Like A Mouse’ oder ‘Set Guitars To Kill’ tat das keinen Abbruch.
Für den Festival-Headliner Riverside kann man an dieser Stelle getrost auf diesen kompetenten Bericht vom Oberhausen-Konzert zwei Tage zuvor verweisen. Nein, wenigstens die ganz deutlich beste Lightshow des Tages sollte schon hervorgehoben werden.
Obwohl oder vielleicht auch gerade weil alles so sehr gepasst und gestimmt hatte, war der Chronist nun nicht mehr in der Stimmung, noch für die erst auf 00:30 Uhr getimeten Harakiri For The Sky auszuharren. Was rein gar nichts über die Güte der österreichischen Post-Black-Metal-Combo aussagt. Sondern nur über die Überfülle und Klasse alles zuvor Gebotenen.
Und wie gesagt: 16.11.19, mark your calendars!
Band-Fotos, mit freundlicher Genehmigung: Alexander Moell
Randszenen und Geländefotos: Klaus Reckert