Pardans – Spit And Image
(39:00, CD, Tambourhinoceros/Indigo, 2018)
In letzter Zeit ist es ganz schön laut in Kopenhagen geworden. Dafür sind vor allem ungestüme Lofi-Punk/No Wave Bands wie Iceage, Marching Church, Lower und Vår verantwortlich, die nicht nur Dänemarks Musikszene aufblühen lassen, sondern auch ein ganzes Genre neu definieren und alle Klischees über Bord werfen, die sich im Laufe der Jahrzehnte so sehr verfestigt haben, dass ihr Verschwinden nun längst überfällig ist. Plötzlich kann Punk auch romantisch, poetisch, verrucht und jazzig sein, ohne seinen aggressiven, rauen Kern zu verlieren, der niemals gezähmt werden kann. Allerdings ist das eine Entwicklung, die sich nur so blitzartig anfühlt, in Realität aber mit einem sanften Übergang an Popularität gewonnen hat.
Dazu kommen Pardans, ein seit 2015 bestehendes Quintett, das sich eigentlich hauptsächlich durch energiegeladene Live-Shows einen Namen gemacht hat. Mit dabei sind Gustav Berntsen (Vocals), Oskar Dinesen (Drums), Rasmus Hastrup (Bass), Patrick Rathbun (Bratsche, Piano, Guitar) und Daniel Honore (Saxofon). Nach ihrem Debüt “Heaven, Treason, Women” von 2016, ist die Band mit Iceage (zwei Pardans-Mitglieder spielen auch bei Iceage) und Marching Church durch Europa getourt und nach der Erscheinung von “Spit and Image”, welches am 5. Oktober veröffentlicht wurde, werden Pardans wieder durch Europa reisen. Vorweg sei gesagt: Es wäre eine Schande, sich einen Auftritt entgehen zu lassen. Wer sich nach einem Rausch sehnt, der wird hier fündig und in absehbarer Zeit auch nichts anderes mehr benötigen.
Keine Rücksicht, keine Ausnahmen, keine behutsame Einführung in die unbarmherzige, explosive, wahnsinnige Welt der Dänen. Dieses Album ist nichts für schwache Nerven und vielleicht muss man “Spit and Image” auch eine zweite Chance geben, um daran Gefallen zu finden. Bei anderen, wie bei mir, kann das aber auch sofort passieren. Zunächst ist es erfrischend, wenn man nach den ersten paar Songs den Sound, den Sinn und das Ziel überhaupt nicht einordnen kann. Und die Lage verändert sich nicht. Je länger das Album läuft, desto verwirrter bin ich – so scheint es zumindest zunächst. Was ist diese Band eigentlich und was sollen sie? Ist das eine Parodie? Pardans könnten sich das Leben auch einfacher machen, als gäbe es sonst keine schrägen Musiker. Das Besondere ist aber, dass Pardans so klingen, als wäre ihnen alles egal, gleichzeitig aber ihre Instrumente perfekt beherrschen, das mehr als deutlich zeigen und einen Sänger haben, der eine beißende, charaktervolle, theatralisch und zugleich monotone Stimme hat, mit der er alles Mögliche macht, die Welt anschreit, sie beklagt und manchmal auch singt. Da kommt einem Nick Cave in den Sinn. Längere Stücke sind mehr Free-Jazz-lastig, während die Kurzen abrasiver, schneller und punkiger sind. 70er-Jahre-Elemente sind eines der Hauptthemen von “Spit and Image”, aber es gibt nicht wirklich eine bekanntere Band, die man als eindeutige Inspiration herausfiltern könnte, was auch einer der Gründe ist, warum man nach dem Hören des Albums das Gefühl hat, man hätte die ganzen 40 Minuten über kein einziges Mal richtig Luft geholt. Ornette Coleman, Miles Davis, David Bowie, Scott Walker werden als Einflüsse aufgezählt, aber das alleine würde nicht viel über Pardans Musik aussagen. So etwas hat es in dem Ausmaß noch nicht vorher gegeben, jedenfalls nicht mit einer vergleichbaren Intensität, die trotz der gewaltsamen Wucht schafft, dem Hörer ein Gefühl von Kohärenz trotz des ganzen stattfindenden Punks zu geben, sodass dieser sich während der ekstatischen Apokalypse nicht allzu verloren fühlt.
Kein Künstler mag es, mit anderen verglichen zu werden. Erst recht nicht, wenn die, mit denen man verglichen wird noch leben und nicht viel länger als man selbst das ausübt, was man eben so als kreativer Geist so macht. Zunächst kommt der Verdacht auf, der Titelsong könnte sich vielleicht darauf beziehen. Vielleicht, aber wahrscheinlicher ist die Einsicht “I am the living spit and image of my deeds” eher eine Selbstreflexion. Ja, gewisse Parallelen und Ähnlichkeiten hört man zwischen Iceage und Pardans heraus, jedoch haben Pardans etwas Einmaliges an sich, das sie nicht mit anderen Formationen der Kopenhagen-Szene teilen. Nämlich genau die richtige Menge an Humor. “Spit and Image” ist kein Album für jeden Tag, keines, das man 24 Stundem am Tag laufen lassen könnte, wenn man ein funktionierender Mensch sein möchte. Es ist ein unkonventionelles, einzigartiges Album, das man nicht so schnell vergessen wird und das niemals nur im Hintergrund laufen könnte. Zum Schluss beantworten wir noch die Frage ‘Are You Entertained Yet?’ mit euphorischem Applaus.
Übrigens, am 21.11. kommen Pardans nach Hamburg, am 22.11. nach Berlin und in den Niederlanden spielen sie bei Explore the North in Leeuwarden.
Bewertung: 15/15 Punkten (KR 12, DW 15)
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