Anyone’s Daughter – Last Tracks

(46:24, CD, Tempus Fugit/ SPV, 1986/2018)
Mit einer remasterten CD Ausgabe von “Last Tracks” ist nun das finale Kapitel der ursprünglichen Anyone’s Daughter-Historie zum ersten Mal in digitaler Form erhältlich. Als das Album 1986 in limitierter Auflage auf Vinyl erschien, dokumentierte es das damalige Ende der Band mit bis dato nicht veröffentlichten Titeln. Aufgeteilt in die LP Seiten “Das letzte Kapitel” und “Wie alles anfing” war es ein Brückenschlag zwischen den Songs des letzten Line-Up, sowie den ersten Gehversuchen aus dem Jahre 1978, aufgenommen im legendären Stuttgarter Tonstudio Zuckerfabrik.

Genauso wie die beiden LP-Seiten verschiedene Episoden der Bandhistorie abdecken, genauso dokumentierten sie zwei musikalische Ansätze. Die letzten Aufnahmen aus den Jahren 1985/86 sind komplett dem damaligen Zeitgeist geschuldet. Vom ursprünglichen Line-Up waren nur noch Keyboarder Matthias Ulmer (bei den heutigen Anyone’s Daughter als einziges verbliebenes Originalmitglied der Kopf der Band) und Gitarrist Uwe Karpa übrig geblieben, was sich ebenfalls in der etwas orientierungslos wirkenden Stilsuche widerspiegelt.

Die fünf Tracks aus jener Zeit sind leider ein absolut mauer, waviger Pop-/-Rock-Versuch, um z.B. mit steriler, programmierter Rhythmik, grausigen Sounds und Anbiederung an den damaligen Mainstream, den seinerzeit angesagten Trends nachzueifern. Das Resultat ist ernüchternd, denn das hat nur sehr wenig mit den bekannten Stilistiken von Anyone’s Daughter bzw. dem geglückten, eher mainstreamigen Comeback Anfang der 2000er zu tun. Doch selbst ohne namenstechnische Vorbelastung überzeugt dieses Material nicht.

Interessant sind in erster Line die ersten professionellen Demos auf der zweiten LP Seite bzw. auf der heutigen CD die Titel 1-4. Hier erkennt man sehr deutlich den Progressive-/-Art-Rock-Bezug, aber auch den Ansatz, dem Stil der britischen Vorbilder eine eigene Färbung zu verpassen. Von den damaligen Aufnahmen landete das hier nicht enthaltene ‘Anyone’s Daughter’ in unveränderter Form, sowie ‘Sally The Green’ unter dem veränderten Namen ‘Sally’, sowie mit einem leicht veränderten Arrangement auf dem vom legendären Brain Label herausgebrachten 79er Debütalbum “Adonis”. Doch dies erlaubt keineswegs eine Aussage bezüglich der Qualität der anderen Tracks.

Das dramatische, schwelgerische ‘I Hear An Army’ lässt bereits Potenzial, sowie einen gewissen Genesis-Bezug erkennen, während die beiden über 9-minütigen ‘Ma Chère Marquis De Sade’ (rein instrumental, überaus virtuos verspielt) und ‘Window Pain’ (leicht verträumt und durchaus als eine Art Ergänzung zur ‘Adonis’ Suite zu sehen) bereits jene eigenständige Qualitätsmerkmale enthalten, die andere Aufnahmen von Anyone’s Daughter aus den folgenden Jahren auszeichnen.

Natürlich darf man hier kein High-End Produkt erwarten, weswegen aufgrund des historischen Charakters diese Aufnahmen nur für echte Anyone’s Daughter-Fans von Interesse ist. Dennoch hat das Remastering gerade den frühen Aufnahmen gut getan und vor allem die Demo-Aufnahmen aus den 70ern sind eine absolute Entdeckung. Ganz wie die ursprüngliche LP ist auch die CD lediglich als limitierte 1000er Auflage erhältlich.
Bewertung: 7/15 Punkten (JM 9, KS: Titel 1-4: 10 Punkte, Titel 5-9: 2 Punkte)

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Abbildungen: Anyone’s Daughter / Tempus Fugit