Le Mur – Exorta
(47:06, Vinyl / Download, Clostridium, 2018)
„Heavy Dark Trip Rock“? Nu‘ macht mal Butter bei die Fische, Jungs und Mädels. Das ist doch einfach Krautrock, was ihr da veranstaltet, oder? So ein bisschen Richtung Amon Düül II, Guru Guru, Ash Ra Tempel, na ihr wisst schon, deutscher Rock aus den 70ern mit viel Drogen und vor Kreativität berstend.
Was? Die Bezeichnung „Krautrock“ klingt uncool? Das Ganze soll was sein? Düster, trippig, schwer? Ja ist schon klar, wir leben in düsteren, schweren Zeiten und so weiter – da kann man ja gar nicht ironisch oder humorvoll sein, LSD und Grooves sind sowieso verpönt und Spaß darf das alles sowieso nicht machen. Da könnte man ja gleich eine Rock’än’Roll Band gründen und in der Garage vor sich hin jammen, den ganzen Tag kiffen, und, wenn man Glück hat, mit einer Platte bisschen Geld verdienen…
Ernsthaft jetzt. Le Mur machen krautigen Rock, kommen aus dem Pott und musizieren gemeinsam seit 2007. Exorta ist ihr drittes Album und der letzte Teil einer Trilogie, bestehend aus “In Tenebris” (2011) und “Silentia Nova” (2013).
Exorta besteht aus sieben Songs, zwei davon Lückenfüller, vier in Überlänge (über sieben Minuten), einer knapp um die sechs-Minuten-Marke. Ziemliche Brocken, die Le Mur da aufs Parkett wuchten. Bisher hat die Band für ihren schwermütigen, dahinjammenden Sound auch gute Kritiken in den Underground-Webzines erhalten. Das wird mit „Exorta“ wohl nicht anders sein. Jedoch, fern von nostalgischer Verblendung scheint eben doch nicht alles Gold was im Licht der glorreichen 70er glänzt.
Fangen wir von vorne an: ‚O.m.e.n. – Towards the End‘ leitet das Album ein mit Verstärker-Feedback und sanftem Gitarrengezupfe. Irgendwann setzen Drums und Bass ein, das Tempo wird angezogen. Dann surren Keyboard-Synthesizer durch den Klangraum wie violett schimmernde Wolken, bevor das Anfangsriff von der ganzen Band aufgenommen wird.
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Darauf folgt ‚Die Nacht der Lemuren Teil II‘. Der Sänger schreit irgendwas von „Gottverdammten Kreaturen“. Der Song erinnert anfangs an deutschen Post-Punk-Rock, wie er wahrscheinlich zu Beginn der neuen deutschen Welle in zahllosen Konzertkellern zelebriert wurde. Passend dazu die pseudo-poetischen Texte. „Es ist vollbracht“, oder so. Ein Gitarrensolo über galoppierendem Schlagzeug. Sehr bald aber ebbt der Song ab. Die nächsten sieben Minuten mäandert die Band dahin, eine dünne Orgel verhallt einsam in der schwarzen Nacht – es wird psychedelisch, ein Blasinstrument (wohl ein Saxofon) kommt zum Einsatz, im Hintergrund jagt die Gitarre durch ein Echo-Effektgerät. Naja, düster ist das allemal. Aber da stellt sich schon die Frage: Was bedeutet es eigentlich, „düster“ zu sein?
Auf ‚Nacht der Lemuren‘ folgt abermals ein… Intro? Hatten wir das nicht schon? ‚(Intro) The Broken Pieces of…‘. Dreiteilig. Obwohl nur drei Minuten lang. Ist das jetzt ein Gag oder ist das Ernst?
‚Our Doom‘ legt los mit quietschigen, unerträglichen Synthesizer-Sounds, die im Mix alles unter sich begraben. Der Track soll wohl besonders harsch, hart und depressiv sein, der Gesang ist tief und monoton gehalten, was Assoziationen an Joy Division weckt.
Und wie sieht’s mit dem Rest aus? Man höre und staune: „Exorta“ wird gegen Ende besser, weil weniger Gesang, weniger Quietsche-Synthies, mehr hochwertige Gitarrensoli, mehr Spannungsaufbau. ‚O.m.e.n. – Arisen‘ (Diese Titel… soll das etwas Bestimmtes bedeuten? Naja, egal. Klingt halt cool.) ist geradezu hörbar, genießbar, und für einen Augenblick glaubt man tatsächlich, echte Verzweiflung rauszuhören. Le Mur lassen sich Zeit, sie bleiben bei einem Riff, kosten ihn aus und bringen ihn zu einem spannenden Abschluss. Auch hinkt der Drummer zum ersten Mal nicht hinterher, sondern treibt die Band mitsamt Bassisten an.
Unterm Strich ist „Exorta“ ein anstrengendes, schwieriges und von Problemen geplagtes Album. Anstrengend und schwierig können positive Aspekte eines musikalischen Werkes sein, man höre nur mal die manischen Zustände auf den späten Alben von Scott Walker, oder einzelne Tracks der Swans. „Exorta“ jedoch scheint das Kind einer halbgaren Studioproduktion und einer unsauberen Performance zu sein. Zu viele fragwürdige Entscheidungen bei der Abmischung, der Wahl der Keyboard-Sounds und der Präsenz der Gitarren im Mix, eine Rhythmussektion, die keinen echten Drive entwickelt und phasenweise durch die Songs stolpert, ein sehr mäßiger Sänger – das könnte man alles entschuldigen. Wirklich, das könnte alles völlig egal sein, wäre die ganze Chose nicht gleichzeitig so unglaublich prätentiös.
Bewertung: 6/15 Punkten (BF 6, KR 8)