Hawkwind – Road To Utopia

(43:30, CD, Cherry Red Records, 2018)
In der Pressinfo liest sich die Info zum neuen Hawkwind-Studioalbum in etwa so: Klassiker aus den 70ern akustisch und mit Orchester neu arrangiert. Wenn zudem der Name des Songschreibers und Arrangeurs Mike Batt fällt (u.a. zuständig für das bombastische ‘The Ride To Agadir‘, aber eben auch solch Schmonzetten wie ‘Lady Of The Dawn’ oder das für Art Garfunkel geschriebene ‘Bright Eyes’), sowie, dass sogar Altmeister Eric Clapton einen Gastbeitrag liefert, dann kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen, oder?! Bereits in der Vergangenheit unternahmen Hawkwind-Impressario Dave Brock und seine Mannschaft mehr schlecht als recht diverse Versuche, der eigenen Vergangenheit durch Songrecycling frischen Geist einzuhauchen, z.B. hörbar auf “Take Me To Your Future” (2006) oder teilweise “Onward” (2012).

Doch der Grundansatz von “Road To Utopia” ist ein komplett anderer. Mike Batt – den Dave Brock übrigens eher zufällig in der amerikanischen Botschaft in London traf – bekam relativ freie Hand bei den Orchesterarrangements. Die Songs wurden bis auf die Melodielinien teils fast bis zur Unkenntlichkeit neu interpretiert, der Schritt nahezu keinen Space Rock-Bezug erkennen zu lassen ist ebenfalls recht mutig. Eine Einschränkung gleich vorweg: zu den salbungsvollen Ankündigungen des Labels: mitnichten werde hier die Klassiker die 70er präsentiert, denn bis auf die Uralt-Lemmy-Nummer ‘The Watcher’ (vom 72er Album “Doremi Fasol Latido”) wartet man vergebens auf die üblichen Verdächtigen, wie z.B. ‘Master Of The Universe’, ‘Brainstorm’, ‘Sonic Attack’ oder ‘Silver Machine’. Richtig ist vielmehr, dass hier zwar auf Material der Seventies zurückgegriffen wurde, doch es ist eher ein Mix aus Unbekanntem, sowie überraschenderweise gleich drei Titel vom 78er Hawklords Album “25 Years”.

Genug der Vorworte: was bekommt man hier nun wirklich zu hören? Zu Anfang reibt man sich im übertragenen Sinne verwunderlich die Ohren, den der Opener ‘Quark, Strangeness & Charm” lässt als schwungvolle Mariachi(!) Nummer mit Bläsern(!!) echtes Mexiko Urlaubs Feeling aufkommen.

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Auch das sehr bluesig, bodenständig interpretierte ‘The Watcher’, bei dem der eingangs erwähnte Mr. Slowhand eher unauffällig, aber prägnant agiert, hat nur wenig mit dem Original gemeinsam.

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So beschleicht einen als Hörer dann die leichte Sorge, ob hier ein Kandidat für die Kategorie “BereutesProggen” vorliegt, doch glücklicherweise gewinnen die Neuarrangements im weiteren Verlauf wesentlich mehr an eigener Kontur. Die albumtitelgebene “Road To Utopia” wird zwar nicht beschritten, trotzdem gehört eine gewisse Courage dazu, so schamlos mit der eigenen Vergangenheit umzugehen.

‘We Took The Wrong Step Years Ago’ punktet als Laid Back-Interpretation mit West Coast Feeling, ‘Down Through The Night’ wirkt wie eine Mischung aus Filmmusik und Atmosphäre der 60er Jahre, während ‘The Age Of The Micro Man’ zwar schleppend, aber doch mit verträumter, passender Stimmung durch den Äther schwebt. Gerade die sanften Orchesterarrangements, die meist akustische Herangehensweise sorgt für einen ganz eigenen Charakter, der letztendlich komplett untypisch für Hawkwind ist. Damit beweist das aktuelle Line-Up aus Dave Brock (Gesang, Gitarre, Mundharmonika, Synthesizer, Keyboards), Richard Chadwick (Schlagzeug), Mr Dibs (Gesang), Haz Wheaton (Bass) und Magnus Martin (Gitarre, Viola), dass es eben auch mal ganz anders kann.

Mit einer gewissen Selbstironie, Frische und hörbarem Spaß an einer eigenwilligen Hawkwind-Geschichtsstunde ist “The Road To Utopia” bisweilen interessant, aber eben nur teilweise gelungen. Die solide Zusammenfassung lautet deswegen: erwarte das Unerwartete, erwarte jedoch nicht zu viel.
Bewertung: 8/15 Punkten

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Abbildungen: Hawkwind / Cherry Red Records