(75:00, CD, Eigenproduktion/Just For Kicks, 2018)
Der Untertitel dieses Albums lautet “Musical SciFi By Andy Tillison Diskdrive”. Aha – hinter diesem Projekt versteckt sich also der Tangent-Boss. Dass er dieses Werk nicht einfach unter seinem Namen veröffentlicht, zumal er fast alles selbst eingespielt hat, macht durchaus Sinn, denn was der Prog-Fan gemeinhin mit der Musik des Briten verbindet, deckt sich vermutlich nicht mit dem, was hier geboten wird. Und so wäre möglicherweise die Überraschung oder Enttäuschung recht groß, lieber also einen separaten Namen wählen.
Kalman Filter also, nach einem mathematischen Verfahren benannt. Mit der Musik von Tangent oder Parallel Or 90 Degrees hat dies in der Tat nichts zu tun – außer halt die Tatsache, dass Herr Tillison hier die Fäden zieht. Auch für den Rezensenten kommt das Dargebotene ziemlich überraschend daher, aber von Enttäuschung keine Spur, denn bei „Exo-Oceans“ handelt es sich um ein ausgesprochen interessantes Album, das viele interessante Details zu bieten hat.
Gerade mal drei Songs sind auf dem Album enthalten, das rein instrumental gehalten ist. Der Opener ‚Karus‘ ist der einzige Titel, auf dem ein Gastmusiker zu hören ist, nämlich Matt Stevens an der Gitarre. Alles andere stammt aus den Händen Tillisons.
Als „Hardware“ wird aufgelistet: Arturia Matrixbrute analogue synthesizer / Hammond T1 organ & Leslie / Studiologic-Waldorf sledge synthesizer / GEM Promega 2 piano / Roland VK7 organ / various electric guitars.
Statt Prog erwartet den Hörer im Wesentlichen eine gelungene Mischung aus Neo-Klassik, Elektronischer Musik, Ambient, und Jazz, weitere Überraschungen inbegriffen.
Schon der knapp viertelstündige Eröffnungstrack ‚Karus‘ (14:34) weiß zu überzeugen. Die Art und Weise, wie Tillison hier plötzlich von einem eher EM-betonten Stück, das mit Mellotron-Sounds schließlich auch ein wenig an Edgar Froese erinnert, sich ganz geschickt beinahe übergangslos in eine jazzige Nummer bewegt, das hat schon was. Plötzlich wird Drive aufgenommen und man hat das Gefühl, schon bei einem neuen Song zu sein. Zunächst dominiert das Piano, dann kommt eine feine Orgel hinzu, begleitet von synthetisierten Bläsern – cool gemacht.
Das nachfolgende ‚Veltorn‘ (18:06) beginnt sehr leise, teils experimentell. Die atmosphärische Nummer endet in den letzten zwei Minuten mit etwas, das man mit früherer Tillison Musik verbunden hätte, eine typische Prog-Passage mit wildem Keyboardspiel und (programmiertem) Schlagzeug. Aber das bleibt eher die Ausnahme.
Es folgt nur noch ein weiterer Titel, nämlich ‚Jornakh‘ – und wer mitgerechnet hat sieht schon, dass der Titel über 40 Minuten lang sein muss. Zeit genug also für viel abwechslungsreichen Stoff, der zum Teil nicht gerade leicht zugänglich, doch immer wieder irgendwie faszinierend ist. Allerdings auch irgendwie eine Mogelpackung, denn das Ende besteht aus 20 Minuten Stille und einer kurzen Ansage. Für diesen Unsinn gibt es einen Punktabzug.
Tangent-Fans müssen sich wohl etwas umgewöhnen, aber es dürfte sich lohnen, sich mit diesem Album zu beschäftigen.
Bewertung: 11/15 Punkten (JM 11, KR 11)
Surftipps zu Kalman Filter:
Homepage (The Tangent)
Facebook (Andy Tillison)
Bandcamp