Árstíðir – Nivalis
(46:07, CD/2 LP, Season of Mist, 2018)
Normalerweise ist man vom französischen Label Season of Mist durch Bands wie Ne Obliviscaris, Solstafir, Thy Catafalque etc. härtere Töne gewohnt, aber auf “Nivalis”, dem neuen Studioalbum der isländischen Formation Árstíðir, lässt sich definitiv kein Metal finden. Der Plattenfirma selbst fällt eine Kategorisierung des Longplayers scheinbar ebenfalls schwer. Die Bezeichnung Icelandic Independent versucht den Stilmix für Schublabenliebhaber fassbar zu machen.
Blicken wir auf die Ursprünge. Als Dreierformation starteten Ragnar Ólafsson, Daniel Auðunsson und Gunnar Már Jakobsson 2009 das Projekt Árstíðir mit dem selbstbetitelten Debütalbum und folkigen Klängen. Die Band wurde danach personell deutlich erweitert und das Folgealbum “Svefns og vöku skil” (2011) mit Streichern orchestraler. Als Viererformation wurde dann auf dem 2015er Album “Hvel” zögerlich die Rhythmusfraktion stärker bemüht, damals erschien dies ungewohnt und noch wenig homogen. Der Weg schien damit aber vorgezeichnet und nun hat die Kernformation mit der aktuellen Veröffentlichung “Nivalis” das nächste Etappenziel erreicht.
Auch nach dem Weggang von Violinist Karl James Pestka sind auf der aktuellen Produktion der Stammbesetzung immer noch hervorragende Streicherpassagen enthalten. Diese ergänzen die gewohnten Klänge von Piano/Keyboard, akustischen Gitarren und den Gesang erneut zauberhaft (Anspieltipp: ‘In The Wake Of You’). Der Tradition folgend übernehmen auch auf “Nivalis” alle drei Bandmitglieder Solo-Gesangparts, herausragend sind allerdings die mehrstimmigen Passagen, man fühlt sich durchaus an Crosby, Stills and Nash erinnert. In Kombination mit der rhythmische Dynamik und den aufwertenden Elementen der elektronischen Musik verleiht dieser Abwechslungsreichtum dem 46-Minuten-Werk einen hohen Unterhaltungsfaktor, besonders für Freunde geradliniger Kompositionen. Von den dreizehn Songs ist das Stück ‘Órói’ rein instrumental gehalten, ‘Þar sem enginn fer (sjálfviljugur)’ wurde auf Isländisch eingesungen. Bisher war der Anteil der Muttersprache auf den Alben der Band stets deutlich höher. Leider vermögen diese beiden Songs nicht die nordische Magie von den ersten Studioaufnahmen herüber zu retten. Visuell allerdings bringen uns Árstíðir ihre heimatlichen Inspirationen im Video zum Opener ‘While this way’ näher.
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“Nivalis” verpoppt zunehmend die gewohnten Stilelemente von Árstíðir, bildet damit aber eine harmonische Mischung zwischen Folk, Elektro, Kammer-Pop und Prog. So mancher altgedienter Fan wird den Gänsehautmomenten vergangener Zeiten nachtrauern, mancher Hörer wird das Album ungerührt nach dem ersten Anspielen weglegen, aber neue Fans eines breiteren Publikums werden sich an dem angepassten Sound erfreuen. “Nivalis” ist auf hohem Niveau eingespielt und produziert, musikalisch glatter als die Vorgängeralben, bietet aber erneut Ohrwurmpassagen und nun auch Anlass zum rhythmischen Kopfnicken. Wer für diese Musik offen ist, macht mit dem Kauf der Neuerscheinung von Árstíðir nichts falsch. Sammlern von exklusiven Vinylausgaben ist aber zur Eile geraten, die Auflagen in gold, transparent und hochwertigem Schwarz sind jeweils auf 100 bzw. 300 Stück limitiert und teilweise bereits vergriffen. Das Label Season of Mist stellt dem Hörer das komplette Album als YouTube-Stream zur Verfügung.
Bewertung: 13/15 Punkten (AD 13, GH 9, KR 11)
Surftipps zu Árstíðir:
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YouTube-Video der “Bahnhofshymne” ‘Heyr, Himna Smiður’
Konzertbericht 2013 “Wenn Árstíðir zweimal klingelt”
Review zu Hvel
Wikipedia