(46:13, CD, Eigenverlag, 2018)
Wow. Da trudelt eine Promo ein, unschuldiges Albumcover, netter Infozettel dabei, und man legt die Scheibe ein, in der Erwartung, wieder so ein „okayes“ Album besprechen zu müssen.
Und dann das. Schon allein der Opener ‘Steady Brake’ pustet ordentlich die Gehörgänge durch. Die ersten Zweifel werden aus dem Weg geräumt. Spätestens nach dem letzten Track wird klar: Das ist nicht „okay“. Das ist „geil“.
Dabei ist Amberfield eine noch junge Band, die sich erst 2014 in Neuss (Nordrhein-Westfalen) gegründet hat. „said.“ (ja, der Punkt ist Absicht) ist ihr Debutalbum, das im Juni nach langer Arbeit im Studio das Licht der Welt erblickte. Und das übrigens komplett in Eigenregie, von der Aufnahme über das Cover bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Amberfield gehören damit zu der Sorte von Bands, die sich im Selbstmanagement wohl fühlen und die damit einhergehende künstlerische Freiheit voll auskosten. Dass so etwas naiv und tollkühn ist, darüber lässt sich streiten. Amberfield jedoch ist ein Projekt von Profis – diese Selbstsicherheit spürt man nicht zuletzt auch in der Musik.
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Das Problem vieler Debütanten ist nämlich die Unfähigkeit, sich auf ein paar wenige, gute Ideen zu beschränken und so manch einen „Darling“ im Studio zu „killen“. Oft steht das eigene Ego im Weg, man scheitert an zu hoch gegriffenen Ambitionen. „said.“ hingegen ist durchgehend konzentriert, punktgenau, in den richtigen Momenten zurückhaltend, und lehnt sich ganz bewusst am modernen Progressive- bzw. Alternative-Rock-Vokabular an ohne anzubiedern. Sebastian Schleicher (Gitarre und Produktion) und Karsten Mroszczok (Keyboards), die sich für das Gros der Songs verantwortlich zeichnen, haben offensichtlich von den Großen gelernt: The Gathering (vor allem wegen der Frontfrau), Steven Wilson, Katatonia, Pain of Salvation (die Dramaturgie!), Anathema… – was sich dezent im melancholisch-aufgewühlten Bandsound niederschlägt.
Gefühlvolle, packende Hooks stehen indes im Zentrum der Songs, die von einer kompakt agierenden Band gestützt werden. Alle Aufmerksamkeit auf sich zieht dennoch Hannah Witt – die Fronfrau singt roh, emotional, ungefiltert. Was diese Frau an Versen rauspowert, ist jedes Mal eine reinste Freude. Zudem stammen die sehr persönlichen Texte ausschließlich aus ihrer Feder.
Zwei Höhepunkte sollten dabei hervorgehoben werden: Den anfangs erwähnten Einstieg ‘Steady Brake’, den man sich so von manchen, etwas eingerosteten Koryphäen der Szene wünscht; und ‘Red and White’, das offenbar mit der Beziehung zwischen Witt und ihrem Bruder aufräumt, dementsprechend endgültig und erlösend klingt, und mit einem grandiosen Höhepunkt inklusive Gitarrensolo das Album beschließt. Und dazwischen? Die nicht minder herausragenden ‘Couldn’t Care Less’, ‘Fourteen’, ‘Acardiac’ und ‘Tap the Key’, in denen sich Wut, Einfühlsamkeit und das berühmte Fünkchen Hoffnung gleichermaßen die Hand geben. Die ausgewogene, detaillierte Produktion schließlich macht „said.“ zum Dauerrotierer im CD-Schacht.
Zu bemäkeln gibt es wenig: So haben sich stellenweise ein paar Längen eingeschlichen und auch mal der eine oder andere nicht so überzeugende Übergang. Auch was das Niveau des Englischen betrifft… nun, da ist noch Luft nach oben. Dass dies den Gesamteindruck aber keineswegs trübt, spricht nur für die Band. Großartiger Geheimtipp!
Übrigens: Wenn man die Augen etwas zusammenkneift, sieht die Zwölf unten aus wie eine Dreizehn.
Zum Interview geht es hier lang.
Bewertung: 12/15 Punkten (BF 12, GH 10, KR 11)
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