(40:40/39:45, 2LP, Brain/Universal, 1982/2018)
Mit dem 1982 veröffentlichten Album “Razzia” vollzog Grobschnitt letztlich jenen Stilwechsel, der sich auf “Illegal” in gewisser Weise bereits angedeutet hatte. Die Band war sich wohl durchaus darüber bewusst, dass das Album die Fangemeinde spalten würde. Man legte aus diesem Grund großen Wert darauf, die neuen Titel in der Live-Show entsprechend zu präsentieren und die Intention zu den Songs zu verdeutlichen. Laut Beiheft der vorliegenden “Black & White Edition” soll das auch gelungen sein.
Letztlich wird aber auch auf dem 2018er Vinyl deutlich, dass man seinem Publikum einiges zumutete. Von denen in der Vergangenheit verwendeten Ingredienzien, blieb im 1982er Grobschnitt-Kosmos kaum etwas übrig. Den sakralen Sing-Sang im Eröffnungsstück ‘Wir Wollen Sterben’ mag man vielleicht ein- bis zweimal lustig finden. Aber will man sich ein solches Stück häufiger anhören?
Der auf einem rauen Gitarren-Riff aufgebaute Titelsong ‘Razzia’ ist an sich zwar gelungen, fällt aber stilistisch eher in die Kategorie ‘Faith Healer’ (Alex Harvey) oder ‘Bastard’ (Ian Hunter). Grobschnitt-Fans damit glücklich zu machen, gelang wohl nur bedingt. ‘Wir Wollen Leben’ soll unter Startbahn-West-Gegnern eine Art Kultsong gewesen sein. Der Rezensent als Mittelhesse und Zeitzeuge hat davon nichts mitbekommen. Mit ‘Poona Express’ scheitert man textlich mehr oder weniger am nonchalanten Witz von Spliff.
Man distanziert sich verbal zwar mehrfach von der Neuen Deutschen Welle, im Song ‘Der Alte Freund’ wird das sogar thematisiert. Im Rückblick jedoch, klingt die Musik häufig nach eben dieser. Einzig das auf dem Original-Album nicht verwendete Instrumenal ‘Sweetwater River’ blickt musikalisch in Richtung Grobschnitt-Vergangenheit. Es wirkt auf “Razzia” allerdings recht isoliert.
Nichtdestotrotz ist “Razzia” Erocs Lieblingsalbum von Grobschnitt. Sein O-Ton dazu:
„Mein liebstes GROBSCHNITT-Album ist„Razzia“! Ich halte es für ein mindestens ebenso wichtiges Album im Reigen der GS-Veröffentlichungen wie z.B.„Jumbo“. Und der Titelsong hat für mich bis heute keinen Funken seiner unglaublich authentischen, bedrohlichen, faszinierenden Stimmung eingebüßt. Das mag zwar zu jener Zeit für viele nicht in ihr gewohntes Grobschnitt-Bild gepasst haben, aber es war und ist ein eigenständiges, ungeheuer wertiges Bild und zieht somit durchaus auch mit„Rockpommel’s Land“ gleich.”
Im Gegensatz zur remasterten CD von 2015 bleibt die weiße Bonus-LP allein Live-Aufnahmen vorbehalten. Die Extended Version von ‘Wir Wollen Sterben’ wird vermutlich auch kaum jemand vermissen. Mit Live Versionen von ‘Mary Green’ und ‘Silent Movie’ ist man allemal besser bedient.
Unterm Strich ist “Razzia” in dieser Form für den echten Fan aufgrund des Bonus-Materials, Qualität und Umfang der Austattung durchaus eine Überlegung wert. Ein Highlight in der Diskographie der Hagener ist das Album jedoch nicht.
Keine Bewertung
Surftipps zu Grobschnitt:
Homepage
Facebook
Umusic
Interview: Lupo und Eroc zu “Solar Movie” (2016)
Interview: Lupo und Eroc zur Lebenswerkschau „79:10“ (Grobschnitt-Boxset, 2015)
Wikipedia
Wikipedia (Eroc)