(42:44, CD, Atypeek Music, 2018)
Wer auf schrägen Noise-Rock steht, kann sich in Enob nur verlieben, oder auch verlieren, je nachdem, welche Ausdrucksform man als Zeichen der Zuneigung präferiert. Das fängt ja bereits beim Lesen des Beipackzettels an. Andere Musiker würden hier vielleicht ein paar interessante Infos und Vergleiche nennen, nicht so die Vier von Enob. Nein, sie bezeichnen sich als Atome in einer Grundstruktur von Materie und man fragt sich, ob sie gerade wirklich über ihre Musik als einen biochemischen Prozess philosophieren oder ob das ein Späßchen ist. Jedenfalls wird man aus dem Text nicht schlau, außer, dass einen das Gefühl überkommt, dass man beim Anhören der CD eine kleine Überraschung erleben wird. Und das bewahrheitet sich dann auch.
Enob bezeichnen ihren Stil als “spacey/shoegazery guitars + industrial tinged textures”, wie überall, außer auf dem Promo-Zettel zu lesen ist. Musikalisch fackeln die Franzosen Art, Nico, Yakoo und Coco Cadavre nicht lange; das wird schon beim Opener deutlich. Viel Lärm, viel Wirrwarr, wobei das nur der Anfang ist. Da kommen einem Sonic Youth in den Sinn, Slint, Swans – keine leichte Kost, nichts zum Entspannen. Wenn es sich denn ergibt, dass man seinen neurotischen Anfall mit “La Fosse Aux Débiles” untermalen möchte, werden sich die Nachbarn nicht freuen. Spätestens beim zweiten Track, der das ohnehin angeknackste Eis endgültig bricht, geht es dann mit beißendem Post-Rock-Punk-No-Wave-Was-auch-immer, begleitet von gekreischtem Gesang und ganz viel Noise weiter. Stellenweise fühlt man sich bedroht und stellenweise wird man plötzlich selbst zur Bedrohung, worüber man sich kurz erschreckt, wenn der Song langsam ausklingt. Man nehme hierfür als Beispiel den Titelsong, der mit knapp anderthalb Minuten die perfekte Länge für so eine aggressive Nummer hat.
Auch ‘Chante Bébé’ zeigt, dass Wert darauf gelegt wird, nicht in vorhersehbare Muster zu verfallen. Die Betreuerin hat diesen Song zum ersten Mal gehört, als sie sich dehydriert inmitten einer Wüste wiederfand und beim Versuch, sich aufzurichten, resigniert auf den heißen Boden sank. Da war es klar: Das ist der Sommer-Soundtrack 2018! Obwohl es auch eingängigere Titel wie ‘Amour’ gibt (das ist mal ein Statement über die Liebe), so erfüllen diese ihren Zweck, indem sie den Hörer auf den nächsten Wirbelsturm vorbereiten. Zu ‘Hyper Hibou’ gibt es sogar ein Filmchen, das den oben genannten “kleinen Anfall” gut darstellt.
Hoffentlich lassen die vier Pariser sich mal wieder in Deutschland blicken! Bei dieser Musik reichen das vertraute zu Hause und die Lautstärke-Regelungen nämlich leider nicht aus, um das volle Ausmaß zu genießen. Es bleibt spannend.
Bewertung: 14/15 Punkten (KR 10, DW 14)