(45:00, LP, Sub Pop, 2018)
Loma, sowohl die Band als auch das gleichnamige Album werden vermutlich in Prog-Rock-Kreisen nicht überall auf offene Ohren treffen. Dabei offenbart das Album eine Menge mehr eigenen Charakter und Experimentierfreude, als das viele hier besprochene Werke für sich in Anspruch nehmen können.
Der immer wieder nach neuen Inspirationen suchende Jonathan Meiburg, seineszeichens Kopf der texanischen Band Shearwater, die mit Werken wie “The Golden Archipelago” oder “Palo Santo” beindruckende Indie-Post-Rock-Großtaten vollbrachten, lud im vergangenen Jahr den Tour-Support-Act Cross Record zur Kollaboration ein.
Zusammen mit Emily Cross und Dan Duzinski entstand so ein teils intimes, teils kantiges und schroffes Kleinod, das einerseits eine Reihe von Einflüssen von dem Prog-Rock nahe stehenden Interpreten aufweist, auf der anderen Seite aber eben die Underground-Attitüde des Indie-Rocks verinnerlicht hat. Meiburgs ganz offenkundige Verehrung für die späten Talk-Talk und deren Kopf Mark Hollis blitzt immer wieder auf. Auch Erinnerungen an einen, damals in den frühen Achtzigern, enorm kreativen und wagemutigen Peter Gabriel werden an etlichen Stellen wach. Und nicht zuletzt deshalb weil Shearwater in jüngerer Vergangenheit das komplette “Lodger” von David Bowie live darboten, finden sich auch dunkle mystische Bowie-Momente auf “Loma”.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Emily Cross singt Meiburgs Texte mit einer fast selbstzerstörerischen Eindringlichkeit. Letztlich blieb im Verlauf der Aufnahmen gar ihre Ehe mit Dan Duzinski auf der Strecke. Befürchtungen, dass das Album vor diesem Hintergrund vieleicht nie veröffentlicht werden würde, bewahrheiteten sich glücklicherweise nicht. Möglicherweise verursachte diese Tragik jedoch den herbstlich dunklen Klang in Dan Duzinsksis Mix, der wiederum Indie- und Post-Rock-Ohren durchaus vertraut sein dürfte. Es sind gerade die fragilen und leisen Töne, die den Hörer auf “Loma” in den Bann ziehen. Das radikal reduzierte Arrangement von ‘I Don’t Want Children’ erzeugt maximalen Fokus auf Text und Gesang. Ähnliches erzeugt ‘Sundogs’, das sich tief vor Mark Hollis‘ einzigen Soloalbum aus dem Jahr 1998 verbeugt. Keinen Ton zu viel zu spielen, ist bekanntlich eine große Kunst. Im Hintergrund hört man immer wieder Vögel zwitschern, Hunde bellen oder den Fussboden knarren. Die ganze Atmosphäre der Aufnahmesession wird mit eingefangen. Das andere Ende der Skala zeigt sich in ‘Dark Oscillations’. Der Rhythmus ist prominent, das Arrangement vielschichtig. So ähnlich klang auch Peter Gabriel auf Album 3 und 4. Einzig das stoische und als zweite Single ausgekoppelte ‘Relay Runner’ fällt mit beinahe plumper Gradlinigkeit etwas aus dem Rahmen. Das vorab veröffentlichte ‘Black Willow’ hätte hingegen auch auf Kate Bushs “Hounds Of Love” Eindruck hinterlassen.
Es zeigt sich also, dass sich Loma nicht ganz leicht kategorisieren lassen. Bringt man als Hörer die notwendige stilistische Offenheit mit, dann beschenkt einen “Loma” mit einem intensiven und individuellen Klangerlebnis. Dass diese Musik ausgerechnet in Texas entstanden ist, zeigt einmal mehr, dass die United States of A. mehr als das allgegenwärtige trump‘sche Disaster sind.
Für Vinyl-Freaks dürfte die bei Sub Pop übliche “Loser-Edition” auf transparenten Vinyl interessant sein, die allerdings in Kürze bereits vergriffen sein könnte.
Bewertung 13/15 Punkten (DH 13, KR 12)
Surftipps zu Loma: