Verstärkung durch Verstümmelung
Schon der Trailer zum Album, der mit dem überwältigenden Track ‘Overwhelming’ aufwartete, hatte beeindruckt. Obwohl nur zwei Minuten lang, aber mit einer breitwandigen Soundkulisse und einer Choreographie versehen seitens der schwedischen Butoh-Tänzerin Frauke, die aus dem Teaser ein wahres Kunstwerk macht. Das daraufhin veröffentlichte Album „Between Darkness And Light“ hielt das großzügige Versprechen, welches der Trailer lieferte, und wuchtete sich aus dem Stand zu einem der gewaltigsten PostRock-Releases des Jahres 2017 auf. Carles PD, Eloi Casellas und Eloi Roca, wir müssen reden.
Ihr kommt aus dem idyllischen Roda de Ter. Gibt es denn hier eine Art ‚Szene“ für die doch ganz spezielle Musik, wie ihr sie macht? Oder müssen wir hier einen Blick ins benachbarte Barcelona werfen?
Carles: Roda de Ter ist ein Teil der Region mit Namen Osona, der bekannt dafür ist, dass es hier schon eine Menge an Bands gibt. Ich betrachte diese Region als eine Art spanisches Umeå, dem Ort in Schweden, aus dem Bands wie Cult Of Luna, Refused und Meshuggah stammen. Aber natürlich können wir hier nicht ganz solche Formate vorweisen. Jede Stadt hat ihre Eigenheiten, aus denen sich schließlich die ‚Escena osonenca‘, die Osona Szene zusammensetzt. Die ganze Situation ist deswegen interessant, weil sich hier Musiker aller Stilrichtungen zusammenfinden und man bei den meisten Konzerten somit irgendwelche Bands sehen kann, die Pop mit Punk, Hardcore, Stoner, Prog, Indie, Folk und was auch immer kombinieren. So etwas bekommt man in unserer lokale Szene zu hören. Zwar gibt es hier keine weitere PostRock-Band mehr, aber trotzdem fühle ich mich schon wie ein Teil dieser Szene, so wie ich es mit meinen früheren Bands auch getan habe.
Eloi: Ja, das ist so. Wir haben definitiv keine PostRock- beziehungsweise Instrumentalszene hier in Roda de Ter. Aber mehr denn je ist Musik, wie fast alles andere, global, so dass hier auch Einflüsse von überallher kommen. Ich war schon immer von Musikern aller Art umgeben, also Freunden, die aus allen möglichen Stilrichtungen kommen und die mir auch geholfen haben, das zu tun, was ich jetzt tue.
BLAK? Eine spezielle Schreibweise von Black?
Eloi Casellas: Zu Schwarz hatte ich schon immer eine spezielle Neigung. Ich entdeckte die Kombination BLAK zum ersten Mal in einem Auszug aus „The Story Of Black” von John Harvey. Ich hörte Musik, schloss meine Augen und versuchte dabei, mich auf einige Details zu konzentrieren und fing an, über die Kraft des Wortes BLACK nachzudenken. Ich erkannte, dass manchmal, indem wir einen Sinn oder ein Wort verstümmeln, wir irgendwie etwas anderes verstärken. Und normalerweise verstärkt der Blick auf etwas Unvollkommenes das Empfinden, das Fühlen. Wir gehen dann in eine Art von Schwarz über und unsere Fantasie beginnt zu fließen.
War ‘Vostok’, euer Beitrag zum gleichnamigen Kurzfilm, dann auch euer erster Song?
Eloi Casellas: Ich arbeitete für den „Vostok“-Kurzfilm am Sounddesign und der Musik. Der Song war eine frühe Aufnahme von mir und ich dachte, dass es überaus cool wäre, eben diesen für den Film zu verwenden. Zur gleichen Zeit gründete ich zusammen mit Carles und Eloi Roca BLAK und ich fand es eine ziemlich gute Idee, ‘Vostok’ noch einmal als Band einzuspielen.
Wie lange hat es ge dauert, das Konzept für euer Debütalbum „Between Darkness And Light“ zu entwerfen?
Eloi Casellas: Die allererste Idee war, einen Track nach dem anderen zu schreiben und aufzunehmen. Wir wollten nicht einfach nur fünf oder sechs Songs schreiben, ins Studio gehen und ein Album veröffentlichen. Die Idee war, den wachsenden Prozess dieses Projekts auf den Songs festzuhalten. ‘Vostok’ war der erste, aber ich hatte schon eine Menge Riffs, Parts, Ideen und anderen Stuff. Die Dinge änderten sich jedoch, als wir einen Monat nach der Veröffentlichung von ‘Vostok’ eine E-Mail von Peter Pires von Elusive Sound bekamen, welcher uns fragte, ob wir nicht ein Album mit ihm veröffentlichen wollten. Für uns war das der Breaking Point. Die Jungs von Elusive Sound sind erstaunlich und haben wirklich dazu beigetragen, diese Band zu ermöglich. Und bereits sechs Monate später haben wir „Between Darkness And Light” aufnehmen können.
Eloi Roca: Peters Mail brachte bei uns wirklich alles komplett durcheinander! Wir spielten vor BLAK in verschiedenen Bands, aber wir hatten nie einen solchen Vorschlag bekommen. Und das mit nur einem einzigen veröffentlichten Song. Wir hatten geplant, dass bei der Band alles in aller Ruhe ablaufen sollte und wir uns Zeit nehmen würden. Song für Song und step by step. Aber plötzlich mussten wir das alles über den Haufen werfen und wirklich hart arbeiten! Quasi von zu Hause aus. Später setzten wir die Teile aus Fragmenten und Riffs zusammen. Jeder von uns nahm seine Parts für die Songs auf und sechs Monate später hatten wir auf diese Art und Weise „Between Darkness And Light” fertig.
Euer Video beziehungsweise der Trailer zu „Overwhelming“ ist schon überaus speziell. Existiert hier eine komplette Version und gab die hier agierende Tänzerin Frauke ihre japanisch inspirierte Performance dann nur für euren Track?
Eloi Casellas: Nein. Der japanische Regisseur Mile Nagaoka machte eine Dokumentation über die schwedische Butoh-Tänzerin Frauke. Als wir von dieser Doku den Trailer sahen dachte ich mir nur, dass ich ihn kontaktieren muss, da ich nicht damit aufhören konnte, mir unseren Track „Overwhelming“ zusammen mit dieser Tänzerin vorzustellen. Und Mile war absolut offen, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir machten sofort einen neuen Edit von diesem Song und daraufhin zusammen mit Ausschnitten aus dem Film ein wunderbares Video.
Alle eurer Tracks sind doppelt betitelt… Und warum ‚beschränkt‘ ihr euch auf ein komplett instrumentales Konzept?
Carles: Wenn ich Songs schreibe möchte ich das, was ich ausdrücken will, auf ein Minimum reduzieren. Die Titel bestehen aus Redewendungen beziehungsweise Synekdochen. Aus diesem Grund steht bei diesen Liedern das Wort allein im Mittelpunkt – der Ort, von dem aus alles kommt und alles geht. Tatsächlich mache ich das Gleiche mit Drum-Rhythmen. Deshalb findet man in jedem Song einen einfachen Rhythmus, der alles andere zusammenhält.
Eloi Casellas: Warum ‚komplett instrumental‘? Oh, das ist der schwierige Teil der Frage. Ich schätze, dass Instrumentalmusik eine Art Bedürfnis erfüllt, von allem Abstand zu nehmen. Ich liebe Musik mit Gesang, aber wenn niemand singt, werden die Noten für mich zu einer leeren Leinwand, auf welcher ich alle Arten von Bildern und Emotionen malen kann. Für mich gibt es nichts, was so emotional ist wie Instrumentalmusik.
Bislang gibt es „Between Darkness And Light“ leider nur als Download. Ist hier vielleicht irgendwann einmal Vinyl oder CD geplant?
Eloi Casellas: Yeah, Elusive Sound bereiten schon ein Vinyl Release von „Between Darkness And Light“ vor. Das wird, hoffe ich, in ein paar Wochen erscheinen. Wir freuen uns riesig darüber, weil die Platten fantastisch aussehen werden und so auch die Idee des gesamten Albumkonzepts weitergeführt wird.
Gerade in der jüngsten Vergangenheit war eure Heimat Katalonien bezüglich seiner Bemühungen um eine Unabhängigkeit von Spanien in den Schlagzeilen. Was ist hier eure eigene Meinung zu diesem Thema und ist es wirklich besser, mit Europa zu brechen?
Eloi Casellas: Nun, eine große Mehrheit der Katalanen vertrat immer die Meinung, dass sie in dieser Frage über ein Referendum abstimmen wollen. Und eben das ist der Schlüssel zu allem – die Menschen müssen das Recht haben, über so viele Themen wie möglich abzustimmen und zu entscheiden. Ich denke, wenn du verbietest, Fragen zu stellen, dann nur deshalb, weil du die Antworten fürchtest. Ich war mit meinem Vater an jenem 1. Oktober vor unserem Wahllokal. Wir sahen alle diese schrecklichen Bilder, die aus anderen Städten kamen und neben mir standen Leute, die nicht einmal wussten, was sie wählen sollten. Aber für uns alle war die Verteidigung unseres Rechts, für uns selbst zu entscheiden, viel wichtiger als das Ergebnis der Abstimmung selbst.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich speziell etwas über Europa sagen kann, aber manchmal frage ich mich doch, wenn ich die Reaktion von eben jenem ‚Europa‘ auf Katalonien und auf der anderen Seite auf beispielsweise die Flüchtlingskrise sehe, ob man hier nicht wirklich schon mit den Leuten gebrochen hat, die man repräsentieren sollte.
Mit Bands wie Toundra, Astralia, Mardemarmo, AtletA, 12Twelve, OdeOnDreams u.v.m. besitzt Spanien und vor allem Katalonien eine ganze Reihe von PostRock-Vertretern. Habt ihr Kontakt zu dieser Szene?
Carles: Wie ich bereits sagte, ich fühle mich eher als Teil einer lokalen Musikbewegung, die wenig mit Barcelona zu tun hat, die mich aber eine Menge gelehrt hat. Zum Beispiel gibt es hier ein kleines Festival namens Sant Feliu Fest, bei dem ich Bands wie Cult Of Luna, The Ocean, Celeste und Planes Mistaken For Stars entdeckt habe. Ich finde immer noch, dass eben dies das avantgardistischste Festival war, das jemals in Katalonien veranstaltet wurde. Es fand in einer kleinen Stadt an der Küste statt, die im Sommer voller Touristen war. Touristen wohlgemerkt, die diese Bands nicht kannten, obwohl sie wahrscheinlich aus ihren eigenen Ländern, wenn nicht sogar Städten kommen.
Es gab auch schöne Erfahrungen mit selbst organisierten Veranstaltungen, wie beispielsweise dem ‚L’Eclèctic‘-Festival, wo wir in einer Garage, die von Freunden von uns gemietet wurde, fast alle Arten von musikalischen Stilen aus der ganzen Welt sehen konnten. Im letzten November habe ich Berlin besucht und war dort auch im Cassiopeia, das mich ein wenig an das ‚L’Eclèctic‘ erinnert hat. Aber in unserer Gegend ist es schwierig, solche Orte zu erhalten, da unsere Gesetze hier nicht unbedingt musikfreundlich sind.
Aber für mich ist der wichtigste Teil die Menschen selbst, mit denen ich tagtäglich spreche, Menschen, die mich in der Art und Weise beeinflussen, wie ich Musik verstehe, oder die Art und Weise, wie ich mein Schlagzeug spiele.
Eloi Casellas: Ich persönlich kenne die Musiker von Exxasens sehr gut, denn wir haben uns die Bühne schon vor langer Zeit mit unseren früheren Bands geteilt. Und seit der Veröffentlichung von BLAK hatte ich die Möglichkeit, mit Leuten von Astralia ins Gespräch zu kommen. Auch die sind überaus okay.
Wie Carles schon sagte sind das Wichtigste in der Szene die Leute, um die es letztendlich auch geht. Dies ist eine Gemeinschaft von Menschen, die Musik quasi konsumieren sowie atmen. Musik ist wie eine Brücke, so dass Leute von Bands, Organisationen, Labels und Publikum etwas möglich machen, was in anderen Genres schwer vorstellbar ist.
Was liegt als nächstes bei BLAK an? Vielleicht auch einmal eine Tour durch Deutschland?
Eloi Casellas: Wir wissen nicht wirklich, was als nächstes kommt, aber das ist eigentlich auf eine Art auch aufregend. Die Dinge passieren ziemlich schnell und wir lassen es Schritt für Schritt angehen. Das nächste ist definitiv die Vinyl-Veröffentlichung von Elusive. Die Jungs von dem Label und wir haben so viel an diesem Vinyl-Release gearbeitet. Es wird auf jeden Fall auch mehr Live-Shows und neue Musik geben.