Acqua Fragile – A New Chant

(40:58, CD, Esoteric Antenna / Cherry Red, 2017)
Nicht viele Bands nehmen sich mal kurz eine Album-Auszeit von knapp 43(!) Jahren, um dann nochmals auf der progressiven Bildfläche zu erscheinen. Acqua Fragile wurden bereits 1971 von Bernardo Lanzetti im italienischen Parma gegründet, der nach einem langjährigen Aufenthalt in den USA die Band aus der Taufe hob. Nach zwei Alben, die etwas ungewöhnlich für italienische Verhältnisse mit englischsprachigem Gesang aufwarteten – dem titellosen Debüt von 1973er, sowie dem 74er Nachfolger “Mass-Media Stars” – war erst einmal Schluss, da Lanzetti die Band verließ, um für einige Zeit bei P.F.M. (“Chocolate Kings” (1975) und “Jet Lag”(1977) ) einzusteigen und anschließend eine veritable Solokarriere zu starten.

Doch nun wollen es drei rüstige Rentner der ehemaligen Besetzung anscheinend nochmals wissen und legen mit “A New Chant” ein neues Album unter dem Name Acqua Fragile vor. Neben Bernardo Lanzetti, der neben Gesang auch noch etwas akustische Gitarre beisteuert, sind mit Schlagzeuger Piero Canavera und Bassist Franz Dondi zwei ehemalige Mitglieder am Start, so dass die Verwendung des Bandnamens Acqua Fragile durchaus gerechtfertigt ist. Unterstützt wird das Trio von diversen Gastmusikern (u.a. Jonathan Mover am Schlagzeug und Glockenspiel), was für einen veritablen, gruppendynamischen Sound sorgt.

Wie bereits bei den beiden Alben aus den 70ern, setzt man dieses mal erneut auf englischsprachigen Gesang, einzig bei ‘Tu Per Lei’ greift man auf die Muttersprache zurück. Während andere Bands aus Südeuropa oftmals mit einem gewissen Akzent beim Englischen aufwarten, hat “Mecker-Stimme” Lanzetti bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass er bilingual überzeugen kann. Optisch setzt das Cover ebenfalls auf eine Fortsetzung der Vergangenheit, während musikalisch die Ausrichtung mitunter eine gewisse progressive Schlagseite erkennen lässt, aber hier keine ausschließliche, leicht modernisierte Fortsetzung der 70er im gefälligen Retro Prog Gewand zu hören ist.

So geht der lebendige Opener ‘My Fate’ mit Streicheruntermalung als anspruchsvoller, flirrender Art Rock durch, während das folgende ‘The Drowning’ mit Melancholie und Würde in Ansätzen die 70er durchscheinen lässt. ‘Wear Your Car Proudly’ wartet anschließend als Albumhighlight mit dynamischen und komplexen Wechseln auf, lässt ganz deutlich Magie, Theatralik und Schönheit progressiver Einfärbung erkennen und kann auch im instrumentalen Bereich mit Interaktion zwischen Gitarre und Keyboards überzeugen.

‘Tu Per Lei’ weist schmachtenden, dennoch unpeinlichen Schmalz und Pathos auf, wie ihn eben nur Bands aus Südeuropa präsentieren können. Der zweite Teil des Albums ist zwar mehr geprägt von sentimentalen, feierlichen Momenten, sowie nachdenklichen Stimmungen, doch das flotte, sehr druckvolle ‘All Rise’ beweist, dass man durchaus auch mal das Tempo verschärfen kann. Die Texte wurden übrigens von Peter Sinfield (u.a. Texte für King Crimson, ELP, P.F.M.) und Nick Clabburn (u.a. Steve Hackett) beigesteuert, so dass man auch hier auf eine gewisse Qualität setzt.

“A New Chant” ist keine bloße Verbeugung vor der eigenen Vergangenheit und geht mehr als teils relaxtes, teils wuchtiges, trotzdem immer gedankenvolles Alterswerk mit ansprechendem Tiefgang durch.
Bewertung: 10/15 Punkten (KR 9, KS 10)

Surftipps zu Acqua Fragile:
Cherry Red Records
Italian Prog
Prog Archives
Wikipedia (D)
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Abbildungen: Acqua Fragile / Estoeric Antenna