(44:46+43:26, 2LP, Adansonia, 2017)
Cole Porter hat es getan, Joe Jackson natürlich auch (inklusive einer graziösen Verbeugung vor sowohl Cole Porter wie auch vor New York und seiner homosexuellen Szene in den Achtzigern). Was denn getan? Die doch so sehr zusammengehörenden Unterschiede von Tag und Nacht in der Musik untersucht. Nun haben sich also die schwedischen Psychedelic (Martial) Arts-Meister des Kungens Fu in eine Meditation über dieses inspirierende Gegensatzpaar vertieft. Herausgekommen ist improvisierte Musik über ein Konzept, ein Programm-Jam sozusagen.
Die Band beschreibt ihre Musik selbst so: “Kungens Män are rooted in the psychedelic/drone rock tradition of bands such as Träd, Gräs & Stenar, but also add influences from krautrock, shoegaze, noiserock and free jazz”. Davon lässt sich auch auf “D & N” Etliches wiederfinden. Der Morgen (‘Morgonrodnad’) beginnt mit einem anständigen Morgenrot, Vogelzwitschern und geheimnisvoll lockenden Tönen, die Gustav Nygren aus seinem Saxophon zu schütteln scheint (definitiv schöner, als wenn der Nachbar sich seine Nebenhöhlen frei zu trompeten versucht). Mattias Indy Pettersson (drums) und Magnus Öhrn (bass) setzen ein – und der Tag nimmt zunächst noch behäbig an Fahrt auf.
Der sich nun entspinnenden Unterhaltung zwischen Mikael Tuominen und Hans Hjelm (guitar) zufolge scheint es ein schöner Morgen zu werden. 13 Minuten später, nun ist es wirklich ‘Dag’, und das leicht bedrohliche und fast dissonant sich ständig wiederholende Grundthema deutet an, dass der Weg zur Arbeit oder möglicherweise auch der Broterwerb selbst als nicht nur angenehm empfunden wird. Erfreulicherweise reduziert ‘Samtidigt’ (~ gleichzeitig) das Tempo wieder, auch wenn das Beseligende des Morgenrots nicht wiederkehrt und der Groove ein Treibender bleibt. Und wir Getriebene. Doch da erscheint schon der Abendstern (‘ Aftonstjärnan’), dessen Betrachtung (oder sollte es sich um Abendmahl und Party machen handeln?) sich in einer knappen Viertelstunde in kleinsten Schritten und doch körperlich spürbar immer mehr intensiviert.
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Darüber ist es ‘Natt’ geworden. Das Saxophon hat eine verführerische bis verkommen-rauchige Stimme bekommen, der Rhythmus ist wiegend, so gerade zwischen Ausruhen und Aufbrechen. ‘Månen tur och retur’ nimmt Bezug auf das Comic-Abenteuer Reiseziel Mond von Hergé. Im zweiten Drittel scheint die Reise holperig zu werden, die Verzerrungen nehmen zu, die Klangfarben werden zeitweilig deutlich schriller, psychedelischer. Mit ‘Ett tappat perspektiv’ erreicht die Nacht ihren Höhepunkt. Der Klimax folgt white noise. Und ‘Mara’. Programmierte Beats, geloopte Drones, splitteriges Gitarrenspiel zeigt, dass wir in einem Zwischenzustand festhängen, bis endlich die unheimliche Stunde des Wolfs (‘Vargtimmen’) anbricht. End- und gewissermaßen Ausgangspunkt unserer Reise durch das Stundenbuch liefert ‘Cirkeln är Slut’ (~ der Kreis ist geschlossen), dass thematisch an die Morgenstimmung anschließt, allerdings noch ohne deren Aufbruchsignale.
In Summe haben Kungens Män mit “D & N” beindruckende, dem “großen” Thema angemessene und (wohl auch wegen Erocs Mastering) hervorragend klingende Programm-Musik eingespielt. Erfreulicherweise entsprechen sich auch im Weiteren Inhalt und Form. Es gibt ja LPs, die sind so lieblos zusammengepappt, dass man sie lieber auf CD oder als Download erstanden hätte. Also praktisch alles von Grunt Records mal so als Beispiel. Und dann gibt es so etwas: Ein üppig schweres, matt laminiertes Gatefold mit zwei Wendecovern, schwarz auf weiß für die hellen, invers für die nächtlichen Stunden des Tages. Nach Entnahme der Platten aus ihren gefütterten Hüllen zeigt sich, dass dies konsequent fortgeführt wurde: Scheibe A) “Dag” steckt in einer weißen Hülle und ist auf weißem Vinyl gepresst, bei “Natt” hingegen sieht beides finster aus.
Das Sammlerherz wird es zusätzlich erfreuen, dass die ganze Pracht nur begrenzt verfügbar ist: Von der uns vorliegenden 180g-Schwarz/Weiß-Edition gibt es 350 Exemplare und von der Variante clear/white split (A/B), clear/black (C/D) nur 150 Stück. Sogar die via Kungens Ljud & Bild vertriebene CD hat eine limitierte Auflage von 500.
Bewertung: 12/15 Punkten (GH 12, KR 12)
PS: Im November habt ihr die seltene Gelegenheit, eine Kungens Fu-Demonstration in einem Dojo/Club in Eurer Nähe zu erleben – Kungens Män spielen in Lüttich, Karlsruhe, Koblenz, Plauen, Leipzig, Weimar und Berlin!
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