( 1:32:27; 3 LP; XL Recordings; 1997/2007)
“Ok Computer” eilt seit Jahren der Ruf voraus, Progressive Rock/Art-Rock 1997 im Erscheinungsjahr des Albums wieder salonfähig gemacht zu haben. Zum zwanzigsten Jubiläum dieses Werks und in einer Zeit, in der gerade Steven Wilson die britischen Charts durchmischt, scheint es durchaus angebracht, dies nochmals kritisch zu betrachten.
Fraglos wurden Radiohead vor Veröffentlichung von “Ok Computer” noch in einer Schublade zusammen mit Blur, The Verve und natürlich unvermeidbar Oasis eingeordnet. Dass Radiohead gerade Letztgenannten intellektuell entwachsen waren, konnte man schon auf “The Bends” eindrucksvoll feststellen. Mit “Ok Computer” wurde die Grenze zum so oft als verkopft verschrienen Artrock deutlich überschritten. Da Yorke & Co. allerdings Kritikerlieblinge waren, konnten eben jene Hüter des guten Geschmacks ihnen das schlecht vor die Füße werfen. Wenn Radiohead solche Haken schlug, dann war das ein Zeichen der Zeit, und man musste auch als Redakteur des “Rolling Stone” oder “Mojo” über seinen Schatten springen. Geübte Ohren hörten jedoch Parallelen zu Marillions “Brave” (1994), und auch Talk Talk hatten einige Jahre zuvor jene sperrige, düstere Seite des Prog-Mondes bereits erforscht. So gesehen darf man das Eingangsstatement zwar stehen lassen, jedoch war es weniger die Pionierarbeit als vielmehr die Attitüde der Band, die Rückendeckung der schreibenden Zunft für “Ok Computer” brachte.
Das macht das Album aber keinen Deut schlechter. Es ist ein kantiges und subtiles Meisterwerk, das nach 20 Jahren keinerlei Alterserscheinungen zeigt. Ausgehend von “Ok Computer” begann eine teils von skurrilen Experimenten geprägte Reise in allerhand musikalische Grenzbereiche. Davon, dass das eine oder andere Experiment schief geht, kann man sich auf Alben wie “Kid A”, “Amnesiac” und “Hail To The Thief” überzeugen. Zwar wurde auch diese Platten meist angestrengt euphorisch besprochen, aber seien wir ehrlich: Keine davon legt man so gerne wieder auf dem Plattenteller, wie “Ok Computer”. Letztlich hat sich der Kreis mit dem aktuellen Album “A Moon Shaped Pool” geschlossen, mit dem Radiohead sich auf die Qualitäten von “OK Computer” besannen.
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Die vorliegende 3LP-Version ist liebevoll und aufwändig gestaltet. Das Originalalbum ist auf vier LP-Seiten verteilt, die ‘ip’ ,’skip’, ‘sky’ und ‘blue’ betitelt sind. Im Original trugen sie die Namen ‘eeny’, ‘meeny’, ‘miney’ und ‘mo’. Wesentliche Klangunterschiede hört der Rezensent nicht. Das Album war schon 1997 gut produziert., da wird Remastern keine Berge versetzen. Highlights wie ‘Karma Police’ oder ‘No Surprises’ klingen intensiv wie eh und je. Das Schmankerl der neuen Version ist die dritte LP, mit den Seiten ‘who’s’ und ‘it’. Darauf sind acht B-Seiten und gleich zu Beginn drei bislang unveröffentlichte Stücke versammelt. Jetzt könnte man sagen, dass jemand, der einen Titel wie ‘Man Of War’ zwanzig Jahre in den Archiven verstauben lässt, mal ordentlich geschüttelt gehört. Aber wir wollen nicht so streng sein. Immerhin kam das Einsehen ohne vorherige Gardinenpredigt.
Dass “Ok Computer” ein Schwergewicht ist, wird dem Schallplattenfreund auch bewusst, wenn er die drei Mal 180 Gramm und die stabile Kartonhülle in Händen hält. Dieses Gefühl hatte man zuletzt bei einer alten Ausgabe von “Yessongs”. Die schweren Scheiben sind fein gepresst und hat man sie bei JPC bestellt, dann erstrahlen allesamt in leuchtendem Blau. Ein Download Code für polyglotte Outdoor-Progger liegt ebenfalls bei, was das Paket angenehm abrundet. Dass das Abdrucken von Texten auf den Covers noch nie die Stärke von Radiohead war, dürfte hinlänglich bekannt sein. Aber macht nichts – Thom Yorke nuschelt ja nicht so, wie Steve Hogarth.
Bewertung 12/15 Punkten (DH 12, KS 12)
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