Night of the Prog 2017, Tag 2: Samstag, 15. Juli
Den Festivalsamstag durften drei Bands aus deutschen Landen eröffnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Eyevory waren optisch sicherlich die auffälligste Band des Festivals, doch ihre Piratenkostüme und der leicht keltisch angehauchte Rock mit wenig bis gar keinem Progfaktor wären auf der überall beworbenen Celtic Rock Nacht besser aufgehoben gewesen. Und wenn man schon eine Querflöte dabei hat, braucht man eigentlich keine mehr vom Band, sollte man meinen, oder?
Sei’s drum, die folgenden Ashby präsentierten sich um Klassen besser. Episch und heavy, Bengalisches Feuer passend zu Haarfarbe von Sängerin Sabina, druckvoller Sound und sympathische Ansagen: Die umtriebige Band aus NRW erwies sich in allen Punkten als würdig und hatte sich diesen Spot auf dem Felsen wirklich redlich verdient.
Ganz anders Karibow, die mit ihrem leicht prätentiösen Fahrstuhl-Prog zwischen Langeweile und Fremdschäm-Alarm hin und her pendelte. Ein klarer Fall für zu hohen Anspruch, der in nichtssagenden Kompositionen und einem zahnlosen Sound sang und klanglos unterging.
Die schottischen Neoprog-Veteranen von der Comedy of Errors präsentierten dann einen runderen Sound, der wenigstens mit einem wunderbar präsenten Bass glänzen konnte (wie es sich für Neoprog ja auch gehört). Doch letztendlich plätscherte auch deren Auftritt recht unspektakulär dahin – trotz eines Ausflugs ins Publikum von Sänger Joe Cairney.
David Cross legte dann mit seiner Band einen fulminanten Auftritt und die Überraschung des Festivals aufs Parkett. Mit einem bunten Strauß kaum bekannter Solo-Kompositionen eröffnete er furios mit so nicht erwarteter Härte, die sich teilweise fast schon am Rande von Progmetal bewegte. Doch trotz aller Heavyness, die Mitmusiker des einstigen King Crimson-Geigers zeigten sich ausnahmlos virtuos und hatten vor allem auch sichtlich Spaß in den Backen. Allen voran der neue Star am Drummer-Himmel, Craig Blundell, der sich wirklich in die ersten Reihen der Prog-Drummer getrommelt hat, seit er die Stöcke von Marco Minnemann in Steven Wilsons Soloband übernahm.
Als Special Guest und langjähriger Freund von David Cross war der ebenso sympathische Saxophonist David Jackson von den fast ebenso legendären Van der Graaf Generator mit dabei. Er bewies einmal mehr, dass er unvorbereitete Zuschauer mit seinem simultanen Doppel-Saxophonspiel nach wie vor zum Staunen bringen kann. So führten die beiden Altmeister mit britischem Humor und der einen oder anderen Anekdote durch ein kurzweiliges Set, das unausweichlich auf ein paar (Crimson-)Klassiker zusteuerte.
‘Exiles’ und ‘Theme One’ (Van der Graaf Generator) konnten trotz großer Klasse dem folgenden, alles überstrahlenden ‘Starless’ nicht das Wasser reichen. Sänger Jinian Wilde packte die ganz großen Emotionen aus, und diese eine Melodie gehört eh mit zum Schönsten, was jemals komponiert wurde. Die ’21st Century Schizoid Man’-Zugabe fiel dann wieder eher trivial aus, nach den vorangegangenen überwältigenden Gefühlen. Andererseits war es vielleicht ganz gut, wieder zurück ins Hier und Jetzt geholt zu werden. Ein phänomenaler Auftritt.
Den konnte der nachfolgende Ray Wilson, der ja auch mal eine Zeitlang bei einer der ganz großen Progbands war und seitdem hauptsächlich davon zehrt, nicht toppen. Aber die Hitdichte trieb er spielend nach oben. Vom Beginn mit ‘No Son of Mine’ über ‘Follow You Follow Me’ und die ‘Carpet Crawlers’ bis hin zum abschließenden ‘Mama’, das seine hypnotische Wirkung nicht verloren hat, legte er einen überzeugenden, professionellen Auftritt hin. Der mitten hinein gestreute Titelsong seiner aktuellen Soloplatte ‘Makes Me Think of Home’ wirkte nicht deplatziert, sondern fügte sich nahtlos ins Gesamtbild ein, und Gitarrist Ali Ferguson durfte seinem Talent mit einem wunderschönen, Gilmour-esquen Solo freien Lauf lassen.
Der keyboardlastige Sound war laut und druckvoll, aber nicht zu laut. Wozu man aber drei Gitarren braucht, wenn man meist eh nur eine hört, bleibt ein Rätsel. Zum Abschluss gab’s noch Peter Gabriels Evergreen ‘Solsbury Hill’ zum Mitsingen und -klatschen, wahrscheinlich der einzige große Hit in 7/8 der Musikgeschichte.
Doch nach zwei Coverband-Mogelpackungen, die ihre Sache gut bis ausgezeichnet machten, jedoch letzten Endes trotzdem nicht den ‘Real deal’ boten, war es dann an der Zeit für die richtigen Großmeister, die Hohepriester des Progressive Rock: Yes! Auch hier muss man der Fairness halber erwähnen, dass sich gerade zwei Bands den Namen streitig machen. Die eine um das einzig verbliebene Originalmitglied, Sänger Jon Anderson, die andere um Gitarrist Steve Howe, der immerhin erstmals 1970 zur Truppe stieß. Doch darum sollte es an diesem Abend nicht gehen. An diesem Abend gab es nur eine Band, die zählte. Sie bestand neben Jon Anderson aus Keyboard-Guru Rick Wakeman, Gitarrist Trevor Rabin und den beiden jungen Aushilfen Lee Pomeroy am Bass und Louis Molino III an den Drums.
Als die drei Altstars, die im Mittelpunkt der Show stehen sollten, bei gedimmtem Licht zum epischen Intro die Bühne betraten und sich erstmal in der Mitte für ausgiebiege Umarmungen trafen, war sofort klar, dass dies kein gesetzter Altherrenabend werden würde und dass diese erstaunliche Reunion der drei nicht aus monetären Gründen erfolgte. Was geboten wurde, war ganz ganz großes Kino, auch für Spätgeborene wie den anwesenden Betreuer, die nicht jedes einzelne Lied (er)kannten.
Die Spielfreude der drei Meister kannte keine Grenzen, Mr. Anderson war stimmlich phänomenal aufgelegt, Trevor Rabin ist ein großartiger Gitarrist, und Rick Wakeman versprühte in seinem Merlin-Mantel hinter der Keyboardburg pure Magie. Deren Einfahrt hatte während der Umbaupause ungefähr so ein Raunen verursacht, wie ein paar Jahre zuvor das riesige Drumkit Mike Mangini‘s. Mit Lee Pomeroy hätten sie zudem keinen Besseren dafür verpflichten können, dem verstorbenen großen Chris Squire Ehre zu erweisen, das bewies er mit Bravour, nicht nur bei seinem extended Intro zu ‘Heart of the Sunrise’. Auch wenn er den einzigartigen Squire-Sound nicht hundertprozentig treffen konnte, machte er dieses Manko doch locker durch, ja auch hier wieder, eine unbändige Spielfreude wett. Louis Molino sorgte für ein sicheres Fundament, auf dem die restlichen Vier zusammen eine einzigartige Magie entfalten konnten. So fand ein Tag, der durchwachsen begonnen hatte, zu einem mehr als versöhnlichen Ende.
Surftipps zum Night of the Prog Festival:
Festivalbericht zum 1. Tag, Freitag 14.07.
Festivalbericht zum 3. Tag, Sonntag 16.07.
WIV Entertainment (Veranstalter)
Karibow
Comedy of Errors
David Cross Band
Ray Wilson