Lubomyr Melnyk – Illirion
(57:54; 2 LP, Sony Music/Sounds Of Subterrania!, 2016/2017)
Huch, was ist das denn: Neoklassik, hier? Hm. Der Slogan „The Prophet of the Piano“ und Longtracks bis über 16 Minuten Spielzeit lassen Progger neugierig werden. Also mal reinhören.
Wer ist dieser Lubomyr Melnyk? In München als Kind ukrainischer Eltern geboren, lebte er lange in Kanada, studierte auch Philosophie, arbeitete u.a. in Frankreich und wohnt heute in Schweden. Über 120 Werke für Klavier gibt es aus seiner Feder, dementsprechend ist die Diskographie schon recht umfangreich. Melnyk selbst bezeichnet seine Musik als im „Continuous Mode“.
“Illirion” besteht aus fünf Stücken, die mit dem Begriff „Fantasien“ vielleicht am besten beschrieben sind. Jedes verfolgt einen Grundgedanken, der vom Künstler durchdacht, durchgespielt, variiert, paraphrasiert und dementsprechend laufend wieder aufgegriffen wird – leitmotivisch, aber alles andere als gleichförmig. Dabei geht es mal um einen abstrakten Begriff wie die Romantik, mal um einen mentalen Zustand wie Einsamkeit, oder auch um etwas naturnahes wie eine Wolke oder einen Sonnenuntergang. Hierbei treffen der Minimal Music nahekommende repetitive Sequenzen auf eine der Spätromantik entlehnte Gefühlswelt. Beides in stetig neu moduliertem, perlend dynamischen Musikfluss dahintreibend und miteinander verwoben.
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Lubomyr Melnyk führt einfühlsam, teils geradezu zärtlich, aber bei aller Improvisation immer zielstrebig und hoch virtuos durch seine Kompositionen. Der Hörer kann den Gedanken und Interpretationen des Musikers folgen, oder auch eigener Fantasie entspringende Bilder im Kopf entstehen lassen. Reine Programmusik ist das also bei weitem nicht. Mechanistische Analyse wird ihr wohl auch weniger gerecht als das empathische Mitempfinden, zu dem sie jeden verführt, der solche Saiten in sich schwingen lassen mag. “Illirion” kommt in Ansätzen dem Postrock und sicherlich dem Ambient nahe, von Fahrstuhlmusik hält es gehörigen Abstand.
Wer mit Fréderic Chopin, Philip Glass, Brian Eno oder auch Keith Jarrett etwas anfangen kann, dem dürfte eine Reise durch die Klangwelten von “Illirion” Freude bereiten. Zu Herzen Gehendes enthält Lubomyr Melnyks Musik allemal reichlich. Sie entzieht sich einer Punktebewertung aus Progger-Sicht, verdient aber eindeutig das Prädikat “hörenswert”.
Ohne Bewertung
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