Cuong Vu 4tet – Ballet

Cuong Vu - Ballet - Rare Noise Records 2017 Frontcover(41:59, CD, Rare Noise Records, 2017)
Kurz und gut! Wie die Spielzeit dieser CD muss auch deren Rezension ausfallen, denn bereits in wenigen Sätzen ist gesagt, dass diese Musik nicht nur essentiell für hoch fidele Nassabspieler, sondern für alle musikalisch hinter den Ohren Trockenen ist, die sich weigern, in ewig regressivem Wahn die Tonträger in Großvaters Prog Rock-Plattenregal so platt zu hören, dass es sich gewaschen hat und keine Rillen in denselben mehr erkennbar sind. Außerdem ist diese Musik ein Lehrstück für alle Instrumental-Prog-Musiker, die meinen, sie wüssten, wie man Jazzeinflüsse in Weichspül-Fahrstuhl-Prog einbaut und die aus diesem Grund alte Fusion-Platten auf solch platte Weise kopieren, dass sogar dem letzten Hörer klar bewusst wird, um wie viel besser die Originale als die modernen Plagiate sind. (Für etwaig neue Proglinge auf diesem Kanal sei als gelungenes Beispiel für einen Fusion-Prog-Mix der Rundling “Unfold The Future“ der Flower Kings erwähnt, wobei diese Scheibe sogar Gesang enthält.)

Mit dem Album „Ballet“ wird übrigens dem Jazzmusiker, Komponisten und Arrangeur Michael Gibbs ein akustisches Denkmal gesetzt. Gibbs hatte bereits Anfang der 1960er Jahre Jazz und Rock fusioniert und gilt nicht nur aus dem Grund als musikalischer Visionär.

Cuong Vu an der Trompete glänzt einmal mehr als brillanter Techniker; improvisierte Phrasen schlängeln sich durch komponierte Phasen und veranlassen die Schlangen zu einer Phasenverschiebung, indem diese in ihren Sinusbewegungen quasi aus dem Tritt gebracht werden bzw. ihr Kriechen in dysrhythmischer Weise diverse Modifikationen erfährt. Dazu liefert die Rhythmusgruppe, bestehend aus Luke Bergman (Bass) und Ted Poor (Schlagzeug), flirrende, mitunter sogar lustig-luftige Grooves, ist aber an entsprechender Stelle nicht abgeneigt, dem Hörer einen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen. Durch Bill Frisells Gitarrenspiel mutieren manche Stücke gar zum Free Rock bzw. erinnern im Zuckerwatte-Modus dezent an U2 oder an Big Country; andere Kompositionen kommen mit boppigem, aber niemals bockigem Charme daher und sind auch für hart gekochte Eierköpfe gut hörbar.

Immer wieder blitzen schöne, gelegentlich auch schnöde Unisono-Passagen aus dem Uneinheitsbrei hervor. Summa summarum lässt sich feststellen, dass es sich bei dieser Aufnahme um hohe Ton-Kunst handelt. Zwar gibt es durchaus ähnlich klingende Werke, aber kein mir bekanntes weiß eine solche Tiefenentspannung zu erzeugen, wobei der Spannungsbogen niemals verloren geht.
Bewertung: 12/15 Punkten (FB 12, KR 10)

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