Rockaue, 08.07.17, Bonn, Rheinauen

Zwölf Stunden im (Rock-)Auenland

Wenn man sich sonst in die Rheinauen begibt – wenn man so will das Auenland Bonns -, dann um in der schönen Location am Rhein der Natur näher zu kommen, sich im Sommer auf die Wiesen zu fläzen, zu grillen, Rad zu fahren, oder den monatlich stattfindenden Flohmarkt zu besuchen. Diesmal ist das weitläufige grüne Areal allerdings Spielwiese für das eintägige Festival Rockaue.

Der Nachfolger der legendären RhEINKULTUR findet dieses Jahr zum dritten Mal statt, es bietet für relativ kleines Geld ein beeindruckendes Line-up. Als wir mittags ankommen, brennt die Sonne bereits auf die Köpfe der ersten Festivalbesucher nieder. Das Wetter könnte nicht besser sein – wobei es eigentlich fast zu heiß ist. Vielleicht füllt sich das Gelände deshalb erst gegen Abend, und auch dann nur teilweise.

Drei Bühnen gibt es (Talent Stage, Main Stage, Rock’n’Heavy Stage), eine Sports&Fun-Area mit Halfpipe und eine bunte Auswahl an diversen Essensständen. Dazu alle paar Meter ein Bierstand und Wasser umsonst zum Selbstabfüllen. Was das angeht, ist also schon mal bestens für alle gesorgt. Erster Halt für uns: Die Rock’n’Heavy Stage, wo Steorrah sich gerade warmspielen. Die Bonner Band bietet eine Stilmischung des Progressive Rock, bei der gegrowlte Death Metal-Passagen auf jazzige sanfte Melodien treffen. All das spielerisch virtuos vorgetragen, auch hier vor diesem etwas kleinen Publikum, welches die Band aber umso mehr feiert. Die Band hat bereits einen Ruf außerhalb Bonns erworben, und immer wieder wird ihnen eine Nähe zu den frühen Opeth bescheinigt – ein Vergleich, dem man durchaus zustimmen könnte. Und auch den jüngsten Fans hat es gefallen. Für uns auf jeden Fall der perfekte Start in das Festival!

Von da aus ging es zur Main Stage, auf der gerade das Percussion-Arsenal der hier allseits beliebten The Picturebooks aufgefahren wurde. Die beiden Gütersloher Jungs Fynn Claus Grabke und Philipp Mirtschink haben ihre ganz eigene Art des Alternative Rocks, die vor allem live funktioniert. Dabei erleben wir Fynn an der Gitarre und am Gesang und Philipp an einem selbst zusammengestellten und wahrscheinlich selbst gebauten Schlagwerk. Dieses bearbeitete er teils mit normalen Sticks, meistens mit Paukenschlägeln (vor allem die beiden tiefen Toms) und oft spielte er mit einer Hand eine Art Schellenkranz – eine Art, weil es kein Kranz, sondern eher eine Waffe war, wie ein Morgenstern, von dem man nicht gerne umgehauen werden wollte. Er selbst schleuderte ihn so ausladend hin und her, dass man Angst hatte, er würde sich verletzen – das Ganze kam der Vorstellung einer knappen Selbstkasteiung nahe. Für die Schlagzeuger im Publikum war es auch schwer, herauszufinden, ob er Rechts- oder Linkshänder war, und wie Fynn feststellte: “Das ist der teuerste Schlagzeuger der Welt, der macht bis zu fünf Sets pro Tour kaputt.”

Das Duo ließ auf jeden Fall keine Mitmusiker vermissen. Seine Mischung aus psychedelischen Gitarrensounds, Texten mit The Smiths-Einwürfen und Tribal-Drums war einnehmend und gleichzeitig anregend. Die Menge feierte es ab, die Band erzählte von ihren Auftritten auf der ganzen Welt, und man nimmt ihnen die Roadmovie-Attitüde und die Biker-Romantik ohne Zweifel ab. Ihr Auftritt war auf jeden Fall eines der Highlights des Festivals. Am Bühnenrand stand übrigens Dorian Sorriaux, seines Zeichens Gitarren-Wunderkind bei den Blues Pills, und schaute sich beim Mittagessen den Auftritt der zwei an. Zu den Pillen aber später mehr.

Der Terminplan ließ nun etwas Zeit zum Schlendern, Konsumieren und Unterhalten, und gegen 16 Uhr schlug dann Vola auf der Rock’n’Heavy Stage auf. Die Dänen haben letztes Jahr ihr Debütalbum herausgebracht, das wegen seiner Mischung aus heavy und melancholisch mit Referenzen an andere Bands schon auf dem Album-Sticker nur so zugeschüttet wurde. Auf jeden Fall kommen hier heftige Gitarrenriffs mit einer groovenden polyrhythmischen Rhythmusgruppe, entspannten elektronischen Keyboardklängen und ebenso ruhigen Vocals zusammen. Eine interessante Mischung, leider jedoch gab es während des Sets technische Probleme mit den Synthesizern (bzw. das Macbook des Keyboarders verk***te aufgrund der Hitze und ließ sich erst nach quälend langen Minuten wiederbeleben; Klaus).

Weiter abgelenkt wurde das Publikum dadurch, dass die Feuerwehr es sich zur Aufgabe gemacht hatte, während jedes Auftrittes neben der Bühne einmal eine dringend nötige und erfrischende Abkühlung per Wasserschlauch zu liefern. Die Menge freute es, links vor der Heavy Stage bildete sich ein kleines Feuchtbiotop, ein Matschpit quasi, in den sich prompt mehrere Leute hineinwarfen. Manche von ihnen komplett nackt. Mehr Festivalfeeling geht kaum!

Guten Pflug auf der RockAue 2017 #RA17

Der Rezensent eilte jedoch noch während des Vola-Auftrittes zum Stand eines anderen vor Ort arbeitenden Rockmagazins, das auf einem klitzekleinen Aushang Autogrammstunden mit einigen der auftretenden Bands anbot. Dieser Aushang war aber wirklich nur zu sehen, wenn man genau hinguckte, und da sonst nirgendwo Werbung gemacht wurde, standen dann leider auch nur etwa zwanzig bis dreißig Leute bei den um halb fünf anfangenden Blues Pills in der Schlange.

So war die Band dann auch noch zehn Minuten schon fertig und verteilte sich wieder über das Gelände. Dabei fiel auf, dass ich während des Festivals schon mehrfach Elin über den Weg gelaufen war, ja, sogar neben ihr gestanden hatte, ohne sie mit Hut und Sonnenbrille zu erkennen. Oder wie ein Festivalbesucher während der Autogrammstunde” fragte: “Haben die eine andere Sängerin?” “Nein, ist dieselbe wie immer.” “Sieht so anders aus.” “Warte, bis du sie später auf der Bühne siehst, da wirst du sie erkennen.” So war es dann auch, dazu später mehr. Manch einer sprach gar von Entzauberung? Vielleicht.

Vor der Main Stage wurde zu Skinny Lister ziemlich abgegangen, danach trat in der strahlenden Spätnachmittagssonne Kyle Gass, die andere Hälfte von Tenacious D, mit seinen Dudes auf. Vorher wurde aber noch – auf eindringlichen Wunsch von Kyle – ein kleiner Auftritt vom amtierenden deutschen Meister der Luftgitarre hingelegt. Wie manch einer nach ein paar Minuten ausdrückte: “Man sollte es nicht übertreiben, das verliert schnell den Reiz.” Die Band selbst war solide und spielte Tenacious D-ähnliche Musik mit Anleihen an Stadionrock, die aber nicht so ganz zünden wollte. Dafür gab es teilweise gewohnt witzige Texte (Bro-Code) und gute Musiker.

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Danach ein kurzer Abstecher zu Any Given Day, die für ordentlich Stimmung inklusive Moshen und Circlepits vor der mittlerweile vollen Heavy Stage sorgten, bevor um 19 Uhr die Blues Pills auf der Mainstage loslegten. Wie beschrieben, kam Elin unter tosendem Applaus im kurzen Schwarzen auf die Bühne und war wieder so hinreißend wie eh und je – wunderschön, aber leider wohl nicht gut bei Stimme. Dies schlug sich beim Singen jedoch nicht nieder, sondern nur wenn sie zwischen den Songs sprach. Sie war heiser, ihre Stimme brach weg, sie wirkte frustriert. Das führte unvermeidlich dazu, dass sie nach etwa einer halben Stunde ankündigte, nicht mehr singen zu können. Die Band spielten noch einwandfrei ‘High Class Woman’, danach ging sie niedergeschlagen von der Bühne. Den Fans machte es jedoch nichts  aus, der Funke war übergesprungen und sie jubelten.

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Hiermit war dann auch der “progressive” Anteil des reichhaltigen, allerdings heuer recht konsequent auf “Rock” gebürsteten Festivalprogramms gelaufen. Durch das verkürzte Set der Schweden wurden auf der Mainstage alle folgenden Auftritte etwa eine halbe Stunde nach vorne gezogen. Danko Jones sorgten mit ihrem Bluesrock für unglaublich gute Laune vor und auch auf der Bühne, und nachdem die ehrenamtlichen Veranstalter und Helfer einmal für Gruppenfoto und Applaus auf die Bühne kamen, feuerte (im wahrsten Sinne des Wortes) der Headliner In Extremo (das erste Mal in Bonn) eine tolle Liveperformance ab, mit viel Pyroeinsatz à la Rammstein.

Hier war es auch am vollsten, die Menge sang, schunkelte und gröhlte Lieder wie ‘Feuertaufe’, ‘Störtebeker’, ‘Sternhagelvoll’ (auch nachdem das Lied schon vorbei war), ‘Küss Mich’ und zum Abschluss ‘Pixe Palve’ mit. Auf der Heavy Stage sorgten währenddessen Massendefekt und vor allem die Metalcorer von Callejon für Partystimmung. Vor allem Letztere brachten mit ihren deutschen Text zu harten Riffs und manchem Cover (‘Schwule Mädchen’) die Menge zum Kochen. Da wir ja aber BetreutesProggen heißen, gibt es dazu nur noch einen bunten Bilderbogen.


(Danko Jones)


(Danko Jones)


(In Extremo)


(In Extremo)


(Callejon)


(Callejon)


(Callejon)


(In Extremo)

Nach zwölf Stunden Vollbedienung und Totalbetreuung war das Festival schließlich vorbei. Hervorzuheben ist neben der reibungslosen Organisation der durchgehend tolle Sound vor allen Bühnen. Die idyllische, großzügige und herrlich grüne Location tut ihr übriges dazu, die Bandauswahl war klasse, das Essen-Trinken-und-generell-Kaufen-Angebot vielfältig und das Wetter grandios. Leider waren nur zwischen zehn- und fünftausend statt der erhofften 15.000 Fans in die Rheinauen gekommen. Hoffentlich wenigstens genug, dass es nächstes Jahr eine vierte Rockaue geben kann!

Fotos:
2-15 – Klaus Reckert
1, 21-30 – Phillip Röttgers
16-20 – Andrew Ilms

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