Nach dem Ende von Deadsoul Tribe wandte sich Devon Graves vor ein paar Jahren seinen Wurzeln zu. Er versammelte Psychotic Waltz wieder um sich, um mit Symphony X zu touren. Wir waren begeistert, aber ob der darauffolgenden Stille recht enttäuscht. Nun meldeten sich die Geheimtipp-Progger der Neunziger wieder zur Tour.
Deshalb war es trotz des eben hereinbrechenden Supersommers unmöglich, dem Drang zum Biergartenbesuch nachzugeben. Trotz der 30 Grad, die abends immer noch in München herrschten, folgten dem Ruf von Psychotic Waltz erstaunlich viele Fans.
Den Auftakt im gut gefüllten und hocherhitzten Backstage Club machten die Nordlichter Bleeding, die sich während eines Psychotic-Waltz- Konzerts formiert haben, wie der Sänger in einer Spielpause kundtat. Nur leider, leider ist es nicht möglich zu berichten, wie sie spielten. Und man kann noch nicht mal den Stil der Band beschreiben, lediglich dass es irgendwas mit Gitarrenriffs zu tun hat. Denn, so absurd das klingen mag, man hat bei einem Durchschnittspegel von 100 dB nichts gehört.
Wirklich, außer dem Schlagzeug konnte man nichts wahrnehmen. Nun sind ja Metal hassende Tonmeister nichts neues, aber dieser hier hatte ganz offensichtlich mit der Band ein Hühnchen zu rupfen. Gitarren und Bass konnte man ganz verhalten als Klangwölkchen hinter den Drums erahnen, und das Gesangsmikro war einfach zu. Dadurch konnte man nicht mal den Schlagzeuger beurteilen, denn man wusste ja nicht, zu welcher Musik er spielte. So dauerte es nicht lange, bis man sich draußen an der frischen, nicht ganz so heißen Luft wiederfand, und sich darüber freute, dass die Münchener Prog-Gemeinde langsam immer weiter wächst.
Psychotic Waltz mussten dann vor halb leerer Halle beginnen, aber es füllte sich recht schnell. Gleich mit dem ersten Song brach Enthusiasmus aus, und die Fans gaben alles, um die eigenwilligste aller Metalbands der Neunziger zu feiern.
Die Herren Graves und Rock machten es aber auch recht einfach, indem sie mit ihrer Songauswahl, die sich auf die eingängigsten Tracks beschränkte, auf Nummer sicher gingen. Was aber okay war, denn die Party kochte von Anfang bis Ende und die Stimmung auf und vor der Bühne war unglaublich gut. So reichte schon eine einzige siegessichere, ja, fast überhebliche Geste des Stimmbandwunders, um Begeisterungsstürme auszulösen.
Aber perfekt war der Abend trotzdem bei weitem nicht. So wurde der Sound zwar deutlich besser, was nun wirklich keine Kunst ist, aber er blieb immer noch weit davon entfernt, akzeptabel zu sein. Zwar konnte man inzwischen alle hören, aber das war’s dann schon. Die drei Saiteninstrumente bildeten einen rechten Soundbrei und die wunderbaren Spielereien der beiden Gitarristengingen gingen größtenteils unter.
Das ging so weit, dass man die meisten der Solo-wechsel-dich-Spielchen von Dan Rock und Brian McAlpin nicht verfolgen konnte, aber auch die schönen Unisono-Teile untergingen. Nur Buddy Lackey war gut zu hören, und das war schon beeindruckend. Er wagte sich zurück in seinem frühen Stil, der das leicht hysterische Timbre Ozzy Osbournes spiegelt. Ein Stil, der viel Kraft abverlangt. Man fragte sich manchmal, wie er es in seinem Alter noch schafft das alles so zu singen, vor allem die hohen Noten.
Aber diese Frage sollte beantwortet werden. Denn wenn mehrmals am Abend das Mikro während einer Liedzeile auf Hüfthöhe gesenkt wird, sich am Gesang aber so gar nichts ändert, hat das wohl kaum noch was mit Stimmakrobatik zu tun. Die Fanboys aus der ersten Reihe später zu fragen, brachte nicht viel Auflösung, denn die Aussagen “Gesang hat man da gar nicht gehört” und “wunderbar, diesen Mann so unmittelbar zu hören” aus dem selben Mund, machen nicht schlauer.
So bleibt im Dunkel, wie viel Playback-Anteil geboten wurde. Immerhin einen neuen Song durften wir hören, der sich wunderbar in die Tradition der Band füht, und eine klasse Party war es allemal. Es war einer jener seltenen Abende, die eine Mitternachtsdusche notwendig machen. Wenn auch eher wetterbedingt.
Fotos: Monika Baus
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