(53:44, CD, Progressive Promotion Records/Amazon, 2017)
Wer soll all die gute Musik hören, die innerhalb der vergangenen Jahre in immer umfangreicherem Maße veröffentlicht wird? In diesem Fall ist die Zielgruppe klar: Alle Freunde stringent und gleichwohl komplex komponierter und virtuos gespielter, instrumentaler und zu keiner Zeit kalter Fusions-Musik – die tonale Inzest-Bande a la Liquid Tension Experiment, Bozzio Levin Stevens, Planet X, On the Virg, Levin Minnemann Rudess oder Rudess Morgenstein Project lässt lässig grüßen – werden diese Klang-Perlen vor den Säuen fressen. Äußerst erfreut kann in diesem Kontext festgestellt werden, dass derlei Musik von solch hohem Niveau frei nach Frank Gambale nicht unbedingt aus Foreign Countries kommen muss, sondern auch in diesem unserem Lande zusammengezimmert werden kann, wobei hier, wie bereits erwähnt, kein einziger Takt nach einer unkoordinierten Patchwork-Identität klingt und darüber hinaus völlig einerlei ist, wer Zar und wer Zimmermann ist.
Allerdings haben Hanspeter Hess (Keyboards und Programming), Chris Grundmann (Keyboards, Gitarre, Bassgitarre und Programming), Dominik Wimmer (Schlagzeug) und Markus Roth (Keyboards, Gitarre, Bassgitarre und Programming) mit dem flüssigen Druckexperiment auf dem Würg, der auch als Planet Ixgitt bezeichnet wird, gewissermaßen die inzestuöse Komponente gemein; sie alle halfen sich bereits gegenseitig bei ihren regulären Bandprojekten The Healing Road, Sweety Chicky Jam, Cynity, Marquette und Horizontal Ascension aus und schlossen sich für diese Aufnahmen zu einem lupenreinen Prozest zusammen, um ihren Protest gegen den gruppen-statischen Prozess in gemeinen Rock-Bands zum Ausdruck zu bringen. Als musikalische Gäste sind übrigens Matthias Klingner (Bassgitarre) und Claus Flittiger (Gitarre) auf diversen Stücken zu hören.
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Die genannten sechs Musiker veranstalten im Rahmen der auf dieser Aufnahme vorliegenden neun kraftstrotzenden Stücke aufgrund des häufigen Verwendens von Vox-Humana-Passagen und vordergründig erscheinenden Motiven, die sie allerdings gekonnt variieren, ein Spiel mit dem kalkuliertem Risiko des Sitzens zwischen den Stühlen, das sie allerdings zu jeder Zeit beherrschen, ohne ein Voranschreiten der Langeweile zu forcieren; man kann Force Of Progress durchaus als die AOR-Variante der Instrumentalfrickelfraktion bezeichnen. Das ist eine extra Klasse, die somit selbst von Brainonauten oder Oddtimern weder als Fopp noch als Nepp bezeichnet werden kann. Ähnlich wie bei den Italienern Goblin erinnern die Stücke von FOP überdies oftmals an Filmmusik bzw. die FOP-Musik lässt Bilder im Kopf entstehen, die an Filme erinnern. Mal ist es das Bild einer Achterbahnfahrt durch die Geisterbahn, mal das eines Flusses, der mit verschiedenen Geschwindigkeiten durch unterschiedliche Geländeformen fließt. Dabei reichen die verwendeten Kompositionselemente von riffig-hartem Rock bis hin zu Oldfield-inspirierter Musik. (Vielleicht taucht ja schon bald der erste Filmschaffende zwecks entsprechender Vertragsverhandlungsführung im Projektraum der Band auf.) Abzug in der B-Notung gibt es allerdings aufgrund des widerlich antistepptischen Elektronik-Schlagzeugs – brrr!!! Wenn jemand so gut wie Dominik trommelt, muss er sich nicht hinter aufgepopptem Soundbrei, den selbst von exzessivem Methanolkonsum erblindets Federvieh noch findet, verstecken. Bitte nächstes Mal beim Einspielen des Schlagzeugs an Ana denken, die log, dass sich der Heilsweg beim horizontalem Aufstieg vor zynisch-süßlichem Hühner-Lachen zum Sonnen-Kreise bog. Damit ist Pi = 4 und 1 + 1 = 3; noch Fragen?!
Bewertung: 12/15 Punkten (FB 12, KR 11)
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YouTube (Hanspeter Hess)
Ein Kommentar
Vielen Dank für das tolle Review.