Plini, DispersE, David Maxim Micic, 29.03.2017, München, Backstage
Letzten Sommer war diese Truppe schon mal auf Tour, allerdings in einer etwas anderen Konstellation und über zwei Tage verteilt zu sehen auf Münchens Free And Easy Festival, mit ziemlich “deftigem” Rahmenprogramm, wenn man so will. Umso reizvoller war natürlich das aktuelle Tour-Set um Headliner Plini aus der modernsten, innovativsten Form des aktuellen Metal. Musik, für die noch kein Sub-Genre definiert ist.
David Maxim Micic, vormals mit seiner Djent-Band Destiny Potato unterwegs, schickte sich an, das aktuelle Release seiner Solo-Entität, “Who Bit The Moon”, vorzustellen. Dabei war fast klar, dass er sein Projekt tatsächlich ohne eigene Band als Einzelner vertreten würde. Aber natürlich nicht, um als Einzelperson auf der Bühne zu verweilen, denn da sich die Reisenden ja bereits kannten, konnte er seine Mitmusiker aus der tourenden Truppe rekrutieren.
Kein Wunder also, dass die Micic-Combo es schaffte, vom ersten Song weg zu begeistern. Der Meister der Klangwelten bringt ja schon länger etliche namhafte Tonmeister zum Erblassen mit den unglaublichen klanglichen Tiefen seiner Produktionen, aber um so verblüffender ist es, dass er dies auch noch live schafft. Klar, mit seinem Freund Jakub Ƶyteki als Co-Gitarrist und Plinis Bassist am Start hat man schon eine Weltmacht, aber es ist schon immer noch erstaunlich, wieviel klangliche Vielfalt da von der Saitenfraktion zu uns durchkam.
Ganz zu schweigen von den synthetischen Klängen aus der Box, die uns als Steve Jobs vorgestellt wurde. Der Computerdesigner und Multiinstrumentalist hatte auch den Drumpart übernommen, was die einzige bittere Pille des Abends werden sollte, denn selbst grandios programmierte Drums können die Dynamik eines echten Drummers wohl nicht reproduzieren.
Trotzdem beeindruckten uns die drei Saitenvirtuosen mit ihrem gut halbstündigen Set aus “Eco/Ego”- und “WbtM”-Material. Vor allem beeindruckte Jungshredder Ƶyteki besonders, denn er entschied sich für die harte Schule des Standardtuning, mit dem er Micics Material spielte, das durchweg für dessen abenteuerliches Eigentuning geschrieben ist ( A♭, E♭,A♭,E♭,A♭, H♭). “Natürlich wollte David, dass ich sein Tuning verwende, aber extra damit umgehen zu lernen fand ich übertrieben. Schließlich geht es ja nur um eine einzige Note, die mir so fehlt”, so Jakub. Spieltechnisch trotzdem eine deutliche Erschwernis, aber der leicht andere Klang des auf Drop-A gestimmten Siebensaiters brachte auch eine neue schöne Farbe ins ohnehin reichhaltige Micic’sche Klanguniversum.
Ƶyteki blieb dann gleich auf der Bühne, um mit seiner eigenen Band DispersE deren neues Album “Foreword” zu präsentieren. Das Album war ja zur letzten Tour längst fertiggestellt, nur hatte das Label es ewig vom Markt ferngehalten, daher konnten sie die ganze Zeit ihren neuesten Stolz bisher nicht live spielen. Es muss wohl dieser Umstand gewesen sein, der die Gruppe dazu brachte, ausschließlich Songs von “Foreword” zu spielen.
Das taten sie auch perfekt und legten eine grandiose Performance aufs Parkett, die einem den Atem verschlug! Denn das Album ist ja ein wahres Meisterwerk, und die, die es verstehen, werden es wohl ohne Frage zum Album des Jahres wählen. Einzig Rafal Biernackis Gesang ließ einige Gedanken über die fehlende stimmliche Ausbildung aufkommen. Zwar perfekt in Intonation, Phrasierung und Dynamik, hörte man aber die Mängel in der Atemtechnik, und die eine oder andere sehr hohe Note verunglückte. Zudem stieß auch hier Steve Jobs an den programmierten Drums etwas auf. Aber wie uns mitgeteilt wurde, hatte sich Drummer Mike Malyan entschieden, seiner Großmutter am Sterbebett beizustehen, was natürlich allgemein verstanden und entschuldigt wurde. Trotzdem riefen die Jungs mit ihrem unglaublichen, neu kreierten Stil, bestehend aus progressivem Happy-Pop, Metal, Shred und Esoterischem, Begeisterungsstürme hervor. Neben den fantastischen Kompositionen war trotz der Widrigkeiten auch die Performance der Polen herausragend.
Plini als Headliner war für Manchen ein fragliches Unterfangen, da seine Frickelmusik auf den Studioproduktionen schon arg kalt und unemotional daherkommt. Hier im Backstage live dargeboten, entwickelte sich eine wunderbare Wärme im Sound, wodurch es gar etwas verwunderlich wurde, dass Instrumentalmusik, zumal im Shred begründet, so ansprechend sein kann.
Was von Konserve eher wie Hintergrundgeplätscher wirkt, bekommt auf der Bühne plötzlich die Macht, den Hörer in den Bann zu ziehen und zu begeistern. Auffällig ist bei den Australiern auch, mit welcher Leichtigkeit sie diesen instrumentalen Stunt-Parcour absolvieren und dabei noch unglaublich sympathisch wirken. Unweigerlich kommt einem da der Vergleich mit der Genre-Queen Animals As Leaders in den Sinn: Wie kalt und abstoßend deren Technik-Gefummel ist, und wie höchst arrogant deren Bühnenpräsenz. Schön, dass man hier das Gegenteil erleben durfte und wieder einmal zu spüren bekam, dass rein instrumentales Technik-Gefrickel tatsächlich herzerwärmend sein kann.
Zuguterletzt ließ Plini es sich nicht nehmen, die beiden anderen Gitarristen noch einmal auf die Bühne zu holen für einen grandiosen finalen Jam mit reichlich Duellen, die keine der Bünde an den fünf Gitarrenhälsen unberührt ließen – der ultimative Jaw-dropper.
Am Ende hatte man nicht das Gefühl, ein klassisches Support/Support/Headliner-Set gesehen zu haben. Es war ein außerordentlich kunstvoller Abend mit drei verschiedenen Ausrichtungen eigentlich sehr ähnlicher Musik, dargeboten von genialen Künstlern.
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Fotos: Monika Baus