Underkarl – Timetunnel 25

(45:55, CD, Rent a Dog/Al!ve, 2017)
Silberhochzeit im Underkarl-B(r)au(t)haus – kaum zu glauben, aber wahr. Fünfundzwanzig Jahre und kein bisschen greise. Völlig egal, ob Gourmet oder Gourmand, ob Schlemmer oder Schlemihl, ob Gropius oder Grobian – alle feiern mit, denn innerhalb der Improvisationsbaukunst gilt: Form hollows fiction.

Seit einem Vierteljahrhundert treiben Sebastian Gramss am Kontrabass und seine Kumpane (Rudi Mahall – Klarinetten; Lömsch Lehmann – Saxophone; Frank Wingold – Gitarren, und Dirk Peter Kölsch – Schlagzeug) mittels der in bestem Sinne urheberverächtlich geschützten Tätlichkeit des Under-Coverns ihre Spielchen auf diversen Baustellen mit dem geneigten Hörer. Ihre Flausen hat ihnen indes niemand auszutreiben vermocht. Ganz im Gegenteil, und das ist gut so.

Durchtrieben wie zu ihren Anfangstagen drehen die fünf kölschen Jungs vierzehn Originale der Jazzgeschichte, sowohl Kompositionen als auch improvisierte Soli, die unter anderem aus dem schöpferischen Geist von Sun Ra, Miles Davis, Charlie Parker, Chet Baker, Duke Ellington, Jim Hall, Ornette Coleman, Charles Mingus, Thelonius Monk und Steve Lacy stammen, durch den Impro-Wolf und zapfen aus dem fermentierten Gebräu frisches Kölsch, als gäbe es kein Morgen. Ein Soli-Zuschlag der packenden Sorte, der gerne bestehen bleiben darf. Der Dekonstruktivismus feiert im wahrsten Sinne des Wortes fröhliche Urständ in Sachen Jazz oder nie. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass alle Stücke wie aus einem Guss wirken. Raffinierte Rhythmik trifft auf deklamierte Dynamik, hypnotische Harmonik und mäandernde Melodik wetteifern miteinander.

Was für eine Gaudí, nicht nur für Antoni. Selbst Carl Gustav würde beim Gutieren dieser Klänge wieder jung werden und das mit Franzbranntwein einzureibende verkaterte Tanzmuskelbein swingen, trotz des Grieskilogramms Noah und all der anderen Archetypen, die sich an der Oberfläche der Underkarlschen Kompositionen herum treiben lassen wie Fettaugen vom Suppenkasper. Gelegentlich, im Rahmen eines koglossalen KataKLOßmus, wird sogar der Klezmer-König wie eine Sau durchs Dixieland-WC getrieben. Zum Abschluss noch ein Geh-Heim-Tipp: Die fünf Time Bandits treffen sich regelunmäßig in der Steroid-Anlage zu einer Session im Lautsprecher-Tunnel Nr. 25. Wer nicht in Anbetracht dieser Klänge ganz Ohr wird, verb(r)asst was.
Bewertung: 13/15 Punkten (FB 13, KR 13)

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