Second Relation – Eno

(49:18, CD, Long Branch Records/SPV, 2016)
Nach dem bereits hoch gelobten Knalleralbum “Abiona” der Österreicher Second Relation kommen wir nun zu ihrem letztjährig erschienen Meisterwerk “Eno”. Der Rezensent entschuldigt sich schon im Vorfeld für eine sehr subjektiv anmutende Begeisterung, die das Album in ihm entfacht hat.

Kurzes Wiederkäuen: Bastian Berchtold (Bass/Vocals), Daniel Fleps (Keyboard/Backing Vocals), Simon Gstöhl (Guitar), Julian Nachbauer (Guitar) und Michael Simic (Drums) haben Second Relation 2007 in Vorarlberg gegründet sich dem progressiven Rock verschrieben. “Abiona” war bereits ihre zweite CD und wurde nach der Übernahme auf ein Label nochmals neu herausgebracht. Das eigentlich Debüt, “Lynette”, gibt es nur bei der Band selbst. Albumtitel verraten, dass auch das letztjährig erschienene, hoch gelobte “Eno” sich in die Reihe der Platten mit Mädchennamen einreiht und eine Trilogie abschließt. Die Band startet momentan durch, 2017 ist sie für die Night Of The Prog gebucht. Glückwunsch!

Und “Eno”? Das in der optischen Aufmachung schwarz-weiß gehaltene Album voller Zeichnungen, die die erzählte Geschichte visuell unterstützen, übertrifft den schon großartigen Vorgänger noch. Die harte Schiene des Erstlings wird zwar weitergefahren, doch nicht so deutlich, und es gibt viel entspannte, jazzige Lebensfreude. Fangen wir an:

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Bereits der Opener und Titeltrack hat jenen entspannten Touch, der das Album durchzieht. Zwar gibt es auch hier harte Passagen wie beim Vorgänger, doch wird alles locker vorgetragen. Egal, ob Gitarren, Keys, Bass oder Drums: Sie alle werden auf unglaublich hohem Niveau gespielt. Das kreiert einen einzigartigen Mix aus Stilmitteln, der sich Second Relation nennt. Vor allem die Keyboards erzeugen so eine teilweise fast Fusion/Lounge-artige Stimmung zwischen den vertrackten härteren Parts.

Das Thema? Eno ist eine junge Frau, noch keine dreißig, die vollkommen orientierungs- und planlos durch das Leben schlittert. Ein etwas untypisches Thema für den Progressive Rock, möchte man meinen – umso angenehmer, wenn das Konzept aufgeht. Und umso interessanter, wenn man so manche Eno-ähnliche Dame kennt und dementsprechend den Lebenslauf der Protagonistin nicht nur gespannt verfolgt, sondern auch fortwährend Parallelen zum wahren Leben findet. ‘Labyrinth’ nimmt den gesponnenen Faden auf. “All is in a rush. All is hostile and cold.” Hervorzuheben sind die oft und toll eingesetzten Background-Chöre als ganz eigenes Stilmittel der Band. ‘White Mirror’ hat noch mit am ehesten poppiges Potenzial und ist der eingängigste Song. Textlich vielleicht etwas zerfahren (Eno sitzt in einem Café und trinkt Cappuccino), ist das alles doch so charmant verpackt, dass es nicht negativ auffällt. Und wer außer Österreichern könnte so schön und gekonnt eine Café-Stimmung besingen? Ein wenig Klischee muss sein. Am Ende zieht Eno mit einem Mann von dannen.

Der frischt ihr Leben in ‘The Essence Of The City’ mächtig auf. Positive Vibes kommen von dem funkigen Song und stecken an. In diesem Song steckt für den Rezensenten der liebste Part des ganzen Albums. Die Passage ab ca. 1:45 gehört zum Schönsten und Erhebendsten was er seit Langem gehört hat. Dagegen können Steven Wilson, Mikael Åkerfeldt, Daniel Gildenlöw und wie die Größen alle heißen, mit dem meisten, was sie zuletzt gemacht haben, einpacken. Ein gewagtes aber ehrliches Statement. In ‘Canvas, Color, Comfort’ verliert sich Eno in der Malerei. ‘Rebirth’ hat einen elektronisch anmutenden Anfang, bevor das Tempo anzieht. Sie fühlt sich durch ihre Kunst neu geboren. Sie bekommt Angst, es soll lieber alles beim Alten bleiben. Die Thematik wird in ‘Countless Damages’ fortgeführt, in ‘Familiar Surroundings’ ist der Optimismus verschwunden.

Überhaupt ist jeder Song, ist jede beschriebene Stimmung musikalisch gelungen umgesetzt. ‘Any Direction’ beschreibt Enos Zerrissenheit zwischen zwei Welten. Das Album schließt mit ‘Second Hand Life’. Sie steht vor einem Second-Hand-Shop und fragt sich (wunderschön von Bastian gesungen): “Is there a second hand life?” Das gibt es. Eno fängt ein neues Leben an, alles wird sich ändern.

Man könnte die gelegentlich etwas schwächelnden Texte kritisieren. Doch das ist Geschmackssache, denn die Symbiose zwischen Lyrics und Musik funktioniert. Herausragend, wie versiert und unangestrengt die fünf Jungs ihre Instrumente und das Songwriting beherrschen und diese Messlatte über das ganze Album halten. Da bleibt alles songdienlich und es kommt keine Langeweile auf. Wie gesagt: Alteingesessene Progger, die sich teilweise auf ihren verdienten Lorbeeren ausruhen, sollten sich in Acht nehmen. Oder sich vielleicht eine Scheibe Originalität abschneiden – denn hier tritt eine neue Prog-Generation auf den Plan, die es ernst meint, die es drauf hat, und die sicher noch viel zu sagen hat. Der Rezensent hofft es zumindest. Er ist schon jetzt glühender Fan und möchte auf der Welle der Band noch lange mitreiten. Er tut etwas, das er sonst nie tut: Er vergibt die … – volle Punktzahl!
Bewertung: 15/15 Punkten (JM 12, KR 13, PR 15)

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