Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand – Joyride

(51:00, CD, WKN/Tesco Germany, 2015)
Der Blutharsch And The Infinite Church Of The Leading Hand: Noch bevor man sich den Namen auf der Zunge zergehen lässt, fragt man sich, wie lange es wohl brauchen wird, bis man ihn fehlerfrei und ohne Pausen aussprechen kann. Für die Autorin wird das nach dieser Rezension hoffentlich kein Problem mehr sein. Veröffentlicht wurde “Joyride” 2015 auf CD und LP beim Label des Frontmannes Albin Julius.

Lange galt Julius als Enfant terrible, aber die Zeiten der Provokation mit u.a. stark fragwürdiger Symbolik sind vorbei. Auch, dass man sich seit geraumer Zeit nicht mehr nur Der Blutharsch nennt, sondern die oben genannte Erweiterung hinzugefügt hat, weist auf eine Veränderung hin. Deswegen werden wir uns nicht mehr lange damit auseinandersetzen und Vergangenes ruhen lassen. “For maximum listening pleasure only listen when chemically imbalanced!”, heißt es auf dem Booklet. Diesen Ratschlag im Hinterkopf behaltend, lassen wir uns auf den Trip mit DBATICOTLH ein.

‘Drive Me Far’ entführt uns langsam mit seinen unheimlich klingenden Synthies, düsteren Bässen und seltsamen Geräuschen in eine andere Welt und deutet nur unterschwellig an, worauf wir uns später gefasst machen können. Marthynnas Stimme kommt dann auch dazu: Sie spricht wirklich jedes Wort sehr deutlich aus, was zur Folge hat, dass ihr teilweise doch sehr poetischer Sprechgesang monoton, kühl, in vielen Songs beinahe schon passiv-aggressiv klingt und genau dadurch fesselt. Die Art und Weise ihres Gesanges ist vergleichbar mit Nico bei Velvet Underground.

Mit dem zweiten Song ‘Sea Of Love’ wird dann die Lo-Fi-Produktion deutlich. Verwaschene Gitarrenklänge werden eingeführt, was einen gewissen Reiz hat und wahrscheinlich denjenigen am meisten zusagt, die auf 60er-Jahre Sound stehen. Sehr noisy-drony-mäßig und mit riffigen, packenden Gitarren geht es weiter mit ‘Falling Out Of Time’. ‘Cold Freedom’ ist etwas ruhiger, orientalisch-psychedelisch, mit sanfter Percussion und Matt Howdens (u.a. Sieben) Violinspiel, das hier deutlich heraussticht. Mit ‘Mighty Might‘ haben wir einen Song, der einem Videospiel-Thema ähnelt, und ‘Resume!’ ist ein sehr Drone-lastiger Übergang zum siebten Titel ‘Innocent’. Später wird es in ‘Reach The Stars’ wieder etwas grooviger. Der letzte Song, ‘Immolate My Dreams’, ist wohl eher typisch für ältere Releases der Band. Der Bass-lastige, martialische Rhythmus und die atmosphärischen Gitarren wirken bedrückend bis depressiv und man möchte es sich dennoch gleich nochmal anhören.

Hier haben wir ein durchgehend kohärentes, minimalistisches Gesamtkunstwerk, das auf Ambivalenz und Kontraste setzt. Grenzüberschreitungen und die Kombination von Krautrock, Elektronik/Synthies und der kühlen Stimme Marthynnas machen “Joyride” aus und verleihen dem Album seine Magie. Ohnehin könnte man meinen, dass dies die Art von Musik ist, die moderne Space-Hexen spielen würden. Das Opus sollte komplett gehört werden, denn es überzeugt eher als Ganzes denn mit einzelnen Songs. Wer Genre-Verschmelzungen mag und experimentierfreudig ist, sollte es sich sowieso gönnen. PS: Mehr von DBATICOTLH demnächst in diesem Kino.
Bewertung: 15/15 Punkten (KR 11, DW 15)

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