(69:31, CD, Rare Noise, 2016)
“Monumentales Werk vereint Alte Musik und Heavy Metal” titelt die dem Rezensenten vorliegende Packungsbeilage. Na, dann sind wir ja mal gespannt, was uns da um die Ohren gehauen wird. Erster Eindruck: Ja, stimmt. Aber fangen wir von vorne an.
Schlagzeuger Bobby Previte, bekannt durch einige Projekte, nicht zuletzt durch seine Trio-Zusammenarbeit mit Steve Swallow und Jamie Saft (The New Standard, 2014) begibt sich auf von ihm bisher unerforschtes Terrain: das Vermischen von klassischer Musik und Rock. Diese Thematik findet sich ja im (Prog-)Rock-Bereich häufiger wieder. Konkret hat sich Previte dafür Guillaume Dufays “Missa Santi Jacobi” ausgesucht.
Das Projekt schwebte ihm seit Jahren im Kopf herum. Das erste Mal stolperte er über Dufay während seiner Musikstunden im College. Im Jahr 2000 tourte er bereits mit einer Version der Missa, die ihm heute nicht mehr gefällt, durch Europa. 2007 zeigten er und seine Frau, Choreographin und Schriftstellerin Andrea Kleine, das Stück in einer Theaterproduktion in Minneapolis. Dort traf Previte auf das Rose Ensemble, das er direkt in seine neue Version (oder Vision?) einband, es ist auf der vorliegenenden Scheibe als Chor zu hören. Die restlichen Musiker sind Wegbegleiter des Schlagzeugers. Organist Marco Benevento und Bassist Reed Mathis spielten mit ihm bereits in The Coalition of the Willing, der bereits gennante Saft in Prevites Latin for Travelers, Gitarrist Mike Gamble gehört zum Quartett Bobby Previte and the Visitors, und die Gitarristen Stephen O’Malley und Don McGreevy gehören zu den Metalbands Sunn O))) und Earth aus Seattle.
Ein ambitioniertes, hochkarätig besetztes Projekt also, dem sich Previte da verschrieben hat. Es besteht aus drei Säulen: Chor, Metal-Trio und Orgel, und der Bandleader gibt freimütig zu, dass es nicht gerade einfach war, das umzusetzen, was da als Noten vor ihnen lag. Am Ende gelang es jedoch fehlerfrei, wie wir hier hören können. Neben Dufays Missa Sancti Jacobi dienten für die Orgel übrigens Kompositionen von Olivier Messiaen als Vorlage. Und wo wir gerade dabei sind, mit Namen um uns zu werfen: Das Cover-Artwork stammt von Hadi Nasiri.
Zurück zur Musik. Previte: “Du musst dir klarmachen, dass Dufay diese Musik schrieb, als es noch keine künstlich erzeugten Sounds von Verstärkern, Flugzeugen oder Bomben gab.” Soweit so gut, da hat der Mann wohl recht. “Und ich musste diese Kraft von damals aufwiegen, also habe ich mich dem Metal zugewandt, einer verunglimpften Musik, die irgendwie immer wieder ihre Beachtung findet.” Das Metal-Genre bietet sich für eine derartige Umsetzung wohl an.
Ganz nüchtern: Das Album ist nicht schlecht, aber es ist auch nicht überragend. Natürlich musikalisch gut umgesetzt, aber irgendwie springt der Funke nicht über. Da gab es schon bessere (und natürlich auch schlechtere) Vermengungen aus artifizieller Musik und Rock. Und irgendwie wirkt das Konzept hier ehrlich gesagt auch ein wenig ausgelutscht. Trotzdem Hut ab vor der Leistung aller Beteiligten, denn so eine Umsetzung ist sicherlich nicht einfach.
Bewertung: 9/15 Punkten (KR 9, PR 9)
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