(Synpress44, 2016, 119 Seiten, Hardcover, UUID: 6e0ab12e-597f-11e6-8d7b-0f7870795abd, Sprachen: Englisch, Italienisch)
“Progressive Rock 3 – By Kind Request” ist der letzte Teil einer Trilogie, die mit “Progressive Rock – A Handbook” begann und mit “Progressive Rock – Boundary Lines” fortgeführt wurde. Dabei ist dieser abschließende Band wohl vor allem dafür gedacht (oder zumindest scheint es so), Wünsche von Kritikern und Fans aufzugreifen und vernachlässigte Themen und Bands zu behandeln, die bisher auf der Strecke geblieben waren. SOP (wie der Autor Stefano Orlando Puracchio im Buch selbst abgekürzt wird) ist sich der Problematik, auf diese Stimmen zu hören und auf ihre Wünsche einzugehen, durchaus bewusst und beweist in der Einleitung sehr viel Humor, als er, unterlegt mit einer metaphorischen Geschichte, über die Vor- und Nachteile eines solchen Verfahrens berichtet. Überhaupt wirkt der gesamte Ton des Werkes sehr sympathisch.
Das Buch beinhaltet außerdem vier Essays, die nicht von SOP geschrieben sind: Donato Zoppo befasst sich mit den Thematiken klassischer Prog-Texte, festgemacht an den drei “Peters” des Prog – Sinfield, Hammill und Gabriel. Valentina Tomassetti behandelt den Progressive Metal (etwas, das SOP, wie er in der Einleitung erwähnt, gerne an jemand anderen abgegeben hat). Sie beschreibt vier Bands dieser Musikrichtung, die sie ihrer Meinung nach am besten repräsentiert und die man hören “muss”: Mastodon, Fates Warning, Dream Theater und Opeth. Mit der Auswahl kann man einigermaßen leben. Sadhbh de Barras Essay handelt von Album-Illustrationen, einer wichtigen und nicht zu unterschätzenden Thematik im Progressive Rock. Und last but not least geht es um Prog in Germany in the 1970s, geschrieben von Miklós Attila. Genannt werden beispielhaft Kraftwerk, Tangerine Dream, Frumpy, Amon Düül, Agitation Free, Eloy, Kraan und Embryo. Abschließend dazu gibt es ein von SOP geführtes Interview mit Christian Burchard von letztgenannter Band.
Das Buch an sich beginnt mit kurzen Abhandlungen und Interviews zu bestimmten Themen, besonders schön ist der Teil über die Progrock-Fans. Sobald Bands nach etwa drei Alben ihren Stil gefunden haben, sollen sie sich bloß nicht weiterentwickeln! Dabei steht das im krassen Widerspruch zum Sinn des Wortes “progress”. Fans (nicht nur im Prog, wie der Autor selbst schreibt) sollten sich vielleicht einmal an die eigene Nase fassen, anstatt ihre (geliebten!) Bands für Veränderungen und alles weitere mögliche die Schuld zu geben. Ist da wirklich die Band Schuld, oder liegt es vielleicht an der eigenen Einstellung? Aber da könnte man ein eigenes Buch drüber schreiben – und sicherlich tausendfache Kritik auf sich ziehen. Belassen wir es vorerst dabei.
Das nächste Kapitel dreht sich um Pendragon und besteht zum größten Teil aus einem Interview mit Nick Barrett, welches es nicht mehr in das letzte Buch geschafft hatte. Überhaupt nutzt SOP Zitate von anderen Autoren und Experten sehr effektvoll, um Einblicke in und über bestimmte Themen zu geben, die auch manchmal die verschiedenen Stimmungslagen wiedergeben.
Nach Pendragon geht es weiter mit einem Kapitel über Cerchio D’Oro, inklusive Interview mit Giuseppe Terribile (klasse Name!). Das nächste dreht sich um Magma, das darauf folgende greift aktuelle Themen wie die Bands VIII Strada und Marchesi Scamorza und das Album “Palepolitana” von Osanna auf, um, wie der Autor selbst sagt, nicht immer nur über “alte” Bands zu sprechen. Weiter geht’s mit dem Prog-Land Ungarn. Hier führt SOP Interviews mit dem Produzenten Böszörményi Gergely, Egervári Gábor von After Crying und Varga János von EAST. Nach den bereits oben genannten Essays ist SOP noch einmal mit einem kurzen Kapitel selbst dran. Er beschreibt eine Geschichte “of solidarity”, die ein Interview mit Giancarlo Trotta beinhaltet. Nach dem Literaturverzeichnis folgt der Anhang, bestehend aus einem Gespräch mit der Band Unreal City. Ein passender Abschluss, auch wenn man das Gefühl bekommt, dass dies nur hier gelandet ist, weil es sonst nirgendwo in das Konzept des Buches passte.
Apropos Konzept: Das Buch wirkt manchmal ein wenig unentschlossen, es macht wahrscheinlich im Kontext der Trilogie mehr Sinn, da es Dinge und Themen aufgreift, die bisher ausgelassen oder vernachlässigt wurden. So wirkt es dann mehr wie eine Anhäufung verschiedener Themenschwerpunkte, die nicht miteinander zusammenhängen, jeweils für sich aber sehr informativ und gut geschrieben sind. SOP nennt als journalistischen Einfluss übrigens den von Hunter S. Thompson erfundenen und erfolgreich praktizierten Gonzo-Journalismus. Zwar sind die meisten Texte sehr subjektiv, was sich aber nicht negativ auswirkt, aber das war es auch schon mit Gonzo. Derbe Wortwahl, nicht zusammenhängende Gedankengänge und Abschweifungen sowie Drogen- und Alkoholexzesse hätten aber auch nicht in dieses Buch gepasst. Wobei, ein Prog-Buch auf dieser Grundlage wäre sicherlich mal eine spannende Aufgabe und lesenswert. Das behalte ich mal für mich selbst im Hinterkopf. Und schon bin ich selbst in den Gonzo gerutscht. Ende.