Magma, 17.10.16, Stuttgart, Theaterhaus

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Hamatai!

Magma in Stuttgart – 30 Jahre ist es her, dass man die Urväter des Zeuhl (= himmlische Musik) in der schwäbischen Metropole begrüßen durfte. Auf dem Weg zum Theaterhaus, einer Location in der in den letzten Jahren aus dem progressiven Umfeld u.a. Steven Wilson, Steve Hackett und Van Der Graaf Generator auftraten, sind überraschend viele Menschen unterwegs.

Eigentlich viel zu viele für ein (übrigens mit besonderem Stolz von BetreutesProggen.de präsentiertes) Magma-Konzert, trotz deren ewig langer Benztown-Abstinenz. Des Rätsels Lösung: Am gleichen Abend tritt im großen Saal T1 der bayerische Kabarettist und Liedermacher Georg Ringsgwandl mit seiner Band auf. Der fast ausverkaufte kleinere Saal T2 mit einem Fassungsvermögen von 400 Zuschauern ist dafür Magma vorbehalten.

Lustiges Ratespiel vor dem Konzert: Wer geht wohl in welches Konzert? Bei Personen, die Anhänger oder T-Shirts mit dem Magma-Logo tragen, fällt die Zuordnung leicht, dennoch ist das magmaeske Publikum mit Blick auf Alter und Geschlecht überraschend gut gemischt, auch wenn Männer reiferen Alters mal wieder überwiegen.

Pünktlich um 20.15 Uhr betreten Christan Vander (Schlagzeug, Gesang) und seine Begleitmusiker die Bühne. Und siehe da: Mit dem unter einer trendigen Pudelmütze versteckten Jérome Martineau-Ricotti an den Keyboards und dem aus Jazz und Funk kommenden Gitarristen Rudy Blas als Vertretung für den krankheitsbedingt ausgefallenen James MacGaw sind gleich zwei neue Gesichter an Bord, womit Magma in die dritte Generation geht. Ansonsten ist das Line-up von früheren Auftritten bekannt: Den kobaïanischen Gesang teilen sich Hervé Aknin, Stella Vander und Isabelle FeuilleboisBenoît Alziary spielt Vibraphon und Philippe Bussonnet den Bass. Die folgenden hundert Minuten bieten eine intensive Zeitreise in die 70er, bei der alleine die Musik im Vordergrund steht. Optisch wird das Ganze lediglich von einer einfachen aber effektiven Beleuchtung mit vielen höllischen Rot-Tönen unterstützt.

magma-stuttgartIm Zentrum des Auftritts stehen die epischen, jeweils über 40 Minuten langen Konzeptwerke ‘Theusz Hammtaahk’ und ‘Mekanïk Destruktïw Kommandöh’. In den letzen Jahren spielten Magma live zum Teil auch neueres Material, bei der aktuellen Tour setzen sie ganz bewusst auf diese beiden charakteristischen Stücke, was Stella Vander in einer charmanten Zwischenansage damit begründet, dass mittlerweile auch ein jüngeres Publikum die Band für entdeckt, das die Chance bekommen solle, die zentralen Epen live zu erleben.

Was trotzdem diese Tour zu etwas Besonderem macht, ist, dass Magma die Originale nicht genau reproduzieren, sondern neue, mal jazzige, mal sphärisch anmutende Improvisations- und Soloparts, einbauen und die Arrangements inhaltlich in Nuancen neu ausrichten. Vor allem das von einem knurrenden Bass vorangetriebene, mäandernde ‘Theusz Hammtaahk’ wirkt insgesamt bedrohlicher, düsterer, und lässt manche Metal-Band richtig alt aussehen.

Doch die Endzeitstimmung wird mehrfach durch magische, leichtfüßige Melodien gebrochen. Mit den für die Band typischen repetitiven Wiederholungen, minimalen inhaltlichen Veränderungen, sowie langsamer Tempoverschärfung und wohldosierter Dynamiksteigerung wird eine Nerven zerfetzende Spannung aufgebaut, die immer wieder in euphorischen Zwischenbeifall mündet und beim sitzend gebannt lauschenden Publikums hier und da wildes Zucken hervorruft.

Mit der kurzen, aber kernigen Zugabe ‘Zombies’ vom 76er-Werk “Üdü Wüdü” endet der Abend famos. Anschließend sieht man vor und auf der Bühne nur glückliche Gesichter. Leider bewegen weder stehende Ovationen noch heftiges Klatschen die Band dazu, nochmals auf die Bühne zu kommen. Aber egal: Die Franzosen haben wieder einmal alles gegeben, was sich auch in der komplett durchgeschwitzten Kleidung des wie in Trance spielenden Schlagzeugers Christian Vander dokumentiert.

Wer noch nicht genug hat: Am 2. und 3. Februar nächsten Jahres treten Magma  im legendären Pariser Olympia zusammen mit dem Le Mëtalïk Orkestraah auf.

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