(48:46, CD, Eigenvertrieb, 2016)
Völlig unerwartet kommt das zweite Album des Einzeltäters Ben Cameron in ganz anderem Gewand daher, als das Debüt. Wer sich auf ein zweites Werk in energetischem, eher modernen Retro-Prog-Stil à la Unitopia oder Transatlantic gefreut hat, dürfte eher enttäuscht sein. Denn diesmal widmet Cameron sich dem ruhigen Sound der frühen 1970er-Jahre. Die Klänge seiner Instrumente sind mit viel Akribie an die alte Analogtechnik angeglichen und der Versuch ist richtig gut gelungen.
Nicht nur die Gitarren, deren Verzerrung nie weiter geht als es der gute alte Tube Screamer erlauben würde, auch die Aussteuerung des Schlagzeugs und der diversen Tasteninstrumente kommen sehr authentisch herüber, wobei auf jede Art von Effekten verzichtet wurde. Die Kompositionen und Arrangements sind entsprechend minimalistisch angelegt und geradezu mutig. Denn Cameron lässt hier niemals zwei Ideen gleichzeitig erklingen. Es gibt immer nur ein Riff, ein Lick, oder eine Melodie auf einmal, nie kommt so etwas wie ein Duett oder gar ein Kontrapunkt zustande. Rutscht eine Stimme in den Vordergrund, reduzieren sich alle anderen auf das Allernotwendigste und werden nahezu unhörbar.
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Das ist ein gefährliches Unterfangen, aber der Meister hat es gut im Griff, da er die meiste Zeit wirklich schöne Leads in den Raum stellt. Er schafft das recht spannend, indem er den guten Weichspül-Prog der Siebziger mit Einflüssen von Steven Wilson, Michael Åkerfeld und Echolyn verbindet. Nur bei den Gesängen klappt das nicht mehr, da er einerseits die Gesangsmelodien zu elementar anlegt und nicht eine einzige spannenden Hookline findet. Zudem fehlt es eindeutig an Gesangstechnik. Es ist nicht so, dass Cameron Noten falsch singt oder schlecht ansteuert – er hat einfach keine Technik zur Klangformung, und das kommt sehr anfängerhaft daher. Das ist unter anderem deshalb recht schade, weil unter dem Gesang die meiste Zeit nur eine akustische Gitarre zu hören ist, die auch nur die Basisakkorde vor sich hin schlägt. Als zweiten Malus muss man die Slide Guitar erwähnen, die zwar sehr gut gespielt ist und auf jeder Country-Scheibe ein absoluter Star wäre, sich hier aber überhaupt nicht integriert.
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Man kann “A Cycle Never Ending” wohl am besten als NeoProg-Album ohne Bombast einstufen, was an sich eigentlich absurd ist, den Nagel aber auf den Kopf trifft. Es ist aber nicht dieser Aspekt, der die Prog-Gemeinde spalten dürfte. Denn Prog-Fans älterer Semester, die die Klanggebilde der späteren Siebziger als “bombastisch” verabscheuten, werden dieses Album ziemlich bejubeln. Die Fraktion allerdings, die findet, dass Gesang, wenn er denn da ist, auch gut sein muss, damit ein Album funktioniert, dürfte an A “Cycle Never Ending” nicht allzu lange Spaß haben. Anspieltip: ‘The Dance of Deamons in Disguise’.
Bewertung: 10/15 Punkten (RF 10, KR 7)
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