(68:35, CD, Eigenverlag / Doone Records/Just For Kicks, 2016)
Paul Bremner ist in Prog-Kreisen als Gitarrist der New Yorker Band IZZ bekannt. Auf “The Witness” hört man allerdings über weite Strecken einen gefälligen Mix aus AOR, Rock und Pop, den Bremner mit seinen Gitarrenkünsten garniert. Dabei entstehen teils merkwürdige Konglomerate aus seichten Popsongs mit Guitar-Hero-Einlagen, wie beispielsweise ‘Are You Ohh Ya?’, das konsequent zwischen diesen beiden Polen hin und her pendelt.
Startet man den Player, stellt man sich möglicherweise erst einmal die Frage, ob man die falsche CD eingelegt hat. Aus den Boxen tönt ein Song, den man eher einer Sarah McLachlan zuordnen würde, als dem Gitarristen einer Prog-Band. Das von Anmarie Byrnes gesungene ‘From Here I Can See The Horizon’ ist überdeutlich an den Sound der Kanadierin angelehnt. Das folgende ‘Pilot Fish’ zeigt Bremner dann erstmals als versierten Solo-Gitarristen. Der im Vocal-Part nicht sonderlich auffällige Song steigert sich zu einem epischen Gitarrensolo und einem progressiven Schlusspart. Leider folgen danach allzu leichtgewichtige Songs wie ‘Warm’, Lost In A Memory’ und ‘Sad’, die insbesondere durch die braven und schläfrigen Gesangsdarbietungen von Laura Meade, Johanna Farrand, Anmarie Byrnes und Tom Galgano auffallen. Emotionalität, Verve, oder gar eine gewisse persönliche Note bringen die Damen und Herr(en) nicht ein. Bremner hingegen verbindet diese Songs immer mit seinen Gitarreneinlagen. Manchmal gelingt ihm das, manchmal wirkt es sehr konstruiert und eingeflickt. Einzig der Titelsong und das Instrumental ‘No Remorse’ liegen in dem Bereich, den man auf einem Solo-Album eines versierten Gitarristen erwarten würde. Sonderlich innovativ fallen diese Stücke allerdings auch nicht aus.
Bleibt noch der abschließende fünfteilige Longtrack ‘Last Exit Before Toll’. Mit ‘Car Crash Song’ legt er gradlinig rockend los. Es ertönt sogar ein längeres Moog-Solo. ‘Home’ beginnt sphärisch, wird allerdings erneut von den emotionslosen Gesangsdarbietungen in Schüler-Musical-Qualität zerstört. Es folgt ein gefälliger akustischer Teil, zu dem der Gesang endlich besser mal passt. Ist der hymnische Schlussteil von ‘The Wings Of The Angels’ verklungen, erkennt man, dass auch dieser Longtrack letztlich nur eine Aneinanderreihung von Einzelkompositionen ist. Als eine Suite mit harmonisch arrangierten Übergängen kann man ‘Last Exit Before Toll’ wirklich nicht bezeichnen.
Das gesamte Album scheitert schließlich daran, dass die leichtgewichtigen und teils biederen Songs sich selten mit der eher rockigen Attitüde von Bremners Gitarrenspiel in Einklang bringen lassen. Völlig unpassend sind die Stimmen, die besser in evangelikalen Sonntags-Andachten aufgehoben wären. Prog gibt es nur in homöopathischen Dosen, und dort wo er auftaucht wirkt er nicht selten deplatziert. Kein Fisch, kein Fleisch – eher ein veganer, salzarmer Brotaufstrich. Gesund vielleicht, aber kein Genuss.
Bewertung: 6/15 Punkten
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