(74:27, CD, MiG, 2016)
Die Abkürzung MiG steht für Made in Germany, und so ist es keine Überraschung, dass sich dieses Label speziell deutscher Interpreten annimmt. Wenn es darum geht, innovative und stilprägende deutsche Künstler vorzustellen, muss im Elektronikbereich natürlich der Name Klaus Schulze fallen. Dieses Jahr wurden bereits einige seiner frühen Alben wieder aufgelegt, den Anfang unserer Besprechungen dieser Re-Releases macht sein Debütalbum „Irrlicht“ aus dem Jahr 1972.
Seinerzeit konnte man noch nicht absehen, welch immensen Einfluss auf die Musikszene dieser Berliner Soundtüftler haben sollte. Schulze erwies sich als Mitbegründer der „Kosmischen Musik“ und seine Kompositionen waren gerne sehr ausladend gestaltet. “Irrlicht” trägt den Untertitel „Quadrophonische Symphonie für Orchester und E-Maschine“ und dokumentiert Schulzes erste Gehversuche als Solomusiker. Gestartet als Schlagzeuger (u.a. bei Tangerine Dream), ist er hier bereits auf Tasteninstrumente und allerlei elektronische Spielereien umgestiegen. Ein Zitat aus dem Booklet: “Irrlichtklang durch Klaus Schulze: E-Maschinen, Orgel, Gitarre, Zither, Stimme, Chor, Perkussion. Orchester mit vier Ersten Geigen, vier Zweiten Geigen, drei Bratschen, acht Celli, einem Kontrabass, zwei Hörner, zwei Querflöten, drei Oboen.” Wie es zu dieser Konstellation kam, ist im Booklet beschrieben. Allerdings sollte man keine prägnanten Klassik-Einlagen erwarten – dass an diesem Album ein Orchester beteiligt war, dürfte kaum der erste Höreindruck sein.
Das ursprüngliche Album bestand aus drei Sätzen, der erste („Ebene“) und dritte Satz („Exil Sils Maria“) waren bereits deutlich über 20 Minuten lang. Als Bonustrack gibt es auf dieser CD den 24-minütigen Titel „Dungeon“, der auch schon auf der 2006er-Neuauflage von Revisited Records auftauchte. Klaus Schulze weiß selbst nicht mehr genau, woher dieser Song stammt. In derartigen Fällen verweist er gerne auf seinen langjährigen Wegbegleiter Klaus-Dieter Müller. Dieser hatte den Titel ausgegraben. Bei solchen Bonustiteln stellt sich oft die Frage, ob sie zum Rest des Albums passen. In diesem Falle war es eine gute Wahl, denn stilistisch passt es hervorragend.
Auf Schulzes Erstling haben noch nicht diverse Synthesizer das Sagen. Auch Sequenzer tauchen noch nicht auf, und überhaupt spielt der Faktor Rhythmus hier eine sehr untergeordnete Rolle. Vielmehr handelt es sich um Musik, die auf Schulzes Orgelspiel aufbaut. Er lässt sich viel Zeit beim Entwickeln der Titel, vieles basiert auf sich wiederholenden Themen, die langsam immer weiter modifiziert werden. Dabei geht es im Eröffnungsstück bisweilen auch mal recht hektisch zu. Manche Orgelpassagen erinnern hier ein wenig an ‘Death May Be Your Santa Claus’ der amerikanischen Formation Second Hand – ein Album, das etwa zur gleichen Zeit erschien. In der zweiten “Irrlicht”-Hälfte sind die Kompositionen hingegen eher etwas ruhiger gehalten.
Schulze präsentierte seinerzeit eine sehr eigenwillige Platte, bei der klar war, dass es schwierig sein würde, eine Plattenfirma zu finden, die derart ungewöhnlichen Stoff zu veröffentlichen bereit war. Schulze bekam den entscheidenden Hinweis dann von seinem Ex-Kollegen Edgar Froese, der ihm das Ohr-Label empfahl – der Rest ist Geschichte. Und da kommen noch tolle Sachen auf uns zu – doch dazu ein andermal mehr.
Bewertung: 9/15 Punkten (JM 9, KR 9)
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