Frost* – Falling Satellites
(66:00/68:50, CD/2 LP, InsideOut Music, 2016)
Hin und wieder gibt es Interpreten, denen gegenüber man aus wenig objektiven Gründen zunächst einmal voreingenommen ist. Frost* ist dafür ein typisches Beispiel. 2004 als sogenannte Supergroup angekündigt, gehörten neben Band-Boss Jem Godfrey (u. a. Songwriter für Atomic Kitten und Ronan Keating) zunächst John Jowitt, Andy Edwards und John Mitchell aus dem IQ-, Arena-, It Bites-Umfeld zum Line-up. Das roch verdächtig nach einer InsideOut-Retortenband und erinnerte doch sehr an ein ganz ähnliches Projekt mit dem Namen Kino (John Mitchell, Pete Trewavas, John Beck, Chris Maitland), aus dem bekanntermaßen die zweite Inkarnation von It Bites hervor ging. Musikalisch bestätigte das Debüt “Milliontown” auch einiges an Vorbehalten, insbesondere die Nähe zum Konzept von Kino, was sich hauptsächlich durch Mitchells Präsenz erklärte.
Jem Godfrey zeigte sich als großer Tony-Banks-Verehrer, was wiederum erklärte warum ein Ronan-Keating-Songwriter im Prog-Rock wilderte. In der Folge gab es einen zwischenzeitlichen Hiatus, ein wenig beachtetes zweites Album, ein Livealbum, und 2016, als man Frost* längst ins Archiv geschoben zu haben glaubte, kommt in veränderter Besetzung mit “Falling Satellites” ein neues Album in die Läden. Mit Nathan King (Level 42) am Bass, Craig Blundell (Steven Wilson, Pendragon, Lonely Robot) an den Drums und weiterhin mit John Mitchell hat Jem Godfrey abermals ein Supergroup Line-up am Start. Im Vorfeld hatte er wissen lassen, dass er InsideOut Music dieses Album vertraglich noch schulde. Das wirft die Frage auf, ob “Falling Satellites” womöglich Frost*s Abschiedsabum ist.
Das wäre allerdings wirklich schade. Denn mit “Falling Satellites” ist buchstäblich der Knoten geplatzt. Es hat Profil, es ist gut produziert, und in gewisser Weise ist es sogar wirklich progressiv. Stilistisch ist es vergleichbar mit den Alben “Dimensionaut” von Sound Of Contact und “Please Come Home” von Lonely Robot aka. John Mitchell, allerdings klingt es stellenweise erheblich moderner und verwendet Stilmittel wie urbane Beats, elektronische Effekte und Loops, von den sich Prog-Fans normalerweise mit Grausen abwenden. Jem Godfrey verwebt diese Elemente allerdings sehr geschickt zu einer vitalen Mixtur, die durch Blundells engagierten Einsatz am Schlagzeug eine Menge Drive bekommt. Als krassen Gegenpol gibt es in ‘Nice Day For It …’ eine tiefe Verbeugung vor dem späten Genesis-Epos “Duke’s Travels/Duke’s End”. ‘Signs’ hingegen trägt deutlich die Handschrift von John Mitchell, wie er sie in den vergangenen Jahren bei It Bites oder solo etabliert hat. Bei ‘Lights Out’ muss man unweigerlich an die legendären Tears For Fears denken. Die zweite Hälfte des Albums ist eine Art Suite zusammenhängender Titel, deren Höhepunkte das achterbahnartige ‘The Raging Against The Dying Of The Light Blues In 7/8′ und das bereits erwähnte ‘Nice Day For It …’ sind. Für ‘In Closer To The Sun’ steuert Joe Satriani ein Gitarrensolo bei. Auf Vinyl und der Special Edition CD gibt es mit ‘Lantern’ und ‘British Wintertime’ zwei sphärisch-melancholische Bonustracks, denen auf der Vinyl-Version noch ein unbetiteltes Ambient-artiges Intrumental folgt.
“Falling Satellites” ist ein Album, das vor allem wegen seiner cleveren Mixtur progressiv ist. Die Grundideen der Stücke und die Melodien sind nicht selten auch als Popsongs vorstellbar. Godfrey zeigt sich als großartiger Produzent und wahrer Keyboard-Wizard, auch als Sänger macht er keine schlechte Figur. Zusammen mit seinen hochkarätigen Begleitern macht er “Falling Satellites” zu einem echten akustischen Energiebündel, das man als unerwarteten Überraschungs-Coup bezeichnen darf.
Bewertung: 13/15 Punkten (DH 13, HK 12, JM 8, KR 10)
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