Gandalf’s Fist – A Clockwork Fable

(194:05, 3 CDs, Eigenverlag, 2016)
Gandalf’s Fist wollen es wirklich wissen und werfen ein über dreistündiges Epos auf den Markt. Hat die Band ein Monster à la Frankenstein erschaffen? Unsere Review ist ein Versuch, diese Frage zu klären.

Zunächst sollte dem geneigten Hörer klar sein, dass für den Genuss dieses Albums ein gewisses Faible für Hörspiele unabdingbar ist. Andernfalls wird man mit “A Clockwork Fable” vermutlich gar nichts anfangen können. Die über drei Stunden Laufzeit verteilen sich grob geschätzt auf zwei Stunden Musik und eine Stunde Hörspiel. Das Ganze präsentiert sich als eine in drei Akten erzählte Steampunk-inspirierte Story. In aller Kürze geht sie etwa so: Nach einem fiktiven 3. Weltkrieg ist die Bevölkerung unter die Erde gezogen, wo sie nun in einer riesigen Stadt namens Cogtopolis lebt. Da es dort kein Sonnenlicht gibt, erfolgt die Energieerzeugung durch Dampf, und Licht kommt von sogenannten Lamplighters, die riesige Lampen mit Plasma befüllen. Erzählungen von der Oberfläche und der echten Sonne sind nur noch eine Legende. Zwar existiert noch ein Zugang zur Oberwelt (“The Aperture” genannt), doch der ist verschlossen. Kann er wieder geöffnet werden? Es gibt Kräfte, die das unbedingt versuchen wollen (der forschende Tinker und seine Assistentin Eve) und deren Gegenspieler, die es zu verhindern suchen.

Story und Setting erfinden das Rad nicht neu, aber man hat hier trotz allem keine Mühen gescheut, eine glaubhafte Welt zu erschaffen; es gibt sogar eine begleitende Website, die viele Elemente erklärt. Überzeugend sind demzufolge auch die Hörspiel-Passagen geraten: Sämtliche Rollen wurden mit professionellen Schauspielern wie Mark Benton, Zach Galligan und Tim Munro besetzt. Diese machen ihre Arbeit sehr gut, auch wenn man an einigen Stellen zum Overacting neigt. Dazu kommen passende und stimmige Soundeffekte, sodass das Ganze vermutlich auch für sich alleine gestellt als reine Hörspiel-Produktion funktioniert hätte.

Nun ist “A Clockwork Tale” aber kein reines Hörspiel, sondern vor allem auch viel progressive Musik.  Der Hörer bekommt eine umfassende Schau sämtlicher Stilrichtungen präsentiert. Mal gibt es Ausflüge in den Metal- und Hardrock-Bereich (Iron Maiden lassen grüßen), mal geht es in die eher klassische NeoProg-Richtung (Spock’s Beard standen hier Pate). Andere Songs wiederum klingen von  Pink Floyd, Jethro Tull und Blackmore’s Night inspiriert (der Titel ‘Victims of the Light’ weckt diese Assoziation). Unterstützt werden Gandalf’s Fist von einer Riege fähiger Gastsänger, darunter Arjen Lucassen, Blaze Bayley und Melissa Hollick. Diese hinterlassen alle einen durchweg guten Eindruck, was leider die gesanglichen Darbietungen von Luke Severn und Dean Marsh in ein nachteiliges Licht rückt. Ihnen fehlt es hier und da etwas an Kraft und Charisma, was vielleicht aber auch den jeweils gesungenen Rollen geschuldet ist.  Ansonsten geht es musikalisch jederzeit solide zur Sache, alle Beteiligten (u.a. Stefan Hepe an den Drums, hier im Interview) beherrschen ihre Instrumente und tragen zum positiven Gesamteindruck bei.

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Die enorme stilistische Vielfalt auf “A Clockwork Tale” hat leider auch ihre Schattenseiten, an einigen Stellen hinterlassen die manchmal sehr auschweifenden Kompositionen keinen bleibenden Eindruck. Dabei haben Gandalf’s Fist durchaus ein Gespür für schöne Melodien: Das leicht kitschige aber wunderschöne ‘Eve’s Song’ und auch ‘Ditchwater Daisies’ seien beispielhaft erwähnt. Dem gegenüber stehen jedoch Stücke wie das eröffenende ‘Shadowborn’, das auf einem Meat-Loaf-Album nicht deplatziert gewirkt hätte. Schade, dass gerade ein weniger guter Titel das Album eröffnet. Freude bereiten die drei jeweils mehrteiligen ‘Lamplighter’ Longtracks in bester Progrock-Tradition.

Was die detailreiche Produktion anbelangt, gebührt Gandalf’s Fist Respekt. An einigen Stellen klingen die E-Gitarren vielleicht ein wenig zu dünn und der eine oder andere Keyboard-Part ist deutlich zu laut abgemischt, unterm Strich ist das aber Meckern auf hohen Niveau. Positiv erwähnt werden muss auch das umfangreiche und stimmige Artwork, hier bekommt der Fan für sein Geld jede Menge geboten.

Bleibt der Versuch eines Fazits für dieses Mammutwerk: Musikalisch kommt man sich wie bei einem “Best of” aller erdenklichen Prog-Spielarten vor. Mit Sicherheit gibt es für jeden Geschmack mindestens zwei oder drei Titel, die auf Anhieb gefallen. Es sei aber die Frage erlaubt, wer sich dafür durch ein über dreistündiges Epos hören mag? Vermutlich gibt es da draußen aber doch genügend Mutige, die sich gerne mit Gandalf’s Fist auf die Reise machen.
Bewertung: 9/15 Punkten (HK 9, KR 11)

Surftipps zu Gandalf’s Fist:
Stefan Hepe im wohlbetreuten Interview zu “A Clockwork Fable”
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