»… dass komplexe Musik durchaus Spaß machen kann und nicht primär nur anstrengend ist«
Wenn die deutsche ProgMetal-Institution Dante einen neuen (den vierten) Langspieler am Start hat, dann ist wirklich die höchste Betreuungsstufe angesagt. Oberdantist Dr. dant. Markus Maichel fand sich dafür freundlicherweise höchstselbst im Behandlungsstuhl ein – untenstehend die Ergebnisse des Zähneziehens.
Wir beide diskutieren ja schon seit einem Jahrzehnt die (Un-)möglichkeit, ProgMetal in Deutschland zu produzieren und zu veröffentlichen. Nach viel Erfahrung mit dem Eigenverlag und zuletzt mit dem “Major” Massacre Records setzt Ihr diesmal auf die Kombination Gentle Art Of Music und Soulfood – wie kam es dazu und wie verläuft die Zusammenarbeit bislang?
Mit Kalle Wallner und Yogi Lang standen wir schon länger in losem Kontakt, da hatten wir immer mal wieder über die Möglichkeit einer Veröffentlichung geredet. Wirklich konkret ist das aber nie geworden, bei “November Red” hatten sie uns dann noch vor konkreten Verhandlungen abgesagt, weil sie zum damaligen Zeitpunkt nicht die Kapazität hatten, sich in angemessener Form darum zu kümmern. Das war damals natürlich insofern schade, als wir damit ein Label weniger zur Auswahl hatten. Tatsächlich hat es uns aber gut gefallen, dass ein Label uns nur dann unter Vertrag nehmen will, wenn es sich auch wirklich um uns kümmern kann.
Der Vertrag mit Massacre war auf ein Album beschränkt, und insofern haben wir uns für das neue Album natürlich umgesehen, welche Möglichkeiten es gibt.
Wir haben uns im Vorfeld wirklich viele Gedanken darüber gemacht, wie wir das neue Album veröffentlichen wollen, und haben auch sehr ernsthaft daran gedacht, das wieder im Eigenvertrieb zu machen. Die Sache mit Massacre war halt die: Das war schon irgendwie okay, und sie haben auch ein ordentliches Release hinbekommen. Wir hätten es auch definitiv nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wieder mit ihnen zusammenzuarbeiten. Nur leider ist halt nach dem Release und der Pressung gar nichts mehr gekommen – keine Promo-Maßnahmen, nichts. Und ganz im Ernst: Eine CD pressen lassen und vertreiben, das können wir auch selbst, wir decken ja hauptberuflich von der Tontechnik übers Grafikdesign bis zum Webdesign alles ab. Natürlich vertriebstechnisch nicht mit der Reichweite wie Massacre, aber ohne Label bliebe dann vielleicht auch mal was für uns übrig.
Für Gentle Art Of Music haben wir uns dann entschieden, weil sie uns im persönlichen Gespräch sehr nachhaltig das Gefühl vermitteln konnten, dass ihnen unsere Musik wichtig ist und sie da auch in Promo investieren wollen und werden. Das ist eben genau der Punkt, den wir als Band nicht abdecken können und der uns bisher komplett gefehlt hat. Weil kein Label bisher investiert hat und wir nicht das Kapital haben. Zudem ist der Vertrieb über Soulfood natürlich auch sehr, sehr gut, insofern ist auch diese Seite abgedeckt.
Bis jetzt sind wir von der Zusammenarbeit begeistert, da tut sich wirklich was. Es ist für uns komplett neu, dass uns ein Label mal Sampler-Tracks bucht oder Magazin-Features organisiert. Das merken wir schon jetzt enorm, das hat eine komplett andere Dimension.
Regelt ihr denn trotzdem die Promotion noch im Wesentlichen selber oder steuert das normalerweise GAOM oder deren Agentur cmm – the heart of rock’n’roll?
Wie ist bislang das Medieninteresse?
Was wir an Promotion leisten können (Social Media etc.) machen wir immer noch selbst. Aber GAOM kümmert sich da wirklich um viel, etwa um die Magazin-Features im “Break Out”, “Orkus” etc., oder um die Sampler-Tracks im “Eclipsed”, “SLAM”, “New Species”. Wir arbeiten ihnen da auch zu, was die Promo-Materialien angeht.
Das Medieninteresse ist bis jetzt sehr gut, gerade Printmedien schenken uns mehr Aufmerksamkeit als zuvor. Dabei ist die CD ja noch nicht mal veröffentlicht. Bisher gab es hier und da hinten im Heft eine Review – das ist natürlich auch schön und wichtig, aber eben schon was anderes als ein Interview oder Feature.
»„When We Were Beautiful“ ist kein Konzeptalbum«
“Tod wurde zum Thema” heißt es im Label-Info – ist es also ein Konzeptalbum? Wie lautet dann das Konzept genau?
Nein, „When We Were Beautiful“ ist kein Konzeptalbum. Ich bin auch kein sonderlich großer Fan von Konzeptalben. Uns war es aber schon immer wichtig, Alben zu veröffentlichen, die in sich stimmig und zusammenhängend sind, da zieht sich musikalisch wie textlich schon immer ein roter Faden durch. Das ist beim neuen Album natürlich wieder so, und für mein Gefühl sogar noch etwas stärker als es zumindest bei „Saturnine“ oder „November Red“ der Fall war. Thematisches Zentrum ist für mich auch nicht so sehr der Tod als solcher. Direkt in das Album hinein spielt auf dieser Ebene eigentlich nur bei „Finally“ der ganz konkrete Tod von Markus Berger , von dem wir in dem Song Abschied nehmen und der unseren Kampf um eine angemessene Haltung zu seinem Sterben und Tod beschreibt.
Zentrales Thema des Albums sind für mich die Vergänglichkeit und die Erinnerung, und Letztere hat zwei Seiten: Da ist natürlich erst mal, auch im Albumkontext, die schmerzhafte, traurige Erinnerung, aber eben nicht nur die, sondern auch die schöne Melancholie bei der Erinnerung an Vergangenes. Es ist da also nicht alles negativ, es geht auch darum, dass immer wieder auch Schönes zum Vorschein kommt: „We´ll find a way to be in tune and beautiful again“.
Auf der emotionalen Ebene aber trifft das mit dem Thema Tod absolut zu, das hat uns die ganze Zeit begleitet und war für uns als Band in dieser Zeit schon sehr prägend.
“Wir wollen in jeder Hinsicht so weit gehen, wie es geht” – was bedeutete das konkret für Songwriting und Aufnahme von WWWB?
Der große Unterschied zu den bisherigen Alben ist natürlich, dass Markus nicht mehr dabei ist. Bisher war es ja immer so gewesen, dass ich Ideen vorbereitet habe und diese dann mit ihm zusammen zu Songs ausgearbeitet habe. Und natürlich fehlte damit jetzt auch ein Element, das bisher immer stark vertreten war.
Rein musikalisch aber hatte ich tatsächlich keine Bedenken, dass die Songs nicht gut werden würden. Emotional war es da für mich schwieriger, mich zu emanzipieren. „Let Me Down“ war der erste Song, den ich geschrieben habe, und das ist im Prinzip ein klassischer Dante-Song, so wie ich ihn eventuell mit Markus zusammen geschrieben hätte. Das war auch der einzige, der noch zu seinen Lebzeiten entstanden ist.
»Im Zweifelsfall muss der Gitarrist halt viel üben«
Nach Markus´ Tod habe ich dann aber den für mich einzig dauerhaft gangbaren Weg gefunden Dante-Songs zu schreiben, nämlich den, die Stücke so zu gestalten, wie ich sie gut finde und schreiben möchte. Und auch wenn das jetzt vielleicht etwas unsentimental klingt: Ich habe da eigentlich beim Schreiben mehr die Chancen gesehen. Klar fehlt ein Element, aber wir konnten jetzt auch einiges machen, was mit Markus so nicht gegangen wäre, insofern kommen viele Elemente neu dazu.
Wie meinst Du das?
Musikalisch konnte ich die Songs halt kompromisslos schreiben, ohne irgendwie Rücksicht zu nehmen. Ich hatte mit Markus eine ganz wunderbare musikalische Zusammenarbeit, aber er war nie der Geduldigste, da sind immer auch viele Ideen unter den Tisch gefallen, für deren Ausarbeitung er nicht die Geduld hatte. Das war diesmal natürlich anders. Die Songs sind jetzt schlicht so, wie ich denke dass sie sein sollen, und im Zweifelsfall muss der Gitarrist halt viel üben! In diesem Sinne habe ich da das Songwriting so weit getrieben, wie es ging.
Ferner ist es auch so, dass Alex und Chris diesmal viel früher involviert waren und ihr Feedback gegeben haben, auch das eröffnet dem Dante-Sound eine neue Dimension. Aus beiden Punkten ergibt sich für mich, dass wir 2016 moderner klingen als je zuvor, teils auch abgedrehter, aber mit noch mehr Fokus auf Melodie.
Drittens hat das eine ganz reale Komponente. Wir betreiben Dante so professionell wie möglich, arbeiten hart und zuverlässig daran, die Band voranzubringen. Aber natürlich können wir von der Band nicht leben, haben Jobs, müssen uns für Konzerte Urlaub nehmen etc. Unser Ziel ist es, bei all diesen Beschränkungen, die nicht wirklich in unserer Verfügbarkeit liegen, das Maximum herauszuholen und zu erreichen, was drin ist. Was auch immer das dann konkret sein mag.
»Wir waren bei aller Komplexität der Musik nie die Band, die versunken ihre Instrumente spielt und eigentlich gar kein Publikum bräuchte«
Während die bisherigen Cover-Artworks für Dante-Alben alle einen gewissen “Prog”-Assoziationshof hatten, würde das von WWWB auch in einem Melodic-
Rock- oder gar Pop-Kontext funktionieren – ist das Absicht oder ein Mitnahmeeffekt?
Ich sehe das eher als Entwicklung, da die klassischen Prog-Elemente bei Cover und Booklet von Album zu Album weniger wurden. Schon „November Red“ setzt beim Booklet, abgesehen vom Cover, nahezu komplett auf Typographie. Aber natürlich war es noch einmal ein deutlicher Schritt vom Kollagenhaften hin zum Fotografischen. Den haben wir auch ganz bewusst so gemacht. Natürlich sind wir musikalisch Prog, keine Frage, und an diesem Markenkern wird sich auch nichts ändern! Aber tatsächlich verstehen wir uns als Band eher als Rock- oder Metalband, nicht so sehr als Prog-Formation. Wir wollten da auch einfach moderner und offener rüberkommen, weil wir ja, bei aller Komplexität der Musik, nie die Band waren, die versunken ihre Instrumente spielt und die eigentlich gar kein Publikum bräuchte.
Das ist für mich auch ein großes Problem vieler Progbands und meiner Meinung nach verantwortlich für den insgesamt eher schlechten Ruf des Genres bei vielen Leuten, die bei Prog eben immer vor allem an „Musiker-Musik“ denken. Natürlich geht es im Kern immer und zuerst um die Musik, keine Frage. Aber es gibt schon eine Menge progressive Bands, die muss ich ehrlich gesagt nicht live sehen, da höre ich mir lieber die CD an, zuhause, bei gutem Sound und einer Flasche Rotwein, weil ihnen zuzusehen einfach, nun ja, langweilig ist. Um da nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde es völlig okay, wenn Bands auf die Präsentation keinen großen Wert legen, und habe da auch vor den Kollegen wirklich großen Respekt. Wir wollen aber auch Leuten außerhalb der engeren Szene zeigen, dass komplexe Musik durchaus Spaß machen kann und nicht primär nur anstrengend ist.
Auf Mitnahmeeffekte zielt das nicht, dann würden das Cover und das Booklet sicher anders aussehen. Klar, das Cover regt zu einer Reaktion an, das ist auch gewollt. Aber zum einen ist das Motiv für mich viel näher an der Venus von Milo als, sagen wir, am Playboy, und zum anderen hat das Cover ja einen Kontext, nämlich den Titel „When We Were Beautiful“. Das Motiv ist nicht isoliert zu betrachten, sondern genau in diesem Kontext des Titels und des kompletten Albums.
Aber ja, wir haben bei der Cover-Auswahl schon versucht, das so zu gestalten, dass sich andere Zielgruppen als die harten Progfans nicht schon beim Anblick eines „Generic Prog Covers“ gelangweilt abwenden. Und das kann ich gut verstehen, das teile ich persönlich auch, weil ich die meisten der Cover in dem Genre einfach nicht gut finde, das wirkt oft als recht willkürliches Sammelsurium von pseudo-sinnhaften Elementen ohne Bezug zum konkreten Album, als bloßes Sich-Bedienen an der gängigen Bildsprache.
Das Feature im Orkus ist da ein gutes Beispiel für diese Horizonterweiterung: Mit dem Pinguin-Mann von „The Inner Circle“ wäre es sicher schwerer gewesen, dabei gibt es in den Gothic-Kreisen viele, die uns musikalisch wirklich mögen, das haben wir z.B. bei den Konzerten mit Lacrimas Profundere immer wieder gemerkt. Diesen Fans gefällt, was wir machen, aber von sich aus wären sie nie auf uns gekommen, weil da eben das „Prog“-Schild als eher abschreckender Stein um den Hals hängt.
Nochmal, es geht uns nicht darum, uns inhaltlich zu verändern, wir werden das sicher nicht tun und uns auch nirgendwo anbiedern. Aber moderner und offener erscheinen, das ist sicher ein Ziel und Absicht des Designs gewesen.
Dave Meros (Bass; u.a. Spock’s Beard), Markus Steffen (Gitarre; u.a. Subsignal), Martin Miller (Gitarre, u.a. Tom Goetze Band), Martin Schnella (Gitarre, u.a. Flaming Row, SSTTGD), Mischa Mang (Gesang; u.a. Jesus Christ Superstar, Hair), Marcus Becker, Ben Eifert (Gitarre, u.a. Aeneas), Bernd Schönegge (Gitarre; u.a. Thoughts Factory), Sebastian Kister: Wie kommt man an eine solche Gästeliste, wer hat diese Gäste warum ausgewählt, und gab es Wünsche, die diesmal noch nicht realisiert werden konnten?
Ganz ursprünglich war das so umfassend gar nicht geplant gewesen. Klar war zu Beginn ja nur, dass wir irgendjemanden finden mussten, der den Bass einspielt. Wir hatten dann die Idee, dass wir ja Leute aus der Szene fragen könnten, ob sie das übernehmen. So kamen Bernd Schönegge und Sebastian Kister ins Boot. Beide kannten wir persönlich. Wir haben sie einfach gefragt, ob sie bereit wären. Glücklicherweise habe beide sofort zugesagt.
Die Idee, weitere Gastmusiker zu haben, kam erst etwas später und steht primär in Zusammenhang damit, dass sich im Laufe der Zeit mehr und mehr herauskristallisierte, dass unser alter Gitarrist und Freund Markus A. Bader große Schwierigkeiten haben würde, seine Studioparts einzuspielen. Er hatte einfach eine persönlich sehr schwere Zeit mit vielen Baustellen jenseits der Musik. Wir haben da lange auf ihn gewartet in der Hoffnung, dass sich das bessert, leider kam es aber nicht so. Irgendwann mussten wir dann eine Entscheidung treffen, sonst hätte sich das Album noch unabsehbar länger verzögert.
So kamen dann die ersten Gastgitarristen an Bord, zunächst für Soloparts. Das war insofern wichtig, als Chris für das Drumrecording die fertigen Soli gebraucht hat, weil er da auch immer drauf eingeht. Das kann man z.B. bei ‘Rearrangement Of The Gods’ gut hören. Ohne das fertige Solo von Martin Miller hätte er eben den Beat weitergespielt, das wäre schon auch gut gewesen, aber so hat das doch ein ganz anderes Niveau! Markus Steffen war dann für das große epische Finalsolo bei ´Finally´ für mich eine komplett naheliegende Wahl, diese Art Solo spielt für mein Empfinden niemand besser.
Naja, und von den Gastgitarristen war es dann nur noch ein kleiner Schritt, auch hier und da Gastsänger dabei zu haben. Gerade das Finale von ´Finally´ war da absolut prädestiniert dafür.
Tatsächlich haben wir da einfach mal Namen zusammengetragen, wer denn in Frage kommen könnte, und dann haben wir einfach gefragt! Und im Prinzip haben da nahezu alle sofort zugesagt. Andrew Bishop kannten wir von den gemeinsamen Konzerten mit COPIA, und seine Stimme fand ich da schon großartig. Für ´Until The Last Light Breaks In´ hatte ich die Idee der Gesangseinwürfe, mir schwebte da so eine Doug Pinnick-Stimme vor. Da passte Andrew absolut perfekt.
Besonders war dann natürlich die Sache mit Dave Meros, der ja zusammen mit Chris Squire Markus´ Lieblingsbassist war. Der Name fiel sofort, und über Martin Schnella kam der Kontakt dann zustande. Dass ausgerechnet Dave bei unserem Tribute für Markus den Bass spielt, bedeutet uns, gerade emotional, wirklich sehr sehr viel!
Fließt für solche Unterstützungsleistungen Geld oder regelt ihr das bargeldlos bzw. in “Naturalien” (vgl. Deine Tätigkeit als Live-Keyboarder für Subsignal; Gästebeiträge im Gegenzug)?
Das regeln wir tatsächlich in der Regel bargeldlos. Bei Ben Eifert und Julian, den ich damals ursprünglich nur gefragt hatte, ob er uns helfen könne, war das damit verbunden, dass ich bei der Aeneas- und The Phane-Produktion aufnahmetechnisch etwas geholfen habe. Und natürlich werden wir, falls einer der Gastmusiker Unterstützung will oder braucht, uns auch revanchieren, keine Frage.
Mein Engagement bei Subsignal ist da aber tatsächlich ganz außen vor, das hat nichts mit Markus Steffens Gastbeitrag zu tun. Ich bin ja 2013 beim Rock Of Ages für David Bertok eingesprungen, das lief damals sehr gut, daher war der Kontakt ja schon da. Markus hat mich dann erst Mitte des Jahres gefragt, ob ich bei der Tour dabei sein möchte, das hat dann auch sehr gut funktioniert, und so bin ich jetzt wie Dirk Brand quasi fester Sessionmusiker für Live und Studio.
Wo und was singt Mischa?
Mischa singt im Finale von ´Finally´ zwei Parts. Zum einen mit Martin Schnella und Marcus Becker den Haupt-Vocal-Loop „Here at the wall…“, dann später in dem Teil die Solostimme mit dem „Do you wanna feel…“
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem zuletzt hinzugekommenen Dantisten Julian?
Julian ist ein kompletter Glücksfall für uns. Er ist nicht nur von seiner Spielfähigkeit enorm, wir verstehen uns auch wirklich sehr gut. Er passt hervorragend zu uns. Ohne Zweifel ist Dante mit ihm vom Spielniveau auch nochmals ein ganzes Stück besser geworden!
Das Lustige war, dass ich ihn ja ursprünglich nur nach Unterstützung für die Albumproduktion gefragt hatte, was er sofort übernommen hat. Zu der Zeit hatten wir noch gehofft, dass wir, zumindest live, noch mit Markus Bader weitermachen können. Julian hat dann, als er seine Parts drin hatte, angeboten, dass er gerne jederzeit, wenn wir wieder Hilfe bräuchten, dabei wäre, als Studiomusiker oder auch zusätzlicher Livegitarrist. Und wie es manchmal so spielt, zwei Wochen nach dieser Aussage habe ich dann bei ihm angerufen, ob er sich nicht vielleicht vorstellen könnte, den Gitarrenposten bei Dante ganz zu übernehmen, da Markus Bader in der Zwischenzeit die – leider unausweichliche – Konsequenz gezogen hatte und ausgestiegen war.
Von wem stammt das phantastische Gitarrensolo ab 9: von ‘Rearrangement’?
Das ist von Martin Miller! Martin war der erste, der ein Gastsolo eingespielt hat, Chris hatte da den Kontakt. Das Solo hat uns auch absolut umgehauen! Das war so gut, dass wir ihn gleich noch für die zwei Soli für ‘Until The Last Light Breaks In’ gefragt haben…
Kannst Du uns bitte zu Marcus Becker (hurra, wieder ein Marcus!) und Sebastian Kister Genaueres sagen?
Marcus haben wir bei unserem gemeinsamen Auftritt mit seiner damaligen Band Thoughts Factory als Support für Subsignal 2014 kennengelernt. Insofern war er auch einer der ersten Namen, die für mögliche Gesangsunterstützung fielen. Und dass er ein großartiger Sänger ist, hat ja inzwischen auch Arjen Lucassen erkannt, da war Marcus ja Teil des „Theater Equation“-Chores.
Sebastian war uns durch seine großartige Arbeit bei Symbolic bekannt, die Band ist auch wirklich sehr sehr stark. Der Gesang ist zwar nicht ganz so meins, aber instrumental ist das absolut herausragend. Er war auch mal bei einem Dante-Konzert in Ingolstadt, das hat ihm offensichtlich auch gefallen, er hat jedenfalls gleich zugesagt. Sebastian war tatsächlich so ziemlich der erste, der uns einfiel, als wir über die Besetzung der Bassposition für die technisch ausgesprochen fordernden ‘Rearrangement Of The Gods’ und ‘Until The Last Light Breaks In’ sprachen. Die Songs sind nämlich schon für alle anderen Instrumente eine echte Herausforderung, aber der Bass, das ist echt hart!
Apropos – wer spielt eigentlich wo Bass, bei welchen Stücken übernimmst Du diesen Part?
Bernd Schönegge spielt bei ‘Beautiful Again” und ‘Let Me Down’, Sebastian bei ‘Rearrangement Of The Gods’ und ‘Until The Last Light Breaks In’, Dave Meros bei ‘Finally’. Nur bei ‘Ambitious’ hat es mit dem „Szene“-Gastmusiker nicht geklappt, da hatten wir ein paar Namen auf der Liste, das ist aber leider nicht rechtzeitig zustande gekommen. Für den Song haben wir dann, um die Deadline einzuhalten, einen Studiobassisten engagiert.
‘Ambitious’ beginnt mit ausgesprochen verspielten Stereo-Effekten – so etwas war ja eine ganze Zeit lang ziemlich aus der Mode, oder?
Das mit der Mode mag so sein, ich hab das tatsächlich länger schon nicht mehr gehört in Produktionen. Tatsächlich aber habe ich auf so was wie Mode noch nie Rücksicht genommen. Das ist das Schöne daran, wenn man außerhalb des Radioformates schreibt: Da geht so was. Ich fand das einfach gut an der Stelle, deswegen habe ich das dann so gemacht.
‘Ambitious’ hat neben einer vertrackten Rhythmik und wunderbarem Walking Bass auch besonders schönen “Chorgesang” – ist das nur Alexanders Stimme im Multitrack-Verfahren? Wie lässt sich das live reproduzieren?
Der Chorgesang ist tatsächlich Multitrack, aber das ist ja normal bei einer Studioproduktion. Alex hat die Parts mehrfach eingesungen, zudem hat Chris das gedoppelt. In der Mischung klingt das dann so wie auf der Platte. Live verteilen wir die Parts, Alex singt die Hauptstimme, Chris und ich teilen uns die Zweitstimmen auf.
»Ein Dante-Album ohne Hammond – das geht nicht!«
Die fetten Orgel-Sounds sind erfreulicherweise ein Dante-Trademark geblieben – wie sieht Dein aktuelles Equipment aus?
Ein Dante-Album ohne Hammond – das geht nicht! Auch wenn wir in vielen Facetten (Riffing, Sounds etc.) moderner sind als auf früheren Alben, Platz für eine Hammond und Mellotron-Sounds wird es immer geben.
Im Studio habe ich eine Reihe von Hardware-Keyboards und auch Software-Instrumente verwendet. Die Orgelsounds sind von einer Hammond XK-1c, die, teils durch einen Gitarren-Overdrive verzerrt, in den Neo Instruments Ventilator lief. Ein paar Orgel Padsounds im Hintergrund sind auch Hammondsounds vom Korg Kronos, meinem Liveinstrument. Für ein paar Moog-Sounds habe ich mir einen ausgeliehen, teils war das auch Software. Manchmal ist das im Kontext dann sogar besser als das Original. Klavier und Orchestersounds sind Software-Instrumente.
Habt Ihr mehr als bisher mit Samples gearbeitet? Falls ja, warum?
Ich denke, dass das insgesamt eher weniger geworden ist. Merklich zugenommen hat zwar die Anzahl der Soundlibraries, die ich für Sounddesign benutzt habe, für die Intros und Outros etwa. Aber insgesamt bei der gesamten Produktion deutlich weniger, was daran liegt, dass wir diesmal alle Gitarren über Amps aufgenommen haben und vor allem, dass ich mir diesmal auch die Mühe gemacht habe, Chris´ Drums bei mir im Studio aufzunehmen und wir fast komplett aufs Triggern verzichtet haben. Wir wollten bei dieser Produktion einen bestimmten Sound, der wuchtig, dicht, druckvoll, aber eben immer auch warm und natürlich sein soll. Keine dieser hochgezüchteten Metalproduktionen, bei denen das Schlagzeug nur noch aus Samples besteht.
Würdest Du denn unterschreiben, dass WWWB noch etwas härter als “November Red” ausgefallen ist?
Absolut! Das ist aber nicht so, dass ich mir das vorgenommen habe, das hat sich so entwickelt. Das ist sicher ein großer Unterschied zu der Zeit mit Markus, der ja bisher immer hauptverantwortlich war für die Riffs: Markus ist eben gitarrentechnisch eher bei Bands wie Iron Maiden oder Judas Priest zu Hause. Jetzt, wo ich die Riffs schreibe, klingt das natürlich etwas anders. Ich bin da eher bei Bands wie Tool, Rammstein oder Machine Head.
Für ‘Until The Last Light Breaks In’ hast Du nicht nur die Musik, sondern auch den Text geschrieben – worum geht es bei dieser tempowechselreichen Powerballade?
Um das Erinnern. Um den Menschen, den man mal geliebt hat und der aus dem eigenen Leben verschwunden ist vor vielen Jahren. Um Worte, die man damals hätte sagen sollen. Um das Leben, das man mal geführt hat, früher. Dass manche Dinge nur einmal möglich sind, zu einer bestimmten Zeit, dass alles seine Zeit hat.
Das von Chris geschriebene, von Dir nur arrangierte “Sad Today” bleibt über die ganze Laufzeit (bis zum noisigen Fade-out) eine Piano-Ballade – sticht
es damit vom Rest des Albums nicht sehr ab?
Die Klavierballade ist ja ein wiederkehrendes Element der Dante-Platten, insofern ist das ja erstmal nichts Neues. Es ist aber tatsächlich so, dass ich dieses Mal kein Bedürfnis verspürt habe, eine Ballade für das Album zu schreiben. Das kann ich auch gar nicht wirklich begründen. Hätte Chris den Song nicht gebracht, hätte das Album wohl keine Ballade gehabt. Als er uns aber seine Songidee vorgestellt hat, fanden wir das wirklich gut, und als Ruhepause vor ‘Finally’ passt er meiner Meinung nach schon sehr gut auf das Album. Obwohl, oder vielleicht gerade auch wegen der größeren Fallhöhe zum Energielevel der anderen Songs im Vergleich zu den früheren Alben.
Kurzinfo:
Dante – When We Were Beautiful
(63:55, CD, Gentle Art Of Music/Soulfood, 2016)
Bewertung: 13/15 Punkten
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Dante wird sich dieses Jahr auch erfreulich häufig live zeigen, darunter in besonders interessanten Kombinationen – wie der mit den großartigen, aber musikalisch völlig anders gelagerten Black Space Riders. How come? Apropos live: Subsignal scheint von Album zu Album eingängiger und gefälliger zu werden – wie kommst Du damit klar, als Hörer und Interpret?
Das lief über Break Out Promotion, die das Event mit Subsignal und den Black Space Riders organisiert haben. Mike Möller von Breakout ist ja auch Manager von Subsignal, und weil ich da also eh mit Subsignal auftrete, hat man Dante gleich mitgenommen. Was für uns natürlich prima ist!
Als Hörer finde ich, dass eigentlich nur “Paraiso“ in gewissem Sinne gefällig ist, „Beacons“ geht da für mein Empfinden wieder ein gutes Stück zurück. Tatsächlich gefällt mir aber persönlich als Hörer „Paraiso“ – auf hohem Niveau – am wenigsten, „Beautiful & Monstrous“ am besten.
Als Interpret habe ich da keinerlei Problem damit, da ja selbst die eingängigeren Nummern musikalisch gar nicht so ohne sind, und gerade die “Paraiso”-Songs machen tatsächlich live sehr viel Spaß, uns und dem Publikum. Tatsächlich mag ich eingängige Songs auch sehr, wenn sie musikalische Qualität haben.
Was sagst Du zur “Nominierung” von Subsignal für das diesjährige “Night of the Prog”-Festival?
Ich finde das klasse! Das NotP ist eben „das“ Progevent hierzulande, dort zu spielen ist schon eine tolle Sache. Für die Band, aber auch für uns Musiker. Und die Location und das Publikum ist absolut phantastisch, auf den Gig freue ich mich wirklich sehr.
Sorry, aber ich muss Dich das einfach fragen – wie gefällt Dir “The Astonishing”?
Ich hab´s geahnt. Ich bin da gespalten. Zunächst mal bin ich grundsätzlich Dream-Theater-Fan, ich mag ihre Musik und ihre Konzerte. Auch wenn das letzte Album, das mich wirklich total überzeugt hat, “Six Degrees” war. Mit den letzten Alben war das gefühlt für mich ein wenig Stagnation auf hohem Niveau. Was auch absolut okay ist, man kann, denke ich, einfach nicht erwarten, dass eine Band so lange dabei ist und ein Überalbum nach dem anderen raushaut.
Einen persönlichen Tiefpunkt hatte ich dann bei DT12, das ist tatsächlich das erste DT-Album, das mir überhaupt nicht gefallen hat. Ich hatte da schon den Gedanken, dass es mir da jetzt mit Dream Ttheater ähnlich gehen könnte wie mit Queensryche, Paradise Lost, Symphony X oder Fates Warning – dass die Band aufhört, mir zu gefallen. Insofern war ich sehr überrascht, dass sie jetzt so ein radikal anderes Album aufgenommen haben. Das hätte ich nicht mehr erwartet, und das freut mich einerseits sehr. Ich halte es für ein erfrischend anderes Album. Einerseits.
Andererseits muss ich sagen, dass ich, nach der anfänglichen Freude, kein Riesenfan des Albums geworden bin, was ich für möglich gehalten hätte beim ersten Hören. Für mich schon ein gutes Stück weg von „Images & Words“ oder „Scenes From A Memory“. Schon ein gutes Album, aber mir zu eintönig auf Dauer von zwei Stunden. Als Einzel-CD sähe das vielleicht anders aus.
Aber vielleicht bin ich auch einfach zu wenig Fan von Konzeptalben. Da ist mir meist die Story zu cheesy und platt, und selbst bei wirklich gelungenen Konzeptalben finde ich die in der Regel schlechter als die guten „normalen“ Alben der Bands. „The Lamb Lies Down On Broadway“ ist sehr gut, aber für mich eben doch kein „Selling England By The Pound“, und „Tales From Topographic Oceans“ kein „Fragile“.
Danke für das Gespräch!
PS – Dante live:
01.04. München, Garage Deluxe, Release Concert, m. Aeos
02.04. Nürnberg, Luise, m. District 97, Effloresce
08.04. Mannheim, 7er Club
18.05. Katowice, Live DVD Recording, m. Pendragon, Art Of Illusion
19.05. Ludwigsburg, Rockfabrik, m. Ivanhoe, Support für Subsignal
20.05. Essen, Turock, Space Prog Rock Night m. u.a. Black Space Riders, Subsignal
21.05. Augsburg, Abraxas Theater
05.06. Oberhausen, Zentrum Altenberg, Gentle Art Of Music Labelnight, m. u.a. Crystal Palace, Frequency Drift, GAOM All Star Band feat. RPWL
14.10. Hannover, m. Crystal Palace
26.11. Oberhausen, m. Ashby
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Dante 2016 sind:
Alexander Göhs Gesang
Markus Maichel Keyboards, Komposition
Christian Eichlinger Schlagzeug
Julian Kellner Gitarren.
Fotos: Christina Bulka