(47:20, CD, Polydor / Universal, 1976) / (38:14, CD, Polydor / Universal, 1977)
Ein kleine Zeitreise: Miguel Ríos erreichte in unseren Breiten Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre vor allem mit seiner Interpretation von „Freude schöner Götterfunken“ einen gewissen Bekanntheitsgrad. „A Song Of Joy“ eroberte 1970 den ersten Platz der Charts in Deutschland, Österreich und in der Schweiz und verkaufte sich weltweit sieben Millionen mal. Von diesem Erfolg angetrieben, schob der Spanier den von Ralph Siegel komponierten, deutsch gesungenen Titel „Sonnenschein und Regenbogen“ nach. Seine Schlager-Erfolgsgeschichte konnte er damit aber nicht fortsetzen – zum Glück! Denn anschließend wurde Ríos einer der bedeutendsten Rockmusiker auf der iberischen Halbinsel, sehr lange prägte er die spanische Rockszene maßgeblich.
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In den Jahren 1974 bis 1977 wagte der im andalusischen Granada geborene Ríos einen deutlichen Stilwechsel. Möglicherweise beeinflusst durch die damals sehr aktiven, teils vom Flamenco geprägten Progressive-Rock-Bands aus jener Region Südspaniens, wie z.B. Alameda, Triana oder Guadalquivir, widmete er sich für kurze Zeit ebenfalls dem Prog spanischer Prägung. Während sein 74er-Werk „Memorias De Un Ser Humano” noch von Folk, Pop und Rock geprägt war, jedoch bereits gewisse verspielte sinfonische Ansätze erkennen ließ, startete er mit den beiden folgenden Alben richtig durch.
„La Huerta Atómica“ (1976) und „Al-Andalus“ (1977) wurden mit spanischen Sessionmusikern eingespielt und können als Klassiker des sinfonischen Progressive Rock mit teils deutlichem spanisch-arabischen Einschlag gewertet werden. Das 76er-Werk „La Huerta Atómica“ (frei übersetzt: “Der atomare Gemüsegarten”) markierte den konsequenten Schwenk zu sinfonischem Progressive Rock mit mehrteiligen, manchmal ineinander übergehenden Stücken und kurzen Überleitungen mit Sprechpassagen – dies alles verpackt in ein sozialkritisches Konzept. Dafür holte sich Miguel Ríos namhafte spanische Sessionmusiker ins Studio. Vor allem die Keyboards (Moog, Mellotron) im Wechselspiel mit der Gitarre nehmen eine sehr dominante Rolle ein, ohne das Album zu überladen. Im Gegensatz zum komplexeren und stilistisch vielschichtigeren Nachfolger „Al-Andalus“ ist „La Huerta Atómica“ im melodischen, ausladenden Bereich unterwegs, wobei kleinere Anleihen bei „normaler“ Rockmusik erfolgen, so bei ‚Una Siesta Atúmica’ und beim einzigen in englischer Sprache gesungenen Stück ‘Yankee Johnny’. Prägend sind dennoch sind die progressive Grundausrichtung und ein sinfonischer Anstrich bei den elegischen Instrumentalparts und in bombastischen Momenten.
1977 erschien „Al-Andalus“, definitiv ein Prog-Highlight jener Zeit aus Südeuropa. Interessant vor allem, wie hier immer wieder arabische Elemente einfließen (ein Intro ist sogar komplett arabisch gesprochen) und auch eine deutliche spanische Note Einzug hält, die nicht auf Flamenco-Plattitüden zurückgreift. Neben dem kraftvollen, leicht tremolierenden Organ von Miguel Riós glänzen die Instrumentalisten an Keyboards und Gitarre. Alles wirkt kompakt, aber quirlige Rhythmen und die stilistische Vielfalt von sinfonischem bzw. klassisch geprägten Rock (teilweise auch von Streichern und Bläsern unterstützt) bis zu moderaten Jazzrock-Einflüssen sorgen für jede Menge Abwechslung. Das Album wird von einer ganz eigenen Atmosphäre zusammengehalten , die mitunter ins Melancholische, gegen Ende sogar leicht ins Schmalzige gleitet. „Al-Andalus“ überrascht immer wieder mit Dynamikwechseln – einer gekonnten Balance zwischen schmachtendem Gesang in eher ruhigen, sinfonisch geprägten Teilen und kurzfristig expressiven Instrumental-Exkursionen. Einziges Manko: Hin und wieder wünscht man sich längere Soloparts, denn gerade wenn die Band so richtig in Schwung kommt ist meist schon wieder Schluss.
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Im direkten Vergleich hat „La Huerta Atómica“ seine Stärken eher im melodisch-sinfonischen Bereich, während „Al-Andalus“ vor allem durch seinen spanisch-arabischen Touch überzeugt. Beide Platten sind bedenkenlos zu empfehlen.
Bewertung: „La Huerta Atómica“ 11/15 Punkten (JM 11, KS 11) , „Al-Andalus“ 12/15 Punkten (JM 11, KS 12)
Surftipps zu Miguel Ríos:
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Abbildungen: Miguel Ríos / Polydor