(38:44, Download/Vinyl, Eigenverlag (Babi Yaga), 2015)
Es gibt immer wieder Bands, da ist man bestürzt, wenn man von deren Auflösung hört. So auch bei den schottischen Ausnahme-Postrockern Aereogramme, die 2007 unter anderem aus finanziellen Gründen den Split vollzogen. Erfreulich war es, dass die Protagonisten Craig B. und Iain Cook unter dem Namen The Unwinding Hours das Erbe von Aerogramme antraten. Zwar war man deutlich akustischer ausgerichtet, aber umso mehr erstrahlte vor allem Craig B.s wunderbare Stimme. Als Iain Cook allerdings im Jahr 2013 mit der Gruppe Chvrches der große Durchbruch gelang, konnte man schon ahnen, dass auch die Tage von The Unwinding Hours gezählt waren. Wenig erstaunlich ist es also, dass Craig B. seit Oktober 2015 als A Mote Of Dust seine eigenen Wege geht und mit dem gleichnamigen Album unter Beweis stellt, dass er auch ohne den Kollegen Cook eine Klasse für sich ist.
“A Mote Of Dust” ist ein äußerst intimes und intensives Werk, das hauptsächlich auf zarte akustische Gitarrenklänge, Pianotupfer, Soundscapes und insbesondere auf B.s eindringlichen Gesang setzt. Nur selten ist ein rhythmischer Unterbau in Form elektronischer Beats zu hören, alleine die Intimität erzeugt die Spannung. Auf die Frage, ob er an Gott glaube, antwortet Craig B. in einem Interview mit sich selbst: “Strange question. Anyway, no. I was brought up catholic, then became a born again christian and now I’m an atheist. Buy me a whisky and I will happily tell you the long version. Probably with added swearing.”
Mit diesen und ähnlichen Themen setzt sich “A Mote Of Dust” in knapp 40 Minuten auseinander. Ist der Titelsong noch eine Art instrumental-akustisches Mantra, werden bereits in ‘Cracks In The Mirror’ Glaube und Religion kritisch hinterfragt. Ein Höhepunkt des Albums ist der Titel ‘Pull Me Back In’, den man als Hilferuf aus einer totalen Isolation interpretieren darf. Das zunächst vom E-Piano getragene Stück bricht zur Mitte hin in eine geradezu bedrohliche Dynamik aus – Erinnerungen an Aereogramme werden wach. In ‘Work Of Our Hands’ wird der liebe Herrgott gleich persönlich zur Rede gestellt:
“If you sit down with me
One with no soul
then we can discuss what’s the best way to go
To bring about change
That benefits all
But don’t mention
Divine intervention”
In knapp zwei Minuten stellt Mr. B. seinen Standpunkt ohne große Umschweife dar. Auch ‘The Wolves In The Valley’ und ‘The Circus’ bleiben beim Thema und setzen sich kritisch mit Bigotterie und religiöser Indoktrination auseinander. ‘Home’ schließlich beschließt das Werk minimalistisch, mit der Aussicht auf einen Neuanfang.
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Ohne Frage bewegt sich “A Mote Of Dust” auf einem Terrain, das vom Post-Rock à la Aereogramme sehr weit entfernt ist, andererseits ist Craig B.s Musik auf eine ganz andere Art für ein anspruchsvolles Publikum interessant, nicht zuletzt weil er sich auch thematisch so deutlich positioniert (man könnte fast von einem Gegenentwurf zu Neal Morse sprechen). Aber auch, weil es B. und seinem Mitstreiter Graeme Smillie an Bass und Piano gelingt, mit akustischer Gitarre und Piano eine so bemerkenswert dichte und filigrane Atmosphäre zu schaffen, dass es eine ausgesprochene Empfehlung wert ist.
Hörer, die neben den erwähnten Aereogramme oder The Unwinding Hours Musik von The Blue Nile, Mark Hollis oder auch Nick Drake in ihrer Sammlung haben, sollten “A Mote Of Dust” auf keinen Fall verpassen. Trotzdem verzichte ich auf eine Bewertung nach Punkten, weil das Etikett “Progressive Rock” hier einfach nicht passt. Am Rande sei noch bemerkt, dass “A Mote Of Dust” in den Formaten Download und Vinyl erhältlich ist. Eine CD-Version ist weder erhältlich noch geplant. Das sind wohl die Zeichen der Zeit.
Ohne Bewertung (Dieter ohne, KR 12)
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